Getreideschläuche auf dem Gelände der deutschen Firma Ufik-Agro.
Reportage

Deutscher Betrieb in der Ukraine Hoffen, dass die Lager sich leeren

Stand: 18.03.2023 11:30 Uhr

Das deutsche Unternehmen UIFK Agro baut in der Ukraine unter anderem Weizen und Roggen an. Die Lager laufen zunehmend voll - der Agrarbetrieb hofft auf eine Verlängerung des Getreideabkommens.

Von Andrea Beer, ARD-Studio Kiew

Dietrich Treis geht über den großen Hof von UIFK Agro in Koschy, rund eine Autostunde östlich von Kiew. Es wird geschweißt, denn die großen Traktoren, Erntemaschinen und Mähdrescher müssen in Schuss bleiben, so der Geschäftsführer.

Auf rund 4500 Hektar baut das deutsche Unternehmen auf den Feldern der Umgebung an. Die Sonnenblumen werden in der Ukraine verkauft, aber Mais, Raps, Roggen und Weizen gehen über Händler an Kunden im Ausland, bis nach China. Das Land ist ein wichtiger Abnehmer von ukrainischem Getreide.

Der deutsche Geschäftsführer Dietrich Treis in einer Lagerhalle mit Mais.

Geschäftsführer Dietrich Treis ist besorgt, denn in den Lagerhallen seiner Firma liegen noch Tausende Tonnen Getreide.

Russlands Invasion sorgt für überfüllte Lager

In den Silos und Hallen des Agrarbetriebs können bis zu 22.000 Tonnen lagern, sagt Lagermeisterin Natalyja Ivanovna und seufzt. Der Krieg begann 2014, doch die russische Großinvasion habe viel geändert.

Man könne nicht mehr die gesamte Fläche der Felder nutzen, wegen der Minen: "Und wegen der Sperrstunde arbeiten wir nur zwischen fünf und elf Uhr abends. In der Landwirtschaft genügt das einfach nicht. Normalerweise sind unsere Lager um diese Jahreszeit leer, aber wir haben noch 4000 Tonnen Mais, 1000 Tonnen Sonnenblumen und 2800 Tonnen Weizen, und das ist zu viel."

Rund 4000 Tonnen Getreide warten auf den Abtransport

Gemeinsam mit Treis steht sie in der Lagerhalle mit dem Mais. Das Getreide-Export-Abkommen ist wichtig, betont der Geschäftsführer. Er schätzt, dass sehr viele Betriebe in der Ukraine noch sehr viel Getreide im Lager haben.

Auch bei UIFK Agro sind Silos, Hallen oder Spezial-Plastikschläuche nicht leer. Das Getreide im Lager sei eigentlich schon verkauft, werde aber im Moment nicht an den Schwarzmeerhäfen angenommen, weil keine Schiffe kämen um die Lager dort freizumachen, so Ties. Die Lieferfrist für das verkaufte Getreide sei eigentlich schon abgelaufen. "Wir haben zum Glück den größten Teil unseres Getreides schon vermarktet, aber immerhin noch rund 4000 Tonnen, die eigentlich nur auf den Abtransport zum Hafen warten", sagt der Geschäftsführer.

Dafür mietet das deutsche Unternehmen Lastwagen oder Zugwaggons. Vorteil hier: Bahnladungen werden am Hafen in Odessa oder Tschornomorsk sicher angenommen. Anders Lkw, die zudem oft warten müssen. Auch Schiffe stauen sich zurzeit. Allein im Februar dieses Jahres seien nur rund die Hälfte der knapp 300 geplanten Kontrollen gemacht worden, heißt es beim zuständigen Infrastrukturminister Oleksandr Kubrakow. Russland führe verabredete Schiffskontrollen im Bosporus systematisch langsam durch, so der Vorwurf aus Kiew.

Ukrainische Agrarexporte laufen überraschend gut

Auch Treis hält das für möglich. Zu Beginn des Getreideabkommens hätte die russische Seite offenbar nicht erwartet, dass die Ukraine den Getreidekorridor durch das Schwarze Meer Richtung Bosporus so schnell und gut nutzen würde, vermutet der 58-Jährige. "Nachdem Russland gemerkt hat, dass die Ukraine doch erhebliche Mengen rausbringt, plus das, was jetzt über Land rausgeht, haben sie angefangen zu verzögern."

In der Tat laufen ukrainische Agrarexporte über die drei Häfen am Schwarzen Meer durch den Getreidekorridor bisher überraschend gut. Die schwierige Logistik und hohe Transportkosten drücken die Getreidepreise in der Ukraine weit unter den Weltmarktpreis. Moskau will die Getreidevereinbarung nur um 60 Tage verlängern und fordert zudem weniger Sanktionen - etwa beim Export von Ammoniak-Dünger durch eine Pipeline in der Ukraine, die zurzeit stillgelegt ist. Die Ukraine möchte mindestens 120 Tage und keine Erleichterung der Sanktionen.

Die Mitarbeiterin von Präsidentenberater Andrij Jermak, Daria Sariwna, sagte, Russland tue alles, dass das Getreideabkommen nicht funktioniere und nicht verlängert werde: "Warum ist doch klar: Russland will die Ukraine als Konkurrenten vom Weltmarkt verdrängen und der ukrainischen Wirtschaft schaden. Zudem ist es Teil des Informationskriegs. Russland will vermitteln, dass die bedürftigsten Länder wegen des Kriegs in der Ukraine leiden würden."

Eine Magnetwand mit Karte und Fotos, die den Beschuss der Felder dokumentiert.

Einige Felder konnten wegen Minen und Einschüssen nicht genutzt werden.

Der Betrieb möchte den Mitarbeitern Stabilität vermitteln

In der Ukraine herrscht Kriegsrecht und die Armee hat das Recht, Lastwagen oder Maschinen zu beschlagnahmen. Einige Lastwagen habe Tries zu Beginn der russischen Großinvasion abgegeben und Getreide an Armee und die Menschen der Umgebung gespendet.

Der Betrieb will im Land bleiben, auch investieren und damit in der schwierigen Zeit des russischen Angriffs für die rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest eine gewisse Stabilität vermitteln, so Treis.

Ein Teil der Männer könnte jedoch eingezogen werden. Das könnte mehr als 20 Wehrpflichtige treffen, sagt Treis - vor allem Traktorfahrer, die bei der heutigen Technik des Berufs nicht zu ersetzen seien. "Wenn ein größerer Teil, gerade auch die Guten, eingezogen würden, hätten wir erhebliche Probleme. Das sind Fachkräfte, die man nicht einfach austauschen kann."

Andrea Beer, Andrea Beer, ARD Kiew, 18.03.2023 09:29 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 18. März 2023 um 14:17 Uhr.