Ein Arbeiter beobachtet, wie im April 2023 Getreide im Hafen von Ismajil (Ukraine) verladen wird.

Trotz russischer Drohungen Schiffe ignorieren Seeblockade

Stand: 01.08.2023 18:27 Uhr

Mehrere Schiffe sind trotz der russischen Seeblockade durch ukrainische Gewässer gefahren. Nach Medienberichten wurde ihre Fahrt auf dem Schwarzen Meer von NATO-Flugzeugen beobachtet.

Nach der Aufkündigung des Getreideabkommens durch Russland sind mehrere Schiffe über das Schwarze Meer unbehelligt in Richtung ukrainischer Küste gefahren. Die unter der Flagge Sierra Leones registrierte "Ams1" verließ, wie verschiedene Schiffstracking-Seiten zeigen, am vergangenen Samstag den Hafen von Istanbul und ist mittlerweile unterwegs im Donaudelta in Richtung der Hafenstadt Ismajil.

Der letzte Teil der Route verlief durch ukrainische Gewässer im Schwarzen Meer und damit durch den Teil des Meeres, für den es keine Sicherheitsgarantien mehr gibt. An der Seegrenze liegt die unter der Flagge von Togo fahrende "Khaled A", die ebenfalls als Ziel Ismajil angegeben hat. Sie kommt aus einem Hafen in Rumänien. Wahrscheinlich sollen die Frachter in Ismajil Getreide laden und anschließend versuchen, dieses in einen nicht-russischen Hafen zu transportieren.

Gleichzeitig verlassen laut Daten der Schiffstracking-Seiten zwei weitere Frachter, die "Almeria" und die "Florica" das Donaudelta und befinden sich mittlerweile in ukrainischen Gewässern auf dem Schwarzen Meer. Die "Almeria" soll Burgas in Bulgarien ansteuern.

Karte Ukraine mit Ismajil, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Widersprüchliche Meldungen

Über die Durchbrechung der Seeblockade hatten zunächst übereinstimmend das US-Magazin "Forbes", die US-amerikanische Forschungseinrichtung Institute for the Study of Wars sowie ein ukrainischer Militärblog berichtet, allerdings teils andere Frachter genannt. In einigen Meldungen war die Rede davon, dass mindestens drei Schiffe bereits Ismajil erreicht hätten. Dies lässt sich anhand der Tracker-Daten bislang nicht erhärten.

Die russische Regierung hatte Mitte Juli mit dem Getreideabkommen alle Sicherheitsgarantien für Schiffe aufgehoben, die ukrainische Häfen am Schwarzen Meer ansteuern sollten. Das russische Verteidigungsministerium hatte daraufhin alle zivilen Schiffe in dem Meer zu legitimen militärischen Zielen erklärt.

Das russische Außenministerium erklärte später, damit seien Inspektionen der Schiffe gemeint. Als Reaktion kündigte die Ukraine an, ebenfalls gegen Schiffe vorzugehen, die russisch kontrollierte Häfen im Schwarzen Meer anlaufen.

Keine geheime Fahrt

Warum es der "Ams1" gelang, unbehelligt durch ukrainische Gewässer zu fahren, ob es an einem mangelnden Willen der russischen Marine, an einer mangelnden Fähigkeit oder an anderen Gründen lag, ist vorerst unklar. Die Daten über den Zielhafen der "Ams1" waren und sind allgemein einsehbar.

Wie "Forbes" schreibt, sei die Fahrt der Schiffe von mehreren unbewaffneten NATO-Flugzeugen und einer Drohne beobachtet worden. Ob dies einen Einfluss auf das Geschehen hatte, ist ebenso unklar.

Ukraine schließt Vertrag mit Kroatien

Seit der Aufkündigung des Getreideabkommens versucht die Ukraine, andere Wege für den Export zu finden, um die Seeblockade im Schwarzen Meer zu umgehen. Am Donnerstag schloss das Land mit Kroatien ein Abkommen über die Ausfuhr von Getreide über Häfen an der Adria.

Die Agrarprodukte sollen über die Donau verschifft werden, teilte das Außenministerium in Kiew mit. Anschließend soll die Fracht per Eisenbahn an die Adriaküste gebracht werden. Welche Exportmengen damit erreicht werden können, wurde nicht mitgeteilt.

Russland griff nach dem Ende des Abkommens wiederholt ukrainische Seehäfen um Odessa und Donauhäfen mit Raketen und Drohnen an. Dabei sollen laut ukrainischem Außenministerium 180.000 Tonnen Getreide vernichtet worden sein.

Botschafter ruft nach NATO-Schutz

Die Ukraine drängt unterdessen weiter darauf, dass die NATO ukrainische Getreidetransporte auf der Fahrt über das Schwarze Meer schützt. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, zog gegenüber den Zeitungen "Rheinische Post" und "General-Anzeiger", einen Vergleich zum Einsatz von NATO und EU am Horn von Afrika, bei denen Schiffe vor Piraten geschützt wurden.

Kein Schiff fühle sich auf dem Schwarzen Meer derzeit sicher und frei, sagte Makeiev. Die Ukraine sei in der Lage, mit ihren Agrarprodukten sehr viele Länder der Erde zu beliefern. Sein Land habe Getreide für 400 Millionen Menschen weltweit.

Russland meldet Abwehr von Seedrohnen

Aus dem russischen Verteidungsministerium hieß es unterdessen, die Schwarzmeerflotte habe drei Attacken von ukrainischen Seedrohnen auf ihre Schiffe abgewehrt. Die Ukraine habe versucht, die Patrouillenschiffe "Sergej Kotow" und "Wassili Bykow" mit unbemannten Sprengbooten anzugreifen. Die drei Objekte seien durch die Bordwaffen der russischen Schiffe vernichtet worden.

Die Korvetten verrichten demnach weiter ihre Kontrollfahrten im Schwarzen Meer rund 340 Kilometer südwestlich der Hafenstadt Sewastopol auf der von Russland völkerrechtswidrig besetzten und annektierten Halbinsel Krim.

Die Ukraine hat mehrfach Seedrohnen gegen russische Marineschiffe und mutmaßlich auch gegen die Brücke zur von Russland annektierten Halbinsel Krim eingesetzt. Die Wasserfahrzeuge sollen eine ukrainische Eigenproduktionen sein. Der US-amerikanische Fernsehsender CNN zeigte am Wochenende ferngesteuerte Motorboote, die bis zu 300 Kilogramm Sprengstoff 800 Kilometer weit bringen können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. August 2023 um 18:00 Uhr.