Bei einer Demonstrationen vor dem Royal Courts of Justice in London (Vereinigtes Königreich) wird eine Fahne mit dem Konterfei von Julian Assange geschwenkt.

Anhörung in London Assanges letzte Hoffnung?

Stand: 20.02.2024 04:35 Uhr

Seit Jahren kämpft WikiLeaks-Gründer Assange gegen seine Auslieferung an die USA, der Rechtsweg ist fast ausgeschöpft. Nun geht es vor einem Londoner Gericht darum, ob Assange überhaupt noch in Berufung gehen darf.

Für Julian Assange wird es immer enger. Eine Auslieferung in die USA könnte schon bald erfolgen. Die Rechtsmittel, mit denen er sich gegen eine Auslieferung wehren kann, sind weitgehend ausgeschöpft.

Ab heute findet in London vor dem High Court eine zweitägige Anhörung statt. Die Richter haben zu befinden, ob Assange gegen die 2021 gerichtlich zugelassene und von der damaligen Innenministerin später verfügte Überstellung an die USA in Berufung gehen kann.

Dass die Entscheidung noch in dieser Woche getroffen und verkündet wird, ist eher unwahrscheinlich, aber möglich. Sollten die Richter entscheiden, dass er keine Berufung einlegen darf, könnte er ziemlich schnell abgeschoben werden.

Ehefrau sorgt sich um Gesundheit

Für seine Ehefrau Stella Assange geht es um Leben und Tod. Sie warnte, Assange würde in den USA sterben, sollte er ausgeliefert werden: "Julian sitzt seit fast fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh ein. Seine physische und psychische Gesundheit hat stark abgebaut."

Die Gefängniszelle, in der Julian Assange seit 2019 inhaftiert ist, ist zwei mal drei Meter groß. Hier ist er 21 Stunden am Tag allein eingesperrt.

Julian Assange verlässt im Mai 2019 ein Londoner Gericht

Ein Bild aus dem Jahr 2019, das Julian Assange nach dem Verlassen eines britischen Gerichts zeigt. Rückt nun seine Auslieferung noch einmal näher?

US-Behörden sagen ausreichende Versorgung zu

Seine Auslieferung konnte zunächst gestoppt werden, weil Ärzte gewarnt hatten, dass er in den USA keine ausreichende ärztliche Versorgung erhalten würde. Daraufhin hatten die US-Behörden zugesichert, es werde eine entsprechende Versorgung geben.

Dies sei jedoch keine verlässliche Zusicherung gewesen, sagt Stella Assange: "In den USA wird routinemäßig Isolationshaft umgesetzt. In den USA gibt es auch die extreme Form der Isolationshaft. Die CIA darf seine Haftbedingungen bestimmen - das ist die Behörde, die ihn umbringen wollte."

Die extreme Form der Isolationshaft sieht zum Beispiel die Inhaftierung in einem fensterlosen Raum vor, jeder Kontakt nach draußen kann unterbrochen werden, der Austausch mit den Anwälten wird mitgelesen.

Stella Assange bezieht sich auch auf eine Berichterstattung, die offenbar belegt, dass die CIA plante, Assange zu kidnappen oder zu töten. In dem entsprechenden Medienbericht, der 2021 von mehreren investigativen Journalisten auf dem Portal Yahoo News veröffentlicht wurde, werden zahlreiche Quellen genannt.

Ein Leak und seine Folgen

Julian Assange hatte 2010 Dokumente veröffentlicht, die belegen, dass es in Afghanistan und im Irak zu Kriegsverbrechen durch US-amerikanische Soldaten gekommen war. Diese Dateien waren ihm zugespielt worden.

Rebecca Vincent von der Organisation Reporter ohne Grenzen sieht durch das Vorgehen gegen Assange die Pressefreiheit in Gefahr:

Wir haben Belege für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße gesehen. Dazu hat es keine Strafverfolgung gegeben. Nur die Herausgeber wurden verfolgt. Wenn US-Behörden ihn nach Amerika holen und anklagen, ist das alarmierend. Es wird andere Medienunternehmen treffen können, jeden, der eine Recherche auf der Basis geleakter Informationen veröffentlicht.

EGMR als letzte Hoffnung?

Vincent bezeichnet Assange als politischen Gefangenen. Sollten die Richter ihm eine Berufung verwehren, hätte Assange höchstens noch die Chance, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen.

Die Aussichten auf Erfolg sind in dann aber schwer einzuschätzen. Zum einen, weil Assanges Anwälte in Großbritannien gerichtlich gegen die Auslieferung vorgehen konnten. Zum anderen aber auch, weil unklar ist, wie die britische Justiz auf eine entsprechende Intervention reagieren würde.

Die britische Regierung steht unter Druck, die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zurückzudrängen. Das hat mit der Flüchtlingspolitik im Vereinigten Königreich zu tun. Die Regierung will Pläne umsetzen, wonach Flüchtlinge, die über den Ärmelkanal kommen, nach Ruanda abgeschoben werden können. Das Straßburger Gericht soll diese Entscheidung nicht aufhalten können.

Der Fall bewegt auch viele Menschen in Australien, weil Assange die australische Staatsbürgerschaft hat. Das Parlament stimmte gerade erst mit überwiegender Mehrheit für einen Antrag, in dem Großbritannien und die USA aufgefordert werden, die Angelegenheit zu einem Abschluss zu bringen damit Assange zu seiner Familie nach Australien zurückkehren könne.

 

Christoph Prössl, ARD London, tagesschau, 20.02.2024 06:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. Februar 2024 um 04:52 Uhr.