Rauch steigt über der Stadt Awdijiwka auf. (Aufnahme vom 15. Februar 2024)

Kämpfe in der Ostukraine Lage in Awdijiwka immer schwieriger

Stand: 16.02.2024 12:08 Uhr

Die Ukraine meldet schwere Gefechte um die Kleinstadt Awdijiwka im Osten des Landes. Experten sehen ein Vorrücken russischer Truppen von mehreren Seiten. Auch die US-Regierung warnt vor einer bevorstehenden Einnahme.

Seit Monaten ist die Stadt Awdijiwka in der Ostukraine Ziel russischer Angriffe - nun wird die Lage für die ukrainischen Verteidiger immer schwieriger. "In der Stadt finden heftige Kämpfe statt. Unsere Truppen setzen alle verfügbaren Kräfte und Mittel ein, um den Feind zurückzuhalten", teilte der kommandierende General für diesen Frontabschnitt, Olexander Tarnawskyj, zu Tagesanbruch mit. Er nannte die Lage "schwierig, aber unter Kontrolle".

Die ukrainischen Verteidiger wehrten sich unter "unmenschlichen Bedingungen", schrieb der Pressedienst der in Awdijiwka eingesetzten 110. Brigade der ukrainischen Armee auf Facebook. "Heute wirft der Feind enorme Kräfte in Form von Personal, gepanzerten Fahrzeugen und Flugzeugen in Richtung Awdijiwka."

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Geringe strategische Bedeutung

Russische Truppen seien von mehreren Seiten vorgerückt, analysierte das US-amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) in seinem Tagesbericht für Donnerstag. Durch Fotos sei belegt, dass russische Soldaten von Norden her vordringen. Im Süden der Stadt sei eine wichtige befestigte Verteidigungsanlage der Ukrainer erobert worden.

"Russische Truppen können die Einkesselung einiger ukrainischer Kräfte vollenden, wenn die ukrainischen Truppen sich nicht zurückziehen oder erfolgreiche Gegenangriffe unternehmen", folgerten die Beobachter. Eine Eroberung der Stadt durch russische Truppen sei zwar strategisch nicht bedeutend, sie lasse sich aber vor der russischen Präsidentenwahl im März vom Kreml propagandistisch ausschlachten.

Ukrainische Kleinstadt Awdijiwka seit Wochen unter Dauerbeschuss

Birgit Virnich, ARD Kiew , tagesschau, 16.02.2024 20:00 Uhr

"Wir tun das Maximale"

Die ukrainische Seite hatte gestern berichtet, dass ihre Truppen sich aus einigen vorgeschobenen Stellungen zurückziehen. Brigadegeneral Tarnawskyj sprach davon, dass noch Verstärkungen in bedrohte Gebiete gebracht würden. Aber er sagte auch, dass neue Stellungen vorbereitet würden. "Wir schätzen jedes Stück ukrainischen Bodens, aber der höchste Wert und die höchste Priorität für uns ist es, das Leben der ukrainischen Soldaten zu retten", schrieb der General auf Telegram.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte gestern: "Wir tun das Maximale, damit unsere Soldaten ausreichend administrative und technologische Möglichkeiten haben, um so viele ukrainische Leben wie möglich zu retten."

USA sehen Munition als Faktor

Auch die US-Regierung warnte vor einer unmittelbar bevorstehenden Einnahme der Stadt. "Awdijiwka läuft Gefahr, in russische Hand zu geraten", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, gestern in Washington. "Dies geschieht zu einem großen Teil, weil den ukrainischen Streitkräften vor Ort die Artilleriemunition ausgeht." Russland schicke Wellen von Wehrpflichtigen, um ukrainische Stellungen anzugreifen.

Kirby sagte, da der US-Kongress das entsprechende Zusatzgesetz für weitere Ukraine-Hilfen noch nicht verabschiedet habe, könnten der Ukraine die dringend benötigten Artilleriegeschosse nicht geliefert werden. Die russischen Streitkräfte erreichten jetzt die ukrainischen Schützengräben in Awdijiwka und begännen, die ukrainischen Verteidigungsanlagen zu überwältigen.

Russische Truppen versuchen seit Oktober 2023 unter hohen Verlusten, Awdijiwka zu erobern. Die ehemalige Industriestadt war seit 2014 Vorposten der Ukraine in unmittelbarer Nähe zu Donezk, der russisch beherrschten Hauptstadt des Kohle- und Stahlreviers Donbass.