Mitarbeiter am Hauptquartier der EU-Kommission in Brüssel

Notfallpläne Die EU wappnet sich für harten Brexit

Stand: 17.01.2019 15:26 Uhr

Angesichts eines drohenden ungeregelten Brexits stimmt die EU-Kommission ihre Notfallvorbereitungen mit den Mitgliedstaaten ab. Experten reisen in die EU-Hauptstädte. Auch die Bundesregierung trifft Vorkehrungen.

Zur Vorbereitung auf ein mögliches Brexit-Chaos Ende März schickt die EU-Kommission Berater auf eine Tour in alle EU-Hauptstädte. Das Risiko eines Brexits ohne Vertrag sei diese Woche gewachsen, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas in Brüssel. "Wir verbinden auch unsere eigenen Vorbereitungen mit denen, die die Mitgliedstaaten treffen, diese Arbeit läuft", sagte der Sprecher. "Wir lassen es nicht darauf ankommen."

Bundesregierung will für "alle Szenarien" gewappnet sein

Auch die Bundesregierung trifft Vorkehrungen - für "alle Szenarien", betonte Außenminister Heiko Maas im Bundestag. Zunächst verabschiedeten alle Fraktionen, bis auf die AfD, ein Gesetz, das die Übergangsphase nach dem EU-Austritt Großbritanniens regeln soll. Hauptziel ist es, in der auf 21 Monate festgelegten Übergangszeit Rechtssicherheit zu schaffen, sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen auf britischer und auf EU-Seite. So soll es für Briten auch in dieser Phase möglich sein, die Einbürgerung in Deutschland zu beantragen, umgekehrt können Deutsche ebenso die britische Staatsbürgerschaft beantragen. Die Regelungen des Gesetzes treten allerdings nur in Kraft, wenn es wirklich zum Austritt kommt.

Die Bundesregierung werde aber auch ihre Vorbereitungen auf einen harten Brexit ohne Austrittsabkommen intensivieren, kündigte Maas weiter an und warnte zugleich, dieser Weg würde allen schaden, allen voran Großbritannien.

Maas fordert Lösungsvorschläge von London

Maas forderte Großbritannien deutlich auf, klar zu sagen, welche Lösung das Land anstrebe. "Die Zeit der Spielchen, die ist jetzt vorbei, der Ball liegt im Feld Großbritanniens." Kaum vorstellbar sei allerdings, dass das Austrittsabkommen noch einmal aufgeschnürt werde. Auch ein neues Referendum unter den Briten oder gar einen Abschied von Brexit bezeichnete Maas als "reine Spekulation".

Deshalb kann man eigentlich nur an die britischen Kollegen appellieren: Euren Sinn für schwarzen Humor, den habt ihr in den letzten Tagen eindrücklich unter Beweis gestellt. Jetzt setzen wir mal auf euren legendären Pragmatismus und Realitätssinn.
Bundesaußenminister Heiko Maas

Bundesaußenminister Heiko Maas: "Wir setzen unsere Planungen für den Fall eines ungeregelten Brexit fort, und wir werden sie auch noch weiter intensivieren."

Wirtschaft fürchtet massive Einbußen

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) äußerte sich zu einem möglichen harten Brexit. In einem solchen Fall würde der Verband die sowieso schon niedrige Prognose für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 in Deutschland von 1,5 Prozent noch weiter senken. In dieser Prognose sei ein möglicher harter Brexit noch gar nicht berücksichtigt, sagte der Präsident des BDI, Dieter Kempf. "Bei massiven Störungen im Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU bliebe im besten Fall noch die Eins vor dem Komma", warnte er.

Frankreich stärkt Häfen und Airports

Die französische Regierung setzte in Paris einen Plan in Gang, in dem unter anderem Hilfen in Höhe von 50 Millionen Euro für französische Häfen und Flughäfen vorgesehen sind, die am meisten betroffen sein könnten. Premierminister Edouard Philippe kündigte zusätzlich die Rekrutierung von rund 600 Zöllnern und Veterinären an. Sie sollen nach seinen Worten für die "nötigen Kontrollen" sorgen, sollte bis Ende März kein neues Austrittsabkommen der EU mit London stehen.

Die französische Nationalversammlung und der Senat sollen die Vorgaben bis Freitag beschließen. Die französische Regierung befürchtet schwerwiegende Auswirkungen im Reiseverkehr und auf den Agrar- und Fischereisektor, wenn die bisherigen EU-Abkommen zur Zusammenarbeit ersatzlos wegfallen.

Großbritannien will die EU am 29. März verlassen. Das britische Unterhaus hatte den von Premierministerin Theresa May und der EU ausgehandelten Austrittsvertrag diese Woche abgelehnt. Danach telefonierte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nach Darstellung des Sprechers zunächst nicht mit May. "Aber sie sind in Kontakt", versicherte Schinas. "Sie schreiben sich SMS."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Januar 2019 um 14:00 Uhr.