Kohlekraftwerk Niederaußem

AfD-Politiker im Bundestag Falsches und Verdrehtes zum Klima

Stand: 27.09.2019 16:30 Uhr

Nach Ansicht der AfD hat der Klimawandel wenig mit dem Menschen zu tun. Umweltpolitiker Hilse beruft sich dabei sogar auf einen Brief von Forschern und die Weltwetterorgansiation - und verdreht einiges.

Von Konstantin Kumpfmüller, tagesschau.de

Mit einem Gruß an die Kohlekumpel von Jänschwalde begann Karsten Hilse am Donnerstag seine Rede im Bundestag. Hilse ist umweltpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion und Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Der Anlass war eine Debatte zum Klimaschutzprogramm der Bundesregierung.

In Jänschwalde befindet sich eines der größten Kohlekraftwerke Deutschlands. Ein Kraftwerksblock wurde bereits außer Betrieb genommen. Am 1. Oktober soll ein zweiter folgen. Hilse wandte sich in seiner Rede gegen die "Zerstörung" von Kern- und Kohlekraftwerken. Seine Partei werde sich dem mit aller Kraft entgegenstemmen, so der AfD-Politiker.

Schon vorher, während einer Rede des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, bemerkte Hilse in einer Kurzintervention: "Klimawandel ist ein natürliches Phänomen. Der Mensch mit seinen CO2-Emissionen trägt nicht maßgeblich zu diesem Klimawandel bei." Für diese These führte Hilse in seiner Rede zahlreiche vermeintliche Belege an, unter anderem ein Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres mit der Überschrift "Es gibt keinen Klimanotstand".

Schreiben an die UN

Mehr als 500 Unterzeichner hat der Brief, darunter zahlreiche Wissenschaftler. Das Schreiben spricht sich dafür aus, dass Wissenschaft weniger politisch sein sollte; Klimapolitik hingegen wissenschaftlich fundierter. Unsicherheiten und Übertreibungen in Prognosen zum Klimawandel sollten deutlich benannt werden, Politiker müssten "leidenschaftslos" Nutzen und Kosten der Anpassung an die globale Erwärmung abwägen.

Seit Bestehen des Planeten sei das Klima immer wieder Schwankungen ausgesetzt. Im Weiteren vertreten die Autoren die Meinung, dass die Erwärmung langsamer stattfinde als angenommen und die Klimapolitik sich auf unzulängliche Modelle verlasse. Außerdem sei CO2 essenziell für das Leben, eine Zunahme von Umweltkatastrophen nicht bewiesen und eine Null-CO2-Politik schädlich und unrealistisch. Eine der Thesen lautet: "Sowohl natürliche als auch menschengemachte Faktoren verursachen die Erwärmung."

Kein Widerspruch zu menschengemachten Klimawandel

Hilse behauptete in seiner Rede jedoch: "Schließlich haben mehr als 500 Wissenschaftler in einem Brief an UN-Generalsekretär Guterres mit dem Titel "Es gibt keinen Klimanotstand" der These vom menschengemachten Klimawandel widersprochen, unterschrieben unter anderem vom früheren Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt von der SPD."

Den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel leugnen die Thesen der Briefes aber nicht. Ebenso wenig wie der ehemalige SPD-Politiker Vahrenholt, der seit dem Ende seiner politischen Karriere Honorarprofessor der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie ist sowie für verschiedene Energiekonzerne tätig war. Auf seiner Website weist er den Vorwurf zurück, den anthropogenen Einfluss des Menschen zu leugnen. Er halte ihn nur für weitaus niedriger als beispielsweise der Weltklimarat IPCC.

Vahrenholt habe auch keinen Zweifel daran, "dass wir uns wegen der CO2-bedingten Erwärmung langfristig von den fossilen Brennstoffen lösen müssen". Seiner Einschätzung nach habe man dafür aber mehr Zeit.

Natürliche Ursachen?

Vahrenholt geht beispielsweise davon aus, dass natürlichen Faktoren wie der Aktivität der Sonne etwa die Hälfte der globalen Erwärmung geschuldet sei. Eine These, die in ähnlicher Weise auch von AfD-Politikern in der Vergangenheit vertreten wurde. Dem widerspricht unter anderem der deutsche Klimaforscher Mojib Latif. Die These, dass die Sonne für eine Erwärmung verantwortlich sei, sei völlig haltlos.

Dieser Auffassung ist auch das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Sami Solanki, Direktor des Instituts, sagte dem ARD-faktenfinder, dass die Sonne nicht für den Temperaturanstieg der vergangenen 50 Jahre verantwortlich gemacht werden könne. In einem Artikel des Instituts heißt es, dass für die Erderwärmung "spätestens seit etwa 1980 der verstärkte Treibhauseffekt durch die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre" hautpsächlich verantwortlich sei.

Dass der gegenwärtige Klimawandel fast ausschließlich auf anthropogene - also vom Menschen verursachte - Faktoren zurückzuführen ist, gilt als weitgehender wissenschaftlicher Konsens.

Chef der Weltwetterorganisation als Kronzeuge

AfD-Politiker Hilse ist anderer Meinung und führt in seiner Rede den Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), Petteri Taalas, als vermeintlichen Beleg an. Selbst er, als "einer der größten Klimaalarmisten in der Vergangenheit", habe vor einer Klimahysterie gewarnt. Aller Wahrscheinlichkeit nach beruft sich Hilse dabei auf ein Interview, das Taalas Anfang September der finnischen Zeitung "Talouselämä" gab, worin Taalas vor einer Radikalisierung warnt.

Als Kronzeuge für eine Abkehr von einer Politik, die deutlich weniger CO2-Emissionen will, taugt Taalas allerdings nicht. Anlässlich des Klimagipgels in New York forderte dieser jüngst eine radikale Senkung des Ausstoßes der klimaschädlichen Treibhausgase. Die Periode von 2015 bis 2019 werde als der heißeste Fünfjahreszeitraum, der jemals gemessen wurde, in die Geschichte eingehen, so der WMO-Generalsekretär.

Klimawandel als wichtigstes politisches Thema

Seit geraumer Zeit leugnet die AfD immer wieder menschlichen Einfluss auf den Klimawandel - und befindet sich dabei Widerspruch zu einer Mehrheit ihrer Wähler. Mit dieser Rhetorik würden Parteien wie die AfD diejenigen ansprechen, "die ihren bisherigen Lebensstil bedroht sehen oder sich abgehängt fühlen" und so Sorgen und Ressentiments gegen Eliten befeuern, meint Klimaexpertin Stella Schaller im Interview mit tagesschau.de.

Sie hätten das Konfliktpotenzial der Transformation und Schwächen der bisherigen Klimapolitik erkannt und würden dies nun für ihre Zwecke nutzen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. September 2019 um 07:15 Uhr und 12:12 Uhr.