Eine Frau hält ihre Hände schützend vor sich.
analyse

EU-Gesetz sorgt für Kritik Schutz vor Gewalt - nicht vor Vergewaltigung

Stand: 07.02.2024 10:53 Uhr

Die EU hat sich auf ein gemeinsames Gesetz zum Schutz von Frauen vor sexualisierter Gewalt geeinigt - ein Meilenstein, doch die Freude ist getrübt: Denn das Thema Vergewaltigung blieb außen vor.

Das Gesetz gilt als Meilenstein - es ist das erste in der EU zum Kampf gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen. Aber es kommt mit einer großen Leerstelle. Aus ihrer Enttäuschung machte die zuständige Berichterstatterin aus der konservativen EVP-Fraktion, Frances Fitzgerald, keinen Hehl: "Es ist nicht gelungen, im Rat zu einer qualifizierten Mehrheit zu kommen - und EU-einheitliche Standards für den Straftatbestand Vergewaltigung zu erreichen - das ist außerordentlich enttäuschend."

Denn das heißt nicht nur, eine Verständigung auf den Einwilligungsansatz "Nur Ja heißt Ja" ist damit erst mal gescheitert. Es ist auch nicht gelungen zu verankern, dass Täter EU-weit wegen Vergewaltigung belangt werden, auch wenn sie das Opfer nicht geschlagen oder konkret bedroht haben. In 18 von 27 Mitgliedsländern ist aktuell nur dann von einer Straftat die Rede.

Juristische Bedenken blockierten Zustimmung

Wo sollte ein Schutzgesetz also sonst ansetzen, sagt die SPD-Europapolitikerin Maria Noichl. Ein Gesetzespaket zum Thema Gewalt gegen Frauen müsse den Bereich Vergewaltigung beinhalten. Vergewaltigung sei eine der härtesten Formen von Gewalt gegen Frauen, erkärt Noichl. "Mir ist unerklärlich, dass man meint, man könnte das Paket ohne den Bereich Vergewaltigung auf den Weg schicken."

So aber wird es nun sein - auch wegen des Widerstands aus Deutschland. Hier gilt seit 2016 das Prinzip: "Nein heißt Nein". Gemeinsam etwa mit Frankreich argumentiert man aber, eine solche europaweite Angleichung gehe über die EU-Kompetenzen hinaus, und das Gesetz sei damit vor Europagerichten angreifbar.

Kristina Lunz, Centre for Feminist Foreign Policy, zur Blockade Deutschlands gegen Verschärfung der EU-Richtlinie zum Schutz von Frauen beim Thema Vergewaltigung

tagesschau24, 07.02.2024 11:00 Uhr

Ja, man habe viele Argumente gehört, so EVP-Politikerin Fitzgerald: "Ich denke, der Kern ihres Widerstands war die Überzeugung, dass das Strafrecht den Mitgliedsstaaten überlassen werden sollte. Man muss aber auch sagen, juristisch ist das nicht so klar." 13 Mitgliedsstaaten seien auch Befürworter dieses Gesetzes gewesen.

Aber insgesamt sei ein Prozess in Gang gekommen. Und man habe auf den letzten Metern noch eine Passage in den Gesetzestext hinein verhandeln können, betont Fitzgerald. "Wir haben jetzt Artikel 36 - der sehr wichtig ist. Er legt den Mitgliedsstaaten die Verpflichtung auf, viel mehr Arbeit zu leisten, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, was Einwilligung und Einvernehmlichkeit in Bezug auf Vergewaltigung heißt - dies dann unter dem Aspekt der Prävention.“

Überprüfung soll weitere Verbesserungen bringen

Ein erster Schritt, hofft sie. Und der zweite wurde schon grob terminiert: Nach gut drei Jahren soll es eine Review geben, die offenen Fragen also noch mal gestellt werden. Darauf hofft auch SPD-Europapolitikerin Noichl: "Dann wird das Gesetz noch mal aufgemacht. Ziel muss sein, in ein paar Jahren dann hinein zu verhandeln, was wir dieses Mal nicht geschafft haben - nämlich Minimalstandards abzusichern."

Bis dahin soll das Gesetz erstmals EU-weite Standards setzen, beim Umgang mit digitaler Gewalt gegen Frauen. Darunter fällt etwa Cyberstalking, also das Verfolgen und Belästigen im Netz. Oder auch das Verbreiten von Deepfakes, dem Montieren von Bildern in pornografische Szenen ohne die Einwilligung der betroffenen Person. Auch hierbei dürften sich - gerade mit Blick auf Künstliche Intelligenz - regelmäßige Gesetzes-Updates lohnen. 

Kathrin Schmid, ARD Brüssel, tagesschau, 07.02.2024 09:33 Uhr