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Europawahl 2024

Emmanuel Macron, Valerie Hayer und Margrethe Vestager mit anderen Mitgliedern einer Konferenz von Renew Europe.
Europawahl

Die Europäischen Liberalen Sorge vor der Schwäche Macrons

Stand: 22.05.2024 15:21 Uhr

Das Bündnis der Liberalen im EU-Parlament ist so uneinheitlich wie die Antworten auf die Frage, was "liberal" bedeutet. Die Deutschen stehen vor allem für eine freie Wirtschaft. Doch stark ist die Fraktion wegen der Franzosen. Noch.

Noch sind die Liberalen drittstärkste Kraft im Europaparlament - das haben sie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu verdanken. Seine Regierungspartei sorgte bei den Europawahlen 2019 für kräftigen Stimmenzuwachs, was Macron sich umgehend entlohnen ließ.

Das L-Wort musste aus dem europäischen Parteinamen verschwinden: In Frankreich hat das Wort "liberal" keinen guten Klang, da es von vielen mit herzlosem Manchester-Kapitalismus assoziiert wird. So wurde in Brüssel aus der traditionellen Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) das neue Bündnis Renew Europe.

Für die Europawahl im Juni machte man im vielstimmigen Renew-Team gar nicht erst den Versuch, einen gemeinsamen Spitzenkandidaten zu finden. Die Antworten auf die Frage, was Liberalismus heute ist, ließ sich nie richtig auf einen Nenner bringen. Renew hat deshalb gleich drei Spitzenkandidaten: Die Französin Valérie Hayer, den Italiener Sandro Gozi und die Deutsche Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Sicherheitspolitik und Bürokratieabbau

Sie würde sich gerne auf europäischer Ebene um Sicherheitspolitik und Rüstungsfragen kümmern, erklärte Strack-Zimmermann im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel. Dabei sei ihr klar, dass in dem Themenbereich kaum etwas EU-weit entschieden werde. Einen Kommissar in Verteidigungsfragen halte sie trotzdem für erforderlich.

Im Visier der Freien Demokraten steht die Kommissionspräsidentin - es ist ein Anti-von-der-Leyen-Wahlkampf, den die Liberalen führen. Die Spitze der Brüsseler Kommission habe der Wirtschaft mit immer neuen Vorschriften Fesseln angelegt - in kaum einer Wahlkampfrede fehlt der Textbaustein. 

Brüssel als Bürokratie-Monster - im Wahlkampf setzen die Freien Demokraten auf einfache Botschaften. Fragt man nach, an welcher Stelle denn bürokratische Vorschriften abgebaut werden sollen, nennen FDP-Abgeordnete vor allem zwei Bereiche: Umweltschutz und Klimaschutz.

Umweltschutz nicht zum Nachteil der Wirtschaft

Einige monatelang ausgehandelte Umweltauflagen wurden entsprechend mit den Stimmen der deutschen Freien Demokraten und der Christdemokraten gestoppt. Das Ergebnis: keine Reduzierung des Pestizideinsatzes auf Europas Feldern; keine Kontrollen und damit auch keine Strafen mehr für landwirtschaftliche Betriebe unter zehn Hektar; Schluss mit der Verpflichtung, für wenigstens vier Prozent der Flächen Brachen vorzusehen. Auch beim Thema Ausstieg aus dem Verbrennermotor bis 2035 entschieden die Parteizentralen von FDP und CDU/CSU pünktlich zum Europawahlkampf anders.

Umweltschutz darf aus Sicht der Liberalen nicht zum Wettbewerbsnachteil für Europas Wirtschaft werden. Das ist ziemlich genau das Gegenteil grüner und sozialdemokratischer Positionen - da fürchtet man, dass Europas Wirtschaft ohne ökologischen Umbau international abgehängt wird, vor allem von China.

Weniger umstritten sind andere Forderungen der Liberalen im Wahlkampf: Sicherung des Rechtsstaats, mehr europäische Kooperation in Bildung und Forschung, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit - das könnten auch manch andere Parteien unterschreiben. Ohnehin gibt es im Europaparlament keine starren Koalitionen, man arbeitet je nach Gesetzesprojekt zusammen.

Wohl weniger Sitze für Renew

Völlig offen ist allerdings, in welcher Stärke die FDP nach der Europawahl ins Parlament einziehen kann. Strack-Zimmermann wird als bundesweite Listenführerin darauf zählen, dass sie einen Platz im Parlament bekommt, denn nur knapp ein Prozent der Stimmen sind in Deutschland für einen EU-Abgeordnetensitz nötig.

Im französischen Lager von Renew macht man sich ganz andere Sorgen. An eine Wiederholung des Erfolgs von 2019 glauben nicht einmal die Parteikollegen Macrons. Sie liegen mit etwa 17 Prozent deutlich hinter dem rechtsextremen Rassemblement National von Marine Le Pen. Ein Wahlerfolg für den Präsidenten wie 2019 liegt in weiter Ferne - und damit eine auch nur annähernd starke Präsenz der liberalen Fraktion im Europaparlament.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Mai 2024 um 11:45 Uhr.