Die US-Botschaft in Kubas Hauptstadt Havanna (Archiv)

Internationale Recherche Steckt Russland hinter dem "Havanna-Syndrom"?

Stand: 01.04.2024 20:33 Uhr

Benommenheit, Sehprobleme und Kopfschmerzen: Unter dem "Havanna-Syndrom" leiden zahlreiche US-Diplomaten. Woher die Probleme kommen, ist unklar. Recherchen zufolge führt eine Spur zum russischen Militärgeheimdienst. Moskau dementiert.

Hinter den als "Havanna-Syndrom" bekannten ungeklärten Gesundheitsproblemen zahlreicher US-Diplomaten könnten Medienberichten zufolge russische Geheimdienste stecken. Journalisten von "The Insider", CBS und "Spiegel" fanden Hinweise darauf, dass Mitglieder der Spezialeinheit 29.155 des russischen Militärgeheimdiensts GRU die Vorfälle ausgelöst haben könnten - mit sogenannten Energiewaffen. 

Die Journalisten kommen damit zu einem anderen Ergebnis als ein im März 2023 veröffentlichter Bericht der US-Geheimdienste. Der Bericht hatte laut Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines ergeben, dass die Verantwortung eines "gegnerischen Staats" für die Vorfälle "höchst unwahrscheinlich" sei.

Die ersten Fälle des "Havanna-Syndroms" waren nach bisherigen Erkenntnissen im Jahr 2016 bei US-Diplomaten in der kubanischen Hauptstadt aufgetaucht - so kam es zur Benennung. Zahlreiche kanadische und US-Diplomaten sowie deren Angehörige in Havanna litten unter Gesundheitsproblemen wie Benommenheit, Müdigkeit und Kopfschmerzen sowie Hör- und Sehproblemen. Verdächtigungen gegen Russland wurden in diesem Zusammenhang bereits in der Vergangenheit laut.

Laut Bericht erste Fälle in Deutschland

Später wurden auch Fälle von Diplomaten und Geheimdienstmitarbeitern bekannt, die in China, Deutschland, Australien, Russland, Österreich und der US-Hauptstadt Washington im Einsatz waren.

Der Recherche zufolge könnten die ersten Fälle des Syndroms schon 2014 aufgetreten sein - in Frankfurt am Main. Damals sei ein Bediensteter des US-Konsulats in der Stadt bewusstlos geworden, nachdem er etwas verspürt habe, das "einem starken Energiestrahl ähnelte".

Die Reporterinnen und Reporter recherchierten laut "Spiegel"-Angaben "jahrelang" zu den Vorfällen. Sie hätten Opfer und Experten befragt, interne Dokumente ausgewertet und die Spuren verdächtiger russischer Geheimdienstler verfolgt. Die Recherchen hätten nun gezeigt, dass russische Geheimdienstler an akustischen Waffen geforscht hätten. Es sei zudem gelungen, mögliche Täter zu identifizieren: Diese finden sich demnach mutmaßlich in den Reihen russischer Geheimdienste.

Russische Regierung nennt Bericht "haltlos"

In Russland wies Kreml-Sprecher Dmitri Peskow die Berichte einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP zufolge als "haltlos" zurück. Über das Thema sei "in der Presse seit vielen Jahren gesprochen" worden, niemand habe aber "jemals irgendwelche überzeugenden Beweise veröffentlicht".

Bereits im Jahr 2022 hatten US-Experten laut AFP einen Bericht herausgebracht, demzufolge elektromagnetische Energie und Ultraschall, die aus kurzer Entfernung abgegeben werden, die betreffenden Symptome hervorgerufen haben könnten. Im Geheimdienstbericht im Jahr darauf hatte es geheißen, es gebe für den Einsatz solcher Waffen im Zusammenhang mit dem "Havanna-Syndrom" "keine glaubhaften Beweise".

Die Einheit 29.155 des russischen Geheimdiensts GRU, welche die Angriffe mit sogenannten Energiewaffen ausgelöst haben soll, ist für Auslandseinsätze zuständig. Ihr werden mehrere Angriffe außerhalb Russlands zur Last gelegt - unter anderem die versuchte Vergiftung des Ex-Doppelagenten Sergej Skripal im britischen Salisbury im Jahr 2018.

Offenbar meldeten sich 1.500 mutmaßlich Betroffene

Offiziell sprechen US-amerikanische Behörden laut dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" beim "Havanna-Syndrom" von unüblichen Gesundheitsvorfällen. Die Regierung Präsident Joe Bidens entschädige zwar die Opfer unter dem "Havana Act" - führe das Leiden aber eher auf "Vorerkrankungen, konventionelle Krankheiten und Umweltfaktoren" zurück.

Bislang hätten sich rund 1.500 potenzielle Betroffene gemeldet. US-Regierungskreise schätzen laut "Spiegel", dass nur 150 Fälle wirklich auf das "Havanna-Syndrom" zurückzuführen sind.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. März 2024 um 14:58 Uhr.