
Nach Abschuss im Iran Gezerre um Flugschreiber
Stand: 21.01.2020 09:07 Uhr
Lückenlose Aufklärung versprach der Iran nach dem Abschuss der Passagiermaschine. Doch bei den Flugschreibern macht Teheran nun eine Kehrtwende: Sie sollen im Land ausgewertet werden. Dagegen rührt sich Protest.
Der Iran will den Flugschreiber des abgeschossenen ukrainischen Flugzeugs doch selbst auswerten. "Wir versuchen, die Blackbox hier im Iran zu analysieren", sagte Hassan Resaifar von der iranischen Zivilluftfahrt-Organisation.
Resaifar hatte noch am Samstag sowohl IRNA als auch der Nachrichtenagentur Tasnim gesagt, dass die Auswertung der Daten- Stimmenaufzeichnungen aus dem Cockpit im Iran technisch nicht möglich sei.
Der Iran habe für das Herunterladen der Daten nicht die notwendige Software. Daher würden sie den Behörden in der Ukraine übergeben und notfalls nach Frankreich geschickt.
Warum die iranische Luftfahrtbehörde in weniger als 24 Stunden ihre Meinung komplett änderte, ist unklar.
Mahnungen von Kanada und der Ukraine
Kanada und die Ukraine mahnten beide eine schnelle Herausgabe an. Die Blackboxes sollten zur Auswertung durch Experten an Frankreich oder die Ukraine übermittelt werden, schrieb der kanadische Außenminister Francois-Philippe Champagne an seinen iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif. "Wenn Sie der Welt sagen, dass sie volle Verantwortung übernehmen, dann geht dies mit Konsequenzen einher", schrieb Champagne. Dazu gehöre volle Transparenz.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte an die iranische Regierung. Die Ukraine habe die technischen Kapazitäten und erfahrene Spezialisten, um die Informationen auf den Flugschreibern auszulesen, sagte Selenskyj. Bei einem Treffen mit dem iranischen Verkehrsminister Mohammad Eslami in Kiew pochte er darauf, dass beide Seiten vereinbart hätten, sämtliche Wrackteile des Flugzeugs in die Ukraine zurückzubringen.
Iran feuerte zwei Raketen ab
Inzwischen räumten die iranischen Behörden ein, dass die Passagiermaschine tatsächlich von zwei Raketen getroffen wurde. Das Militär hatte bislang nur von einem Geschoss gesprochen. In der vergangenen Woche hatten bereits US-Medien anhand eines neuen Videos analysiert, dass die Maschine durch zwei Raketen getroffen worden sein könnte. Durch den ersten Einschlag sei möglicherweise das Kommunikationssystem des Flugzeugs zerstört worden. Wahrscheinlich habe es deswegen keinen Kontakt mehr zu den Piloten gegeben.
Was ist auf Stimmenrekorder zu hören?
Das ukrainische Flugzeug war am 8. Januar inmitten der militärischen Konfrontation zwischen dem Iran und den USA offenbar irrtümlich abgeschossen worden. Zunächst hatten die iranischen Behörden tagelang von einem technischen Defekt gesprochen. Keiner der 176 Menschen an Bord überlebte. Nach iranischen Angaben waren 147 der Passagiere Iraner und 57 kanadische Staatsbürger. Der Abschuss der Maschine und das tagelange Leugnen der iranischen Führung hatten heftige Proteste im Land ausgelöst.
Die Demonstranten forderten eine Bestrafung der Verantwortlichen, einige auch den Rücktritt der Führung. Präsident Hassan Rouhani versprach daraufhin eine gründliche und lückenlose Aufklärung. Doch warum nun der Rückzieher bei den Flugschreibern? Auf dem Stimmenrekorder aus dem Cockpit könnten jene 20 Sekunden zu hören sein, die zwischen dem Einschlag der ersten und zweiten iranischen Rakete lagen, nach der das Flugzeug schließlich abstürzte. Möglicherweise fürchtet die iranische Führung, dass eine Veröffentlichung die Proteste gegen die Regierung neu entfachen könnte.
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