Aids in China: Xing Run (3. von links) und Yan Lei (2. von links)

Drogen und HIV in China Leben mit Aids in der Provinz

Stand: 22.06.2017 12:36 Uhr

Die Zahlen sind alarmierend. Ein Viertel der neuen Aids-Fälle in China wird aus der verhältnismäßig kleinen Provinz Yunnan gemeldet. Yunnan grenzt an das Goldene Dreieck - eine Region geprägt vom Drogenhandel. Aids ist dort eine große Gefahr.

In einem einfachen Straßen-Restaurant in der Stadt Ruili im äußersten Westen Yunnans sitzen die Menschen abends auf niedrigen Hockern auf dem Bürgersteig. Sie trinken Bier aus kleinen Gläsern und essen gegrilltes Spanferkel mit scharfem Kürbis und Pfefferminzsalat. Der 28-jährige Yan Lei ist hier zuhause. Er ist gut frisiert, trägt schwarze Turnschuhe, eine schwarze Hose und ein schwarzes Sakko. Vor drei Jahren hat Yan herausgefunden, dass er sich mit dem HI-Virus infiziert hat.

"Ja, das war 2014", sagt Yan. "Ich glaube, dass ich absichtlich mit HIV infiziert worden bin. Ich wusste nicht, dass mein Freund diese Krankheit hat. Er hat es absichtlich weiter gegeben." Yan sagt, er sei völlig außer Kontrolle gewesen, es habe sein Herz zerrissen. "Am Anfang habe ich mich nur zuhause eingeschlossen, Tag für Tag.“

Früher Sexarbeiter, heute Sozialarbeiter

Yan Lei hat früher als Sexarbeiter gearbeitet. Heute ist er Sozialarbeiter für die Nichtregierungsorganisation "Entwicklungszentrum Ruili". Die Organisation kümmert sich vor allem um Aufklärung, Prävention und Hilfe im Zusammenhang mit HIV und Aids.

Yan sagt, er habe ich von der Organisation gehört, als er 2014 ins Krankenhaus kam. Er habe in einer ihrer Gruppen mitgemacht und die Hilfe schließlich angenommen. "Das hat mich überzeugt und mir sehr viel Selbstbewusstsein gegeben", sagt Yan. "Nur so kam ich aus dem Elend wieder heraus. Und nur darum bin ich heute hier.“

Yan Lei hat die Krankheit mit den Medikamenten gut unter Kontrolle. Nun hilft er selber Betroffenen. Und das sind viele in der Provinz Yunnan. Die Zahlen sind alarmierend. Rund 25 Prozent der neuen HIV- und Aids-Fälle in China wurden im Jahr 2016 aus Yunnan gemeldet. Und das obwohl die Provinz mit knapp 50 Millionen Einwohnern nur rund vier Prozent von Chinas Bevölkerung ausmacht.

Aids in China: Xing Run (3. von links) und Yan Lei (2. von links)

Yan Lei (2. von links) arbeitet jetzt als Sozialarbeiter. Xing Run (3. von links) und ihr Mann haben ihr Leben wieder im Griff.

Hochburg des Drogenhandels

Yunnan grenzt an das berüchtigte Goldene Dreieck - eine Region, die sich am Fluss Mekong entlang vom Süden der chinesischen Provinz nach Laos, Myanmar und Thailand erstreckt. Die Region gilt als Hochburg des Drogenhandels.

Wir fahren mit Yan Lei und einer Kollegin seiner Hilfsorganisation aufs Land, bis an die Grenze zu Myanmar. Vor einem einfachen Haus aus Bambusholz bindet Xing Run mit einer Maschine Tabakblätter mit einem Faden zusammen.

Die 44-jährige Xing Run kommt ursprünglich aus Myanmar, wohnt aber jetzt mit ihrem Mann und ihrer jüngsten Tochter in dem kleinen Grenzdorf nahe der Stadt Ruili. Sie leben vom Tabakanbau, und es geht ihnen wie vielen Menschen hier in der Gegend: Xing Run und ihr Mann sind beide HIV-positiv.

Billig und leicht zu bekommen

"Es ist nicht lange her, da war unser Leben sehr schmerzhaft", sagt Xing. "Als wir es erfuhren, waren beide Töchter noch in der Schule. Jetzt ist meine ältere Tochter verheiratet. Die jüngere geht noch zur Schule." Sie hätten sehr viel Hilfe bekommen. "Medizinische Hilfe, aber auch Klein-Kredite, die unser Leben verbessert haben“, sagt Xing.

Xing Run und ihr Mann

Xing Run mit ihrem Mann

Xing Runs Familie gehört zur Minderheit der Dai - eine Volksgruppe, die sowohl in China als auch in Myanmar lebt. Durch Konsum von Heroin hat sich ihr Mann mit dem HI-Virus infiziert und auch seine Frau angesteckt. Drogen sind hier auf dem Land billig und leicht zu bekommen.

Dass sie ihr Leben heute wieder im Griff haben - und gerade sogar an ihrem Haus anbauen, um Platz für eine neue Schneiderei zu haben - liegt auch an den Sozialarbeitern Yan Lei und seiner Kollegin Yang Yunlan. Die 40-Jährige arbeitet auch für das "Entwicklungszentrum Ruili".

Präventionsworkshops in den Dörfern

Ein paar Dörfer weiter findet an diesem Tag ein Präventionsworkshop statt. Rund 40 Frauen sitzen in einem Stuhlkreis, fast alle gehören zur Dai-Minderheit und kommen ursprünglich aus Myanmar. Es gibt die Gelegenheit, Blut abnehmen zu lassen und kostenlos einen Aids-Test zu machen. Yang Yunlan und ihre Kollegen halten große Lerntafeln in die Luft und erzählen über Drogen und HIV und Aids.

Yang Yunlan sagt: "In dieser Gruppe ist jede fünfte Frau drogenabhängig. Je nach Situation bieten wir Hilfe an." Laut Yang schaffen sie es bei machen mit psychologischer Beratung. "Wenn das nicht funktioniert, müssen wir einen anderen Weg finden. Wir empfehlen ihnen dann, Methadon zu nehmen. Wir haben hier auch Methadon-Programme“, so Yang.

Aids in China: Aufklärungsworkshop

Aufklärungsworkshop in einem Dorf nahe Ruili.

Größte Produktionsstätte für Opium und Heroin

Das Goldene Dreieck gilt als größte Produktionsstätte für Opium und Heroin. Auch synthetische Drogen wie Crystal Meth werden hier hergestellt. Die NGO-Mitarbeiterin Yang Yunlan zeigt auf ein Feld, das nur wenige hundert Meter entfernt liegt. "Dort drüben beginnt schon Myanmar. Für die Menschen auf beiden Seiten der Grenze ist es einfach, sich hin und her zu bewegen. Es werden viele Drogen über die Grenze gebracht, die Zahl der HIV-Infizierten ist deshalb höher als in anderen Regionen." Das betreffe nicht nur die Dörfer, sondern auch die Stadt Ruili. In den vergangenen Jahren sei es durch die HIV-Präventionsarbeit jedoch etwas besser geworden.

Trotzdem bekommen viele Betroffene gar keine Hilfe. Die Provinz Yunnan hat bei knapp 50 Millionen Einwohnern nur wenige hundert staatliche Sozialarbeiter, die auf HIV und Aids spezialisiert sind. Nach offiziellen Schätzungen gibt es in Yunnan rund 80.000 HIV-Infizierte. Für die Menschen in den einfachen Dörfern entlang der Grenze von China zu Myanmar bleiben Drogen und der HI-Virus die größte Gefahr.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Juni 2017 um 13:30 Uhr.