Joe Biden am Rednerpult und Antony Blinken bei einem Statement im Weißen Haus.
analyse

Angriff der Hamas auf Israel Neue Prioritäten und eine veränderte Rolle der USA

Stand: 09.10.2023 07:44 Uhr

Israels UN-Vertreter spricht von einem "11. September"-Moment, um den Hamas-Angriff zu beschreiben. Der neue Krieg in Nahost verändert auch die US-Prioritäten - und zwingt das Land zur Neuorientierung.

Der Großangriff der Hamas auf Israel hat auch die Politik der USA über Nacht verändert. Veränderung Nummer eins: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wird von US-Präsident Joe Biden nicht mehr kritisiert, sondern uneingeschränkt unterstützt. "Die USA stehen auf der Seite Israels angesichts dieser terroristischen Angriffe", sagte Biden und fügte hinzu: "Israel hat das Recht, sich und seine Bevölkerung zu verteidigen - Punkt."

Zur Unterstützung Israels verlegen die USA ihren größten Flugzeugträger sowie weitere Kriegsschiffe und Kampfjets in die Region. Dabei geht es den USA auch um Abschreckung - nicht nur der Hamas, sondern auch weiterer vom Iran unterstützter Gruppen wie der Hisbollah im Libanon.

Andere Konflikte rücken in den Hintergrund

Veränderung Nummer zwei: Die USA sind vom Kriegsausbruch direkt betroffen. Offenbar sind auch Amerikaner unter den Todesopfern und unter den Geiseln der Hamas. Was Außenminister Antony Blinken im NBC-Interview noch vermutete, hat sich inzwischen bestätigt.

Veränderung Nummer drei: Die Prioritäten verschieben sich. In der Nahostpolitik der USA war bis zuletzt das Hauptziel, einen Ausgleich zwischen Israel und Saudi-Arabien zu schaffen. Das rückt nun in weite Ferne. "Es ist sehr gut möglich, dass ein Motiv für die Angriffe war, diese Normalisierungsbemühungen scheitern zu lassen", sagte Blinken.

Auch der Krieg in der Ukraine und der Machtkampf mit China rücken für die USA zunächst etwas in den Hintergrund. Der Nahostkonflikt könnte sich als drittes Großthema wieder etablieren.

Innenpolitische Konflikte bedrohen Handlungsfähigkeit der Regierung

Die Veränderung Nummer vier führt in die US-Innenpolitik. Dass das Repräsentantenhaus derzeit handlungsunfähig ist, weil der Speaker, der Republikaner McCarthy, von Radikalen aus der eigenen Partei gestürzt wurde, erscheint noch abwegiger als zuvor. Der Kongress muss zusätzlichen Geldern für Israel zustimmen. Der Druck auf die Republikaner wächst, schleunigst einen neuen Speaker zu wählen. Dabei bringt der Abgeordnete Mike Lawler eine überraschende Variante ins Spiel.

"Es ist offen gesagt zwingend, dass dieser Unsinn aufhört, dass Kevin McCarthy als Speaker wieder eingesetzt wird", sagte Lawler bei CNN. Zurück zu McCarthy? Die Stimmung in der Fraktion gehe in diese Richtung, behauptete Lawler, der zu den moderaten Republikanern gehört.

So könnte ein länger anhaltender Nahost-Krieg auch den beginnenden Präsidentschaftswahlkampf umkrempeln. Donald Trump, in den US-Medien zuletzt riesengroß, erschien an diesem Wochenende plötzlich ziemlich klein. Doch auch das kann sich schnell wieder ändern.

Ralf Borchard, ARD Washington, tagesschau, 09.10.2023 06:53 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 09. Oktober 2023 um 06:38 Uhr.