
Rechtspopulist provoziert "Schweden ist voll!"
Stand: 06.03.2020 07:47 Uhr
Der Chef der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, Åkesson, will nicht, dass weitere Flüchtlinge in die EU und nach Schweden kommen. Bei einer Aktion an der türkisch-griechischen Grenze machte er dies sehr deutlich.
Von Carsten Schmiester,
ARD-Studio Stockholm
Ein Mann in schneeweißer Jacke, am Revers eine blau-gelbe Blume und die Buchstaben "SD". Er steht an der türkisch-griechischen Grenze und spricht Flüchtlinge an, allerdings nicht freundlich. Er lässt sich dabei filmen, gibt später Interviews im schwedischen Fernsehen.
Der Mann heißt Jimmie Åkesson, die Blume ist das Symbol der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, dafür das "SD". Die Partei hat ihre Wurzeln im Neonazi-Milieu, Åkesson ist ihr Vorsitzender. Seine Botschaft an die Adresse der Flüchtlinge: "Schweden ist voll. Wir haben keine Kapazitäten, noch mehr aufzunehmen - und das gilt für die gesamte EU."
"Kommt nicht zu uns" steht dann auf den Flugblättern, die er verteilt, "Wir können nicht noch mehr Geld und Wohnraum hergeben. Tut uns leid." Unterzeichnet mit: "Das schwedische Volk, Schwedendemokraten".
Wirklich, das ganze schwedische Volk? In Schweden gibt es heftige Kritik, doch Åkesson bleibt dabei: "Laut aktuellen Umfragen ist es ziemlich klar, dass die Schweden eine restriktivere Einwanderungspolitik wollen. Ich stehe also zu dieser Behauptung."
Protest - sogar von den Moderaten
Die Provokation zeigt Wirkung in Åkessons Heimat. Es gibt lauten Protest, sogar von den konservativen Moderaten, einer Oppositionspartei, die sich sonst kaum so deutlich von den Schwedendemokraten distanziert und deren Chef gerade selbst die Schließung der schwedischen Grenze gefordert hat.
Maria Malmer Stenergard sitzt für sie im Reichstag: "Es gab eine Sitzung des Zuwanderungsausschusses, um eine straffere Politik zu erarbeiten. Wer einen ernsthaften Beitrag leisten will, sollte dabei sein. Åkesson hat aber in der Türkei Flugblätter verteilt. Das ist nicht seriös."
Wesentlich deutlicher wird Rasmus Ling von den Grünen, die zusammen mit den Sozialdemokraten die Minderheitsregierung bilden, aber auch gleich nach dem großen Flüchtlingszustrom 2015 das bis dahin großzügige schwedische Asylrecht deutlich verschärft hatten. "Ich finde es geschmacklos, so in der Türkei aufzutreten, wenn wir gleichzeitig sehen, wie es Menschen schlecht geht und sogar Kinder auf dem Weg nach Griechenland und in die EU ertrinken."
Rot-Grün in der Zwickmühle - Åkessons Ziel
Und die Regierung selbst? Die hält sich zurück, fordert ein neues Flüchtlingsabkommen mit der Türkei und warnt vor einem Worst-Case-Szenario mit bis zu vier Millionen zusätzlichen Asylsuchenden in der EU.
Ganz genau da will Åkesson Rot-Grün haben: in der Zwickmühle zwischen dem eigenen Bekenntnis zum Recht auf Asyl und der immer weiter wachsenden Zuwanderungsskepsis in Schweden. Die drückt sich in Umfragen aus, nach denen die Schwedendemokraten inzwischen mit 23,6 Prozent vor den Sozialdemokraten die stärkste politische Kraft im Land sind. Åkesson hat schon seine Bereitschaft erklärt, Schwedens nächster Regierungschef zu werden.

Würde gerne der nächste Regierungschef werden: Jimmie Akesson Bild: dpa
Für Grenzaktion angezeigt
Erst einmal muss er aber seine Anwälte bemühen. Denn er ist nach der Grenzaktion wegen falscher Behauptungen angezeigt worden - unter anderem vom Juristen Behrang Eslami: "Es ist ein Menschenrecht, Asyl in Europa zu beantragen. Dass Åkesson sich an die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei stellt und Menschen auffordert, keinen Asylantrag in Schweden zu stellen und sich außerdem als Repräsentant des schwedischen Volkes ausgibt, ist grundsätzlich falsch und kann strafbar sein."