Ein Arbeiter beseitigt die Trümmer eines DTEK-Kraftwerks, das von einer russischen Rakete getroffen wurde. (Aufnahme vom 2. April 2024)

Angriffe auf ukrainische Infrastruktur Großteil der Wärmekraftwerke zerstört

Stand: 12.04.2024 18:36 Uhr

Die russischen Attacken auf ukrainische Energieinfrastruktur haben massive Folgen. Viele Kraftwerke sind bereits zerstört oder stehen unter russischer Kontrolle, wie eine ukrainische Medienrecherche zeigt.

Die Energieversorgung in der Ukraine steht durch russische Attacken massiv unter Druck. In der Nacht zu Freitag griff Russland erneut Ziele im Land an, fast alle Drohnen konnten dabei abgefangen werden, wie die ukrainische Seite mitteilte. Dem Energieministerium zufolge wurde dennoch ein Umspannwerk im Gebiet Dnipropetrowsk beschädigt.

Derartige Angriffe haben offenbar eine neue Größenordnung erreicht. "Wir können sagen, dass bis zu 80 Prozent der Wärmekraftwerke angegriffen wurden, mehr als die Hälfte der Wasserkraftwerke und eine große Anzahl von Relaisstationen" für die Stromübertragung, sagte Energieminister Herman Haluschtschenko vor wenigen Tagen. Es handele sich um "den größten Angriff auf Ukraines Energiesektor" seit Kriegsbeginn.

Und die Angriffe zeigen Wirkung: Nach russischen Attacken seit Mitte März ist der Großteil der Wärmekraftwerke zerstört oder unter russischer Kontrolle. Das lässt sich aus einer ukrainischen Medienrecherche und den Angaben von Unternehmen ableiten.

Erneut russische Angriffe - besonders auf die Energieinfrastruktur der Ukraine

Vassili Golod, ARD Kiew, tagesschau, 11.04.2024 20:00 Uhr

Kapazitäten deutlich eingebüßt

Das Nachrichtenportal Ukrajinska Prawda berichtete über die Auswirkungen. "Nach dem letzten Beschuss und der Zerstörung des Tripyllja-Wärmekraftwerks hat das Staatsunternehmen Zentrenerho einhundert Prozent seiner Stromerzeugungskapazitäten verloren", hieß es. Zuvor war das Wärmekraftwerk bei Smijiw im ostukrainischen Gebiet Charkiw bereits zerstört worden. Seit Sommer 2022 ist das ebenso zu Zentrenerho gehörende Kraftwerk Wuhlehirsk im Gebiet Donezk unter russischer Kontrolle.

Nach Angaben des größten privaten Energieunternehmens DTEK sind fünf seiner sechs Kraftwerke zumindest stark beschädigt. Nur 20 Prozent der Kapazitäten zur Stromproduktion seien intakt. Das Online-Portal Ukrajinska Prawda geht nach den neuerlichen Angriffen davon aus, dass es eher weniger sind. 

Beim dritten Betreiber von Wärmekraftwerken, Donbassenerho, ist die Situation nicht besser. Das Kraftwerk bei Starobeschewe im Gebiet Donezk ist laut der Recherche bereits seit 2015 unter Kontrolle von prorussischen Separatisten. Das zweite Kraftwerk des Unternehmens bei Slowjansk werde regelmäßig beschossen.

Kraftwerke wichtig für Netzstabilität

Russland greift auch Wasserkraftwerke an. Im März setzte Raketenbeschuss das große Dnipro-Wasserkraftwerk in Saporischschja außer Betrieb.

Die Angriffe zielten vor allem auf die Wärme- und Wasserkraftwerke, da diese wichtig für die Netzstabilität seien, erläuterte Ukrajinska Prawda. Sie könnten die Stromproduktion am Morgen und Abend schnell hochfahren, wenn der Verbrauch stark ansteige. Wärmekraftwerke verbrennen dafür Kohle, Heizöl oder Gas, um Strom zu erzeugen.

Die drei unter ukrainischer Kontrolle verbliebenen ukrainischen Atomkraftwerke, die die Grundlast gewährleisten, seien von den Angriffen ausgenommen. Energieminister Haluschtschenko gab am vergangenen Sonntag den Atomanteil an der Stromerzeugung mit mehr als 50 Prozent an. 

Regelmäßige Stromabschaltungen nur in Charkiw

Trotz der Zerstörungen der Energieinfrastruktur gibt es nach Angaben des Netzbetreibers Ukrenerho regelmäßige Stromabschaltungen bislang nur im Gebiet Charkiw. Die gleichnamige Großstadt war im März von Angriffen vor allem auf die Energieinfrastruktur betroffen. Zeitweise war die Millionenstadt komplett ohne Strom.

Im Gebiet Dnipropetrowsk seien Industrieabnehmer von Stromabschaltungen betroffen, wie Ukrenerho mitteilte. Um die Versorgung zu gewährleisten, werde zu den Spitzenverbrauchszeiten morgens und abends Strom aus den Nachbarstaaten Rumänien, Slowakei, Ungarn und Moldau importiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. April 2024 um 20:00 Uhr.