Kataloniens Ex-Regierungschef Puigdemont (Archivbild vom 29.10.2019)

Entscheidung über Haftbefehl Puigdemont hofft auf Immunität

Stand: 16.12.2019 05:51 Uhr

Ein belgisches Gericht prüft heute den europäischen Haftbefehl gegen Kataloniens Ex-Regierungschef Puigdemont. Auch zwei Jahre nach dem Unabhängigkeitsreferendum erregt der umstrittene Politiker Aufmerksamkeit.

Der Mann interessiert noch, keine Frage. Sonst ist es kaum zu erklären, warum Carles Puigdemont und sein Leben in Belgien immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Zumindest in Spanien.

"Es ist kein Witz: Ich sammle all das, was über mein Leben geschrieben wurde und absolut falsch ist", sagt der ehemalige katalanische Regionalpräsident. "Damit ich mal eine Biografie schreibe über einen Carles Puigdemont, der nicht existiert."

Polarisierung bringt wichtige Aufmerksamkeit

Insgeheim dürfte Puigdemont über jeden dieser Artikel froh sein. Denn er weiß um die Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. Heute ist Puigdemont von der belgischen Justiz vorgeladen. Sie muss darüber entscheiden, ob sie ihn im Rahmen des Europäischen Haftbefehls an Spanien ausliefert. Dort droht ihm Untersuchungshaft.

Für ihn ist es politisch überlebenswichtig, im Gespräch zu bleiben. Und das versucht er auch: mit markigen Sätzen und staatsmännischen Auftritten auf der Bühne oder in den sozialen Netzwerken.

Und er polarisiert, immer noch: "Puigdemont ins Gefängnis", rufen die einen - "Puigdemont, Präsident" die anderen. Er mischt sich ein, meldet sich zu Wort, per Twitter, Instagram und in Fernsehinterviews, um für die Idee der Unabhängigkeit Kataloniens zu werben.

"Einheit der Staaten entdramatisieren"

In der vergangenen Woche sagte er im russischen Fernsehsender Russia Today, es gebe "Es gibt kein göttliches Gesetz, das dem einen Staat ein Recht auf Unabhängigkeit zugesteht, dem anderen nicht". Es sei lediglich eine Erfindung der Menschen. "Man muss die Idee der Einheit der Staaten entdramatisieren, ihr diesen sakralen Charakter nehmen." Staaten seien allesamt künstliche Gebilde.

Aber es sind auch mächtige Gebilde, die Puigdemont mit seinem Diskurs herausfordert. Vor zwei Jahren erließ ein spanischer Untersuchungsrichter einen Haftbefehl gegen Puigdemont. Das heißt: In dem Moment, in dem Puigdemont spanischen Boden betritt, riskiert er, verhaftet zu werden.

Er floh in einer Nacht- und Nebelaktion nach Belgien. Dort lebt er jetzt in einem Mietshaus in einem Vorort von Brüssel. Weit weg von seiner Familie, seinen Unterstützern, von Katalonien. Als vor wenigen Wochen sein Vater starb, konnte er nicht zur Beerdigung kommen. Und trotzdem laufen die Dinge dort gar nicht so schlecht für ihn.

Die Partei steht hinter ihm

Der katalanische Regionalpräsident Quim Torra ist sein Gefolgsmann. Er machte schon bei seinem Amtsantritt klar, dass für ihn Puigdemont der eigentliche Regierungschef von Katalonien ist. Torra stimmt sich eng mit seinem Vorgänger ab, so bleibt der nah an den Schalthebeln der Macht.

Auch seine Partei "Junts per Catalunya" hat Erfolg. Bei den Wahlen zum spanischen Parlament im November gewann die Puigdemont-Partei einen Sitz hinzu. Sie steht für einen konsequenten Kurs Richtung Unabhängigkeit - ohne Zeit zu verlieren.

Sticheln gegen die EU

In Brüssel, der Hauptstadt Europas, stehen die Dinge schon schwieriger für ihn. Dort bleiben dem Mann mit der Pilzfrisur viele Türen verschlossen. Was Puigdemont immer wieder dazu animiert, kräftig gegen die EU-Gremien auszuteilen.

"Europa ist mehr als seine Institutionen", sagte er zum Beispiel im Februar in Berlin. "Europa ist mehr als seine Parteien, Europa sind die Bürger. Sie sind Europa, mehr als ihre Führer, als Herr Juncker, Herr Tajani oder Herr Tusk."

Im Frühjahr kandidierte Puigdemont mit Erfolg als Europaabgeordneter. Er konnte allerdings sein Mandat nicht annehmen, weil er sich dafür persönlich in Madrid hätte akkreditieren müssen. Das kam für ihn allerdings nicht in Frage, weil er Gefahr lief, in Spanien verhaftet zu werden.

Der katalanische Politiker Oriol Junqueras (Archivbild vom 20.05.2019)

Puigdemonts Mitstreiter Junqueras hat vor dem EuGH geklagt.

EuGH könnte Auslieferung verhindern

Das kurzfristige Ziel von Puigdemont dürfte vor allem die politische Immunität sein. Auch sein ehemaliger Vize, Oriol Junqueras, wurde ins EU-Parlament gewählt, auch er konnte sein Mandat nicht antreten, da er in Untersuchungshaft saß. Er hat dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt, das Urteil wird für diesen Donnerstag erwartet.

Es ist gut möglich, dass dieser Tag auch über Puigdemonts Zukunft entscheidet. Sollten die Richter zugunsten von Junqueras entscheiden, hätte er ebenfalls gute Karten, als Europaabgeordneter ins Parlament einziehen zu können.

Angesichts dieses Szenarios könnten die belgischen Richter sich dafür entscheiden, dem Auslieferungsgesuch von Spanien nicht nachzukommen. Puigdemont würde so auf freiem Fuß bleiben.

Auf Instagram postete Puigdemont am vergangenen Donnerstag ein Bild, auf dem er auf dem Parkettboden sitzt und sich an eine Tür anlehnt. "Sieben Tage", steht da geschrieben, daneben das Symbol einer Sanduhr.

Wohnsitz nahe der spanischen Grenze geplant?

Er soll angeblich schon über einen neuen Wohnsitz im südfranzösischen Perpignan nachdenken. Die Stadt liegt unweit der spanischen Grenze, sie zählt für Puigdemont schon zum Norden Kataloniens. In jedem Fall wäre er damit seiner Heimat noch ein bisschen näher - und der spanischen Regierung noch ein bisschen mehr auf die Pelle gerückt.

Marc Dugge, Marc Dugge, ARD Madrid, 16.12.2019 06:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 16. Dezember 2019 um 12:19 Uhr.