Einsatzkräfte der Feuerwehr neben dem Wrack eines Busses in Mestre, bei Venedig

Busunglück in Venedig "Alles deutet auf ein Unwohlsein des Fahrers hin"

Stand: 04.10.2023 20:00 Uhr

Wie es zu dem schweren Busunglück in Venedig kommen konnte, ist noch immer nicht eindeutig geklärt. Das Video einer Überwachungskamera gibt aber erste Anhaltspunkte.

Der Blick auf die Tragödie dauert 34 Sekunden. So lang ist das heute veröffentlichte Video einer Straßen-Überwachungskamera, das die Entstehung des Unglücks in Mestre zeigt. Zu sehen ist, wie der Unglücksbus mit moderater Geschwindigkeit auf der rechten Spur fährt. Für Sekunden wird er von einem Fahrzeug auf der Nebenspur verdeckt - dann ist bereits zu erkennen, wie der Bus fast wie in Zeitlupe nach rechts in die Tiefe stürzt.

Für Regionalpräsident Luca Zaia lassen die Aufnahmen bisherige Vermutungen plausibel erscheinen. "Alles deutet auf ein Unwohlsein des Fahrers hin", sagte er. "Trotzdem ist es wichtig, dass man nach wie vor den Konjunktiv verwendet."

Mindestens 21 Tote und 15 Verletzte nach schwerem Busunglück in Venedig

Anja Miller, ARD Rom, tagesschau, 04.10.2023 16:00 Uhr

Kein anderes Fahrzeug beteiligt

Die Staatsanwaltschaft treibt ihre Ermittlungen voran, auch auf der Basis der neuen Bilder. Außerdem wurde die sogenannte Blackbox des Busses sichergestellt. Auf dem heute veröffentlichten Video ist zu erkennen, dass kein anderes Fahrzeug in den Unfall verwickelt war. Und dass der Unglücksbus nicht im großen Winkel auf den Fahrbahnrand zusteuert, sondern die Leitplanke quasi mit der Seite aufzureißen scheint.

Nach Angaben der italienischen Behörden sind bei dem Unglück 21 Menschen ums Leben gekommen. Sie befanden sich auf der Fahrt zurück zu ihrem Campingplatz, nach einem Tagesbesuch in Venedig. 15 Personen haben das Unglück überlebt, zum Teil schwer verletzt. Fünf bis sechs der Überlebenden schwebten noch in Lebensgefahr, teilte Zaia mit.

Auch ein deutsches Todesopfer

Der Regionalpräsident Venetiens besuchte am Nachmittag das Krankenhaus in Mestre, in dem einige der Verletzten behandelt werden. Die Bilanz des Unglücks sei erschütternd, sagte Zaia. "Unter den 15 Verletzten sind auch zwei Geschwister im Alter von drei und 13 Jahren, die im Krankenhaus von Treviso liegen. Ihre Mutter und ihr Lebensgefährte sind gestorben. Es ist eine wirkliche Tragödie."

Unter den Todesopfern sind nach Angaben Zaias ein einjähriges Kind und ein 14-jähriges Mädchen. Ein Mensch aus Deutschland sei bei dem Unglück ebenfalls ums Leben gekommen sein, teilten die italienischen Behörden mit. Das Auswärtige Amt hat bislang nur bestätigt, dass an Bord des verunglückten Busses auch Deutsche waren. Weitere Angaben, heißt es aus Berlin, wolle man derzeit nicht machen.

Moderner Bus, erst 2022 zugelassen

Die Ermittler in Venedig hatten auch noch am Nachmittag Schwierigkeiten, alle Opfer zu identifizieren - die Wucht des Aufpralls aus zehn bis 15 Meter Höhe und das Feuer, das anschließend im Bus ausgebrochen ist, heißt es, sei fürchterlich gewesen.

Fest steht mittlerweile, dass der Unglücksbus eine Art Shuttle war. Er brachte Gäste eines Campingplatzes in Marghera, einem Vorort von Venedig, für Tagesbesuche ins Zentrum der Lagunenstadt und zurück. Dabei wurde offensichtlich ein recht moderner Bus eingesetzt, der erst im vergangenen Jahr zugelassen worden sein soll. Nach unterschiedlichen Angaben soll es sich um einen Hybrid- beziehungsweise reinen Elektrobus gehandelt haben.

Modernisierungen seit Längerem geplant

Heute aufkommende Diskussionen darüber, ob möglicherweise die Leitplanken an der Unglücksstelle zu niedrig und zu schwach gewesen sind, kommentierte Venedigs Verkehrsassessor Renato Boraso mit Kopfschütteln - und mit dem Hinweis, der Unglücksbus sei rund 13 Tonnen schwer gewesen: "Nicht einmal wenn es drei- oder vierfache Leitplanken gegeben hätte, hätte das dem Aufprall eines derart schweren Fahrzeugs standgehalten."

Venedigs Verkehrsverantwortlicher räumte allerdings ein, dass an der viel befahrenen Unglücksbrücke schon seit Längerem Modernisierungen geplant waren. Dabei sollten offensichtlich auch die Sicherheitsvorrichtungen an den Fahrbahnrändern verbessert werden.

 

Jörg Seisselberg, ARD Rom, tagesschau, 04.10.2023 16:00 Uhr