EU-Treffen zur Balkan-Flüchtlingskrise Schnelle Hilfe, strenge Maßnahmen

Stand: 25.10.2015 19:47 Uhr

In der Flüchtlingskrise suchen die EU-Staaten auf einem Sondertreffen nach einer Lösung für die dramatische Lage der Flüchtlinge auf der Balkanroute. Die Diskussion auf dem Treffen ist bislang geprägt von Schuldzuweisungen.

Bei dem EU-Sondertreffen in Brüssel haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Staats- und Regierungschefs von neun anderen EU-Ländern sowie Serbien, Mazedonien und Albanien Beratungen über die Flüchtlingskrise auf dem Balkan aufgenommen. Vor Beginn des Treffens sagte Merkel, vorrangiges Ziel des Krisentreffens sei es, "dass man den umherirrenden Menschen, die zum Teil unter unerträglichen Bedingungen leben, Hilfe angedeihen lässt".

Es sei "von allergrößter Bedeutung", dass es eine "menschenwürdige Behandlung" der Flüchtlinge gebe und sich die betroffenen Staaten absprächen, "wie wir uns die Aufgabe besser teilen können entlang der Balkanroute", sagte Merkel weiter. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte vor dem Treffen die Balkanstaaten ermahnt, die Zehntausenden durchreisenden Menschen besser zu versorgen. "Die Staaten entlang der West-Balkanroute müssen geordnete Verfahren und Verhältnisse gewährleisten", sagte er der "Bild am Sonntag". "Jeder Tag zählt. Sonst sehen wir bald Familien in kalten Flüssen auf dem Balkan elendlich zugrunde gehen."

Druck auf Athen

Als weiteres Thema nannte Merkel die Frage, wie die Entwicklung der Registrierungszentren für Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU und insbesondere in Griechenland vorankomme. Dabei wächst der Druck auf Griechenland. Mehrere EU-Regierungen forderten von der griechischen Regierung, dass die zugesagten Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen gebaut werden. Im Entwurf der Abschlusserklärung des Treffens war davon die Rede, dass an 50.000 Plätze gedacht war.

In Brüssel hieß es, dass Griechenland bisher 30.000 Plätze angegeben hat. Die erste Einrichtung auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos hat nur eine Kapazität von etwas mehr als 2000 Plätzen. Streit gibt es zudem darüber, ob diese Einrichtungen nur zur Registrierung und Verteilung von Flüchtlingen und Migranten genutzt werden - oder auch zur Zurückweisung von denjenigen, die kein Bleiberecht in der EU bekommen. Letztere Meinung vertreten etwa die Bundesregierung und die EU-Kommission.

Entwurf: 400 Grenzschützer sollen auf den Balkan

Ein besserer Schutz der Außengrenze sei "eine wichtige Aufgabe", um die Flüchtlingskrise unter Kontrolle zu bekommen, so Merkel. Aus dem Entwurf für die Abschlusserklärung geht hervor, dass der Grenzschutz zwischen Griechenland und der Türkei verstärkt werden soll. Außerdem soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex auch die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien sowie Albanien besser absichern.

Dazu sollten 400 Grenzschützer anderer EU-Staaten zusätzlich auf dem Balkan eingesetzt werden, heißt es in dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf. Afghanen, Iraker und andere Asiaten ohne Bleiberecht sollen schneller abgeschoben werden. Zudem soll das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR stärker einbezogen werden.

Warnungen aus Slowenien

Slowenien warnte vor einem Auseinanderbrechen der EU. "Wenn wir heute keine Lösung finden, wenn wir heute nicht alles was möglich ist tun, dann ist es das Ende der EU als ganzes", sagte der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar vor Beginn der Beratungen. Er forderte konkrete Aktionspläne, die in den kommenden Tagen und Wochen umgesetzt werden müssten. Sein Land könne die hohe Anzahl von Flüchtlingen nicht mehr lange durchhalten.

Der tschechische Präsident Milos Zeman kritisierte die offenherzige Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Das ist auf eine gewisse Weise ein falscher Humanismus. Denn man muss sich fragen, was für Flüchtlinge man da aufnimmt", sagte er. Syrer sollten seiner Ansicht nach in ihrem Land bleiben und für es kämpfen.

Zugleich behauptete Zeman, die meisten der Flüchtlinge seien wohlhabende junge Männer mit Smartphones, die kein Mitgefühl verdient hätten. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, hatte Zeman erst vor kurzem wegen "wiederholter islamophober Äußerungen" kritisiert.

"Ungarn liegt nicht mehr auf der Route"

Ungarn sieht sich bei der Suche nach Antworten auf die Flüchtlingskrise außen vor. "Ungarn liegt nicht mehr auf der Route. Wir sind hier nur ein Beobachter", sagte Ministerpräsident Viktor Orban vor der Treffen. Ungarn hat seine Grenzen zu Serbien und Kroatien mit Zäunen abgesichert und die Flüchtlingsroute somit in die westlichen Nachbarländer verlagert.

Dennoch erhob er Vorwürfe gegen die EU-Partner. "Ich hoffe, dass wir an diesem Nachmittag der Politik der offenen Grenzen, die dem Schengen-Vertrag völlig widerspricht, ein Ende bereiten", sagte Orban. Diese "Einladungs-Politik" widerspreche dem Vertrag.

Dramatische Lage auf dem Balkan

Weiterhin sind Tausende Menschen auf der Balkanroute unterwegs. Allein von Mitternacht bis zum frühen Morgen seien 3900 Flüchtlinge über das Grenzdorf Rigonce aus Kroatien eingereist, berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA unter Berufung auf die Polizei. 2500 Menschen verbrachten die Nacht am österreichischen Grenzübergang Spielfeld in Zelten, meldete die österreichische Nachrichtenagentur APA.

Kroatien meldete eine neue Rekordzahl von Flüchtlingen innerhalb eines Tages. Wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte, kamen am Tag zuvor 11.500 Menschen vom benachbarten Serbien aus ins Land. Seit Ungarn seine Grenze zu Serbien Mitte September geschlossen hat, nutzen Migranten auf dem Weg nach Westeuropa die Route über Kroatien, um in Länder wie Deutschland oder Schweden zu gelangen.

Juncker hatte das Spitzentreffen von zehn EU-Ländern sowie Serbien, Mazedonien und Albanien vergangene Woche kurzfristig einberufen, nachdem sich die Lage auf dem Balkan immer weiter verschlechtert hatte. Seine Behörde hat einen 16-Punkte-Plan mit Sofortmaßnahmen vorgeschlagen, um das Problem anzugehen. Er soll mehr Zusammenarbeit unter den betroffenen Ländern ermöglichen und unter anderem verhindern, dass Flüchtlinge weiter von einem Land zum anderen "durchgewinkt" werden.