Ein Schild des Europäischen Gerichtshofs im Europaviertel auf dem Kirchberg im Luxemburg.

Europäischer Gerichtshof Ungarn verstößt gegen EU-Asylrecht

Stand: 22.09.2022 14:05 Uhr

Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs verstößt Ungarns restriktives Asylrecht gegen EU-Recht. Die zuständige Behörde müsse Anträge selbst prüfen. Auch Deutschland wurde vom EuGH gerügt.

Ungarn verstößt in einer Asylfrage erneut gegen EU-Recht. Das urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH). Konkret ging es um einen syrischen Geflüchteten, dem ohne Begründung der Schutzstatus aberkannt wurde.

Der Syrer wurde 2012 als Flüchtling in Ungarn anerkannt. 2019 wurde ihm der Status aber wieder aberkannt. Die Asylbehörde entschied dies auf Grundlage von zwei Stellungnahmen des Verfassungsschutzes und der Terrorismusabwehr. Als Grund nannten die Sicherheitsbehörden eine "Gefahr für die nationale Sicherheit" wegen vertraulicher Informationen.

Asylbehörde muss Anträge prüfen

Betroffene können laut ungarischem Recht in einem solchen Fall erst nach der Entscheidung und nach Genehmigung Akteneinsicht bekommen. Die Gründe für die Entscheidung werden nicht genannt. Die Asylbehörde ist verpflichtet, einen Antrag auf internationalen Schutz abzulehnen oder den Status abzuerkennen, wenn die ungarischen Sicherheitsbehörden das fordern - ohne Angabe von Gründen.

Ein Gericht in Budapest fragte nun den EuGH, ob die Regelung mit dem EU-Recht vereinbar ist. Dieser verneinte mit der Begründung, dass die Verteidigungsrechte des Betroffenen nicht ausreichend gewahrt seien. Diese gelten demnach auch, wenn Informationen in der Akte aus Sicherheitsgründen nicht offengelegt werden könnten.

Es sei allein die Aufgabe der Asylbehörde, den Asylantrag zu prüfen. Diese müsse ihre Entscheidung begründen und dürfe nicht einfach nur von anderen Behörden erlassene Entscheidungen umsetzen. Das Gericht hatte in früheren Urteilen bereits wesentliche Teil des ungarischen Asylsystems gekippt.

Deutschland darf Frist nicht aussetzen

Auch zum deutschen Asylverfahren urteilte der EuGH: Die Abschiebungsfrist von sechs Monaten gelte und könne nicht ausgesetzt werden. Das Bundesinnenministerium hatte argumentiert, dass die Frist wegen der Corona-Maßnahmen ausgesetzt worden sei.

Die Bundesrepublik ist damit für die Anträge von drei Asylsuchenden zuständig, obwohl diese über ein anderes EU-Land eingereist waren. Denn wegen der Pandemie waren die Asylsuchenden nicht rechtzeitig zurück in das Ersteinreiseland geschickt worden.

Bundesverwaltungsgericht entscheidet endgültig

2019 waren die drei Betroffenen über Italien nach Deutschland gekommen. Nach den Dublin-III-Regeln ist Italien damit für die Asylanträge zuständig. Sie sollten deshalb zurück nach Italien gebracht werden. Das klappte aber nicht, weil Italien Rückführungen wegen der Pandemie ausgesetzt hatte. Währenddessen verstrich die Frist.

Der EuGH bestätigte damit die Auffassung eines deutschen Gerichts. Eine endgültige Entscheidung kann nun das Bundesverwaltungsgericht treffen.

Pro Asyl begrüßt Entscheidung

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte das Urteil. "Das ist ein wichtiges Urteil für den Flüchtlingsschutz in Europa, das den Betroffenen Rechtssicherheit gibt", sagte die Leiterin des Teams Recht & Advocacy, Wiebke Judith.

Die Richter hätten sichergestellt, dass ein Land nicht nach Belieben Fristen zur Überstellung von Geflüchteten in ein anderes EU-Land aussetzen dürfe. "Die betroffenen Menschen müssen jetzt endlich in Deutschland ein inhaltliches Asylverfahren bekommen", sagte Judith.

(Rechtssache C-159/21)