Experimente im Teilchenbeschleuniger LHC gestartet Mit Lichtgeschwindigkeit zurück zum Urknall

Stand: 30.03.2010 09:32 Uhr

Nach langer Reparaturpause haben die Forscher am Teilchenbeschleuniger LHC mit ersten Tests begonnen, zunächst ohne Erfolg. Mit nahezu Lichtgeschwindigkeit sollen Protonenstrahlen frontal aufeinander prallen. Das Vorhaben birgt enorme Schwierigkeiten und laut Kritikern auch Gefahren.

Von Pascal Lechler, ARD-Hörfunkstudio Genf

Viele Jahre haben die Wissenschaftler im europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf auf diesen Tag hingearbeitet. Nach einigen Rückschlägen, soll die "Urknallmaschine" heute endlich richtig loslegen. CERN-Direktor Rolf Dieter Heuer zeigte sich im Vorfeld gut gelaunt: "Es ist wirklich spannend und interessant und ich fühle eine richtige Vorfreude."

Im September 2008 war der ringförmige Teilchenbeschleuniger unter großem öffentlichen Interesse eingeweiht worden. Er ist 27 Kilometer lang und verläuft unterirdisch im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Frankreich. Schon nach wenigen Tagen musste der LHC aber wieder abgeschaltet werden. Kabel waren durchgebrannt. Zur Reparatur musste der auf minus 271 Grad abgekühlte Ring zunächst wieder aufgewärmt werden. Die Reparatur dauerte am Ende viel länger als geplant. Erst im November vergangenen Jahres konnte der LHC wieder richtig hochgefahren werden und hat nun seine Betriebsgeschwindigkeit erreicht.

Simulation der Situation kurz nach dem Urknall

Zwei Protonenstrahlen können mit beinahe Lichtgeschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung durch den Ring gejagt werden und sollen dann zusammenstoßen. "Bei diesen Kollisionen simuliert man einen winzig-kleinen Ausschnitt aus dem Universum", erklärt CERN-Physiker Rolf Landua. "Wir simulieren, wie es ganz kurz nach dem Urknall aussah – etwa eine Billionstel-Sekunde danach. Und wir versuchen neue Phänomene zu finden, die uns erklären können, warum unser Universum so aussieht wie es jetzt aussieht."

Ein Experiment mit enormen Schwierigkeiten

Mit dem vier Milliarden Euro teuren Teilchenbeschleuniger will man herausfinden, was beim Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren passierte. Doch eine Kollision von Protonen zu erzeugen, birgt enorme Schwierigkeiten. Unklar ist auch, ob es auf Anhieb gelingt. Denn es ist ein bisschen so, als ob man zwei Nadeln über den Atlantik schickt, die sich auf halber Strecke treffen sollen.

Wesentlicher Bestandteil des Experiments ist die Suche nach dem sogenannten Higgs-Teilchen, in Fachkreisen auch schlicht "Gottesteilchen" genannt. Dieses Teilchen sorgt dafür, dass die kleinsten Bausteine, die Elementarteilchen, überhaupt Masse haben. Das Higgs-Teilchen ist das letzte fehlende Mosaiksteinchen im sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik, also dem Modell, das verkürzt gesagt den Ursprung der Welt erklärt.

Richtige Technik bei der Suche nach der Stecknadel

Die Suche nach Higgs-Teilchen wird sich wohl so gestalten, wie die Suche nach der Stecknadel in mehreren Heuhaufen, sagt CERN-Direktor Rolf Dieter Heuer. "Aber die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen machen Sie ja auch nicht, ohne sich vorher überlegt zu haben, wie sie danach suchen wollen. Wenn man die richtigen Suchalgorithmen entwickelt, dann kann man auch in einem großen Heuhaufen etwas finden."

"Schwarze Löcher in Mikrogröße sind nicht gefährlich"

Kritiker befürchten, dass durch das Mega-Experiment in Genf sogenannte kleine schwarze Löcher entstehen könnten. Diese kleinen schwarzen Löcher könnten sich dann zu einem gefräßigen Riesenloch vereinen und die Erde verschlucken.

CERN-Direktor Heuer entgegnet diesen Kritikern, dass das Universum schon seit Milliarden von Jahren das mache, was nun am CERN geschehen soll: "Wir sitzen uns gegenüber und reden miteinander. Das heißt, selbst wenn bei solchen Kollisionen solche Mikro-Schwarzen-Löcher entstehen würden, die dann aber auch sofort wieder zerfallen würden, sind die nicht gefährlich. Sonst würden wir hier nicht sitzen." Das Experiment ist nach Aussage von Direktor Heuer sicher. Absolut sicher ist, dass nun weltweit mehrere 10.000 Physiker gespannt nach Genf blicken werden.