Ein Abstrichstäbchen wird in einer ambulanten Corona-Test- Einrichtung gehalten
FAQ

Corona-Tests Was Bayern will und was die Kritiker sagen

Stand: 30.06.2020 16:16 Uhr

Bundesweit wurden die Testmöglichkeiten zuletzt hochgefahren - doch Bayern reicht das nicht. Der Plan der Landesregierung stößt aber bei Experten auf ein geteiltes Echo. Ein Überblick über die Argumente.

Was für ein Testkonzept plant Bayern genau?

Im Kern fußt der Plan auf einer Vereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung zum 1. Juli. Sie sieht vor, dass sich alle Bürger auch ohne Symptome bei Praxisärzten testen lassen können. Daneben sollen freiwillige Tests in Einrichtungen mit gefährdeten Personen etwa in Pflege- und Altenheimen sowie Kliniken ausgebaut werden. Gleiches gilt für Tests von Lehrern und Erziehern. Geplant ist auch eine Test-Offensive in der Fleischbranche. Die Tests in Bayern sind in erster Linie nur für die im Freistaat gemeldeten Einwohner gedacht. Es sei nicht gewollt, dass nun "sämtliche Bundesbürger nach Bayern reisen und sich hier testen lassen", sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml. Ausnahmen seien sicher denkbar, etwa wenn sich jemand aus beruflichen Gründen viel in Bayern aufhalte oder hier trotz Wohnortes in einem anderen Bundesland schon lange einen Arzt habe.

Wie schnell geht es los?

Die bayerische Landesregierung vermutet, dass es noch einige Wochen dauert, bis es auf breiter Front losgeht. Ministerin Huml will noch das Echo der niedergelassenen Ärzte abwarten. Sollte das Angebot seitens der Ärzte nicht gut angenommen werden, werde gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns eine Liste mit den Vertragsärzten erstellt, bei denen sich jeder Bürger testen lassen kann.

Ministerpräsident Söder nimmt einen Mundschutz in den Landesfarben ab.

Ministerpräsident Söder trägt Maske - natürlich mit dem landestypischen Muster.

Wie können solche Massentests funktionieren?

Mit einer Laborkapazität von 21.000 Tests am Tag werden sich die rund 13 Millionen Menschen in Bayern natürlich nicht sofort testen lassen können. Es ist aber auch nicht davon auszugehen, dass überhaupt alle davon Gebrauch machen wollen. Zu Spitzenzeiten in den vergangenen Monaten lag die Zahl der Tests nie über 18.000 pro Tag. Derzeit sind es laut Ministerpräsident Markus Söder etwa 10.000 am Tag. Künftig sollten es 30.000 sein. Wer Symptome hat, soll künftig innerhalb eines Tages getestet und binnen weiterer 24 Stunden sein Ergebnis erhalten. Ohne Symptome dauert es etwas länger: ein Test in 48 Stunden und ein Ergebnis in einer Woche. Dabei will der Freistaat Tests bezahlen, die nicht auf Kassenkosten gehen. Kalkuliert wird mit Kosten von rund 200 Millionen Euro für den Freistaat.

Ist es sinnvoll, Tests für jedermann anzubieten?

Die sogenannten PCR-Tests sind immer nur eine Momentaufnahme - jeder negativ Getestete kann sich danach doch infizieren. Um dauerhaft über den Infektionsstatus einzelner Personen informiert zu sein, müsste man die Tests also regelmäßig in kurzen Abständen wiederholen. Dies könnte für Beschäftigte in besonders sensiblen Bereichen sinnvoll sein - für Pflegepersonal, Beschäftigte in Krankenhäusern oder Menschen, die in Fleischwerken arbeiten. Eine anlasslose Prüfung könnte auch einen Sinn ergeben, wenn man für einen einzelnen bestimmten Zeitpunkt nachweisen muss, ob man infiziert ist oder nicht. Beispielsweise für eine Bescheinigung für eine anstehende Urlaubsreise. Zudem setzt die bayerische Landesregierung darauf, dass Tests für jeden diejenigen ermutigt, die die augenblickliche Situation besonders verängstigt.

Und was könnte gegen Tests für jedermann sprechen?

Wenn das Infektionsgeschehen auf einem insgesamt niedrigen Niveau ist, ist fraglich, ob regelmäßige Tests für Millionen Bürger überhaupt sinnvoll sind. Zumal dann auch erhebliche Kosten entstehen.

Pflegerin und Seniorin in einem Kieler Altenheim begrüßen sich mit Berührung an den Füßen

Dass Pfleger mehr Tests brauchen, ist unstrittig - aber sind Tests für jedermann deshalb die richtige Antwort?

Was halten Wissenschaftler denn davon?

Die Meinungen gehen, wie so oft, auseinander. So hält Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg "einen niedrigschwelligen Zugang zu Tests" für sinnvoll. Gegenüber tagesschau.de erklärte er, mehr und schnellere Test könnten helfen, lokale Ausbrüche wie in Gütersloh noch schneller zu erkennen. Wichtig sei deshalb auch, dass das Personal der Gesundheitsämter weiter aufgestockt werde. In "verletzlichen Einrichtungen" wie Krankenhäusern und Pflegeheimen oder aber in Schulen und Kindergärten oder in Fleischwerken seien Tests wichtig. Regelmäßige Tests dort hält auch Max Geraedts von der Universität Marburg für sinnvoll und wichtiger als Tests für jedermann. Sie müssten auch schnell ausgewertet werden. Die Masse an Tests könne auch dazu führen, dass die Ergebnisse später kommen und Kapazitäten blockiert werden, die für besonders betroffene oder gefährdete Gruppen benötigt würden.

Welche Risiken sehen die Forscher beim bayerischen Testkonzept?

Da die Tests immer nur eine Momenaufnahme darstellen, befürchtet Hans-Georg Kräusslich von der Universität Heidelberg, dass einige Getestete sich in falscher Sicherheit wiegen könnten. Und Max Geraedts weist darauf hin, dass die Tests statistisch in rund einem Prozent der Fälle fälschlicherweise ein positives Ergebnis ausweisen und es auch sein könne, dass ein Prozent der Infizierten nicht erkannt würden.

Wie ist die bundesweite Linie?

"Testen, testen, testen", sagt auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), fügt jedoch an: "Aber gezielt." Denn einfach nur viel zu testen sei ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend. Konkret sollen vor allem Corona-Brennpunkte ins Visier rücken - zum Beispiel grundsätzlich alle, die in Kliniken aufgenommen werden. Gesundheitsämter und Ärzte können aber auch in weiteren Fällen Tests ohne Symptome veranlassen: Für "Kontaktpersonen", die mit Infizierten in einem Haushalt leben oder für längere Gespräche zusammen waren, wenn die neue Corona-App sich meldet. Oder sie können Reihenuntersuchungen für alle in Einrichtungen wie Pflegeheimen, Schulen und Kitas veranlassen, wenn es einen Corona-Fall gab. So läuft es aktuell auch für große Schlachthöfe.

Wie viel ungenutzte Kapazitäten gibt es?

Die Kapazitäten sind im Laufe der Pandemie stark hochgefahren worden. Spielraum ist also da, auch wenn wegen einiger lokaler Ausbrüche wieder mehr getestet wurde. Mitte Juni waren es laut Berufsverband Akkreditierte Labore in der Medizin 335.000 Tests in einer Woche, aktuell möglich wären 910.000. Der Anteil positiver Tests stieg dabei wieder auf 1,4 Prozent. Geregelt ist auch, dass Tests regelmäßig wiederholt werden können - bei Personal in Kliniken und der Pflege zum Beispiel einmal bei Tätigkeitsbeginn und dann alle zwei Wochen wieder. Für Ärger bei Laboren sorgte da, dass sie für die inzwischen zur Massenware gewordenen Tests weniger Vergütung bekommen sollen - ab diesem Mittwoch noch 39,40 Euro statt mehr als 50 Euro pro Test.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete B5 aktuell am 30. Juni 2020 um 16:02 Uhr.