Mahmoud Abbas und Xi Jinping

Angriff der Hamas Warum aus Peking kein Klartext kommt

Stand: 16.10.2023 16:20 Uhr

Seit dem Hamas-Großangriff vermeidet es China, die Terrorangriffe in Israel klar zu benennen - und zu verurteilen. Das sorgt in Israel für Unmut. Welche Strategie verfolgt China?

Bei der Pressekonferenz des chinesischen Außenministeriums wiederholt Sprecher Wang Wenbin erneut die Position Pekings. China bedauere die hohe Zahl an zivilen Opfern im Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern. Die Staats- und Parteiführung sei besorgt über eine mögliche Eskalation und rufe die internationale Gemeinschaft auf, gemeinsam eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Auch China werde seinen Teil beitragen.

Bis heute hat China die radikal-islamische Organisation Hamas nicht für ihren Terrorangriff in Israel mit 1.400 Toten verurteilt - spricht noch nicht einmal von Terrorismus. Auf israelischer Seite sorgt dies für großen Unmut. Mehrfach haben sich Vertreter der israelischen Regierung enttäuscht geäußert, sie fühlten sich im Stich gelassen von der Staats- und Parteiführung. Und sie forderten China auf, sich klar gegen den Terror zu positionieren.

Allgemeinplätze statt Verurteilung der Hamas

Stattdessen Allgemeinplätze: Alle Seiten müssten sich zurückhalten, Forderungen nach einer Zwei-Staaten-Lösung. Aber warum tut China sich so schwer, den Terrorismus klar zu verurteilen? Auf diese Frage antwortet der Nahostexperte Li Guofu vom staatlichen Thinktank China Institute of International Studies mit einer Gegenfrage:

Wo hat denn dieser Hamas-Angriff genau stattgefunden? Es ist doch so: Wenn ich bei jemand anderem ins Haus eindringe und dann die andere Person gegen mich vorgeht - dann muss ich mich doch erst einmal fragen: Was habe ich eigentlich in diesem Haus verloren?
Li Guofu, China Institute of International Studies

China zweitgrößter Handelspartner von Israel

Das kann so verstanden werden, dass Israel quasi selbst an dem Terrorangriff Schuld sei - die Probleme hausgemacht. Ein bekanntes Argument, das so immer wieder auch in chinesischen sozialen Medien zu lesen ist.

Dabei pflegt China eigentlich gute Beziehungen mit Israel: Mit einem Handelsvolumen von umgerechnet rund 20 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist China der zweitgrößte Handelspartner Israels nach den USA. Kooperationen gibt es im Technologie- und Innovationssektor. Akademischer Austausch und Tourismus zwischen den beiden Ländern hat nach dem Ende von Chinas Null-Covid-Politik gerade wieder an Fahrt aufgenommen.

Historisch enge Verbindungen zu Palästinensern

Dennoch hat die Volksrepublik historisch gesehen bessere Beziehungen zu den Palästinensern. Unter dem Langzeitdiktator Mao Zedong wurden bereits in der 1960er-Jahren enge Verbindungen zwischen China und den Palästinensern etabliert, die bis heute ihre Auswirkungen haben, auch wenn sich die Unterstützung für die Palästinenser seitdem gewandelt hat. Seit 1992 gibt es auch diplomatische Beziehungen zu Israel.

Moritz Rudolf vom Paul Tsai China Center an der Yale Law School in den USA meint, China habe in den vergangenen Jahren die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen sowohl zu Israel als auch zu Palästina ausgebaut. Im ARD-Podcast Welt.Macht.China sagt Rudolf, "China ist einer der wenigen Staaten, der weder in dem einen noch in dem anderen Camp ist und es schafft, mit beiden gut zu arbeiten. Aber es gibt eine klare Position von China in dem Konflikt: Sie sagen seit den späten 1980er-Jahren, dass sie für eine Zwei-Staaten-Lösung sind."

Wird China zum Vermittler?

China bringt sich immer wieder als Vermittler in dem Konflikt ins Spiel. In dieser Woche soll Chinas Sondergesandter für Nahost, Zhai Jun, in die Region reisen und mit allen Seiten Gespräche führen - mit dem Ziel eines Waffenstillstands. Doch kommt China tatsächlich als Vermittler zwischen Israelis und Palästinensern in Frage?

Carice Witte leitet einen Thinktank in Israel, der sich mit den chinesisch-israelischen Beziehungen auseinandersetzt. Sie sagt, die kommunistische Staats- und Parteiführung habe in Israel viel Vertrauen verspielt, indem sie den Terror der Hamas nicht klar verurteilt, trotz des eigentlich sehr guten Verhältnisses der beiden Länder. Dieses Vertrauen müsse erst wiederhergestellt werden. Anstatt sich klar gegen den Terror zu positionieren, nutze China die Situation, um den USA die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Es wird so dargestellt, als sei Amerika schuld. Und Israels Rolle hier ist die eines Stellvertreters der USA. Und damit passt es in das strategische Gesamtbild Chinas, wonach die USA an allem schuld sind: Die USA sind der große Unruhestifter.
Carice Witte

Die Beziehungen zwischen China und den USA sind auf einem Tiefpunkt, auch wenn es zuletzt Anzeichen für eine Annäherung gab. Und Chinas Position im Krieg im Nahen Osten hat das Potenzial für einen neuen Konflikt zwischen den beiden Supermächten.

Benjamin Eyssel, ARD Peking, tagesschau, 16.10.2023 06:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Oktober 2023 um 05:53 Uhr.