Zerstörung beim Al-Ahli-Krankenhauses im Gazastreifen
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Krankenhaus im Gazastreifen Was über den Raketeneinschlag bekannt ist

Stand: 18.10.2023 14:42 Uhr

Nach dem Raketeneinschlag in ein Krankenhaus in Gaza machen sich die Hamas und Israel gegenseitig dafür verantwortlich. Mehrere Regierungen verurteilten den Angriff, die UN forderten lückenlose Aufklärung. Ein Überblick.

Eine Explosion in einem Krankenhaus im Gazastreifen hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Hunderte Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein. Was bisher bekannt ist:

Was ist passiert?

In einem Krankenhaus im Gazastreifen sollen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums bei einem israelischen Luftangriff Hunderte Menschen getötet worden sein. In der Klinik seien Tausende Flüchtlinge aus dem Norden der Region untergebracht, teilte das Ministerium, das der militant-islamistischen Hamas untersteht, am Dienstagabend mit. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Mehrere Krankenhäuser in Gaza-Stadt sind zu Zufluchtsorten für Hunderte von Menschen geworden, die darauf hoffen, von Bombardierungen verschont zu bleiben, nachdem Israel alle Bewohner der Stadt und der umliegenden Gebiete aufgefordert hat, in den südlichen Gazastreifen zu fliehen.

Hunderte Tote bei Raketenangriff auf Krankenhaus in Gaza

Hanna Resch, ARD Tel Aviv, tagesschau, 18.10.2023 17:00 Uhr

Was sagt die israelische Seite?

Israels Militär hat die Verantwortung für den Raketeneinschlag klar zurückgewiesen. Nach israelischen Informationen hat eine fehlgeleitete Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad die tödliche Explosion verursacht.

Auf einem Parkplatz neben der Klinik seien Zerstörungen vor allem durch eine sehr große Menge an Raketenantriebsmittel (Propellant) zu erklären, sagte Armeesprecher Daniel Hagari in Tel Aviv. "Der Treibstoff hat eine größere Explosion ausgelöst als der Sprengkopf selbst." Darum seien Fahrzeuge in Brand geraten. Auf dem Parkplatz hätten sich zum Zeitpunkt der Explosion viele Menschen aufgehalten.

Es gebe keine typischen Zerstörungen an den umliegenden Gebäuden oder einen Krater wie bei einem israelischen Luftangriff, erklärte Hagari. "Der Parkplatz wurde nicht von Munition der Luftwaffe getroffen." Das Raketenabwehrsystem Iron Dome werde auch nicht über dem Gazastreifen, sondern nur über Israel eingesetzt. Es gebe häufiger Vorfälle fehlgeleiteter Raketen militanter Palästinenser, die im Gazastreifen selbst einschlugen, sagte er.

Armeesprecher Jonathan Conricus sagte dem US-Sender CNN zudm, dem Militär lägen Beweise über ein von Israel abgehörtes Gespräch zwischen Hamas-Terroristen vor. Sie hätten gesagt: "Oh, da gab es offenbar eine Fehlfunktion oder eine Explosion einer Rakete, die im Gazastreifen gelandet ist." Zudem sei kurz vor dem Vorfall eine Salve von Raketen aus dem mittleren oder nördlichen Abschnitt des Gazastreifens in Richtung Israel abgefeuert worden. Diese sei auf Israels Radarsystem verzeichnet worden.

Was sagt die palästinensische Seite?

Der Islamische Dschihad bezeichnete die Anschuldigung Israels als "Lüge", mit der das Land "seine Angriffe auf Krankenhäuser rechtfertigen" und "sich der Verantwortung für sein Verbrechen entziehen" wolle. Auch die Hamas machte Israel verantwortlich. Das Medienbüro der Terrormiliz sprach von einem "Kriegsverbrechen".

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Palästinensische Flaggen sollten auf halbmast gesetzt werden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Nach Angaben seines Beraters brach Abbas einen Besuch in Jordanien frühzeitig ab, um ein Krisentreffen in Ramallah einzuberufen.

Welche Folgen hat der Angriff?

Nach dem Raketeneinschlag hat Jordanien ein Treffen zwischen König Abdullah II. und US-Präsident Joe Biden abgesagt. Das Treffen, an dem auch Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi teilnehmen sollte, werde erst stattfinden, wenn es eine Einigung gebe, den Krieg zu beenden und "diese Massaker" zu stoppen, sagte Außenminister Aiman al-Safadi dem jordanischen TV-Sender Al-Mamlaka.

Ein US-Regierungsvertreter bestätigte kurz darauf, dass Biden nach Rücksprache mit König Abdullah II. und angesichts der von Palästinenserpräsident Abbas angekündigten Trauertage seine Reise nach Jordanien und das dortige Treffen verschiebe. Er sprach den Angehörigen der Opfer des Raketeneinschlags sein Beileid aus. Biden wolle mit den Gesprächspartnern, die er treffen wollte, in regelmäßigem und direktem Kontakt bleiben.

Bei einem Besuch in Israel äußerte sich Biden vorsichtig zur Schuldfrage für die Explosion. "Nach dem, was ich gesehen habe, sieht es so aus, als wäre es von der anderen Mannschaft gemacht worden, nicht von Ihnen", sagte Biden an Israels Premierminister Benjamin Netanyahu gewandt. Es gebe jedoch viele Menschen, die sich nicht sicher seien, was die Explosion verursacht habe.

Wie reagiert die arabische Welt?

Saudi-Arabien verurteilte das "abscheuliche Verbrechen" aufs Schärfste - und machte Israel dafür verantwortlich, wie aus einer Erklärung des saudischen Außenministeriums hervorging. Riad verurteile die "anhaltenden Angriffe der israelischen Besatzung" auf Zivilisten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gaben Israel die Schuld. Marokko verurteilte die "Bombardierung" der Klinik "durch israelische Streitkräfte" ebenso "aufs Schärfste". Zivilisten müssten "von allen Parteien geschützt" werden. Auch Bahrain schloss sich der Kritik am "israelischen Bombenanschlag" an.

Im Libanon strömten in den südlichen Vororten von Beirut Augenzeugen zufolge Hunderte Hisbollah-Anhänger auf die Straßen und forderten, Tel Aviv zu bombardieren. Die Hisbollah verkündete einen "Tag des beispiellosen Zorns" gegen Israel.

Auch in weiteren Ländern gab es Proteste. Im Iran rief etwa eine Menge im Stadtzentrum Teherans "Nieder mit Israel", wie Videos der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zeigten. Irans Außenamtssprecher verurteilte den Angriff aufs Schärfste und machte den Erzfeind Israel verantwortlich.

Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?

UN-Generalsekretär António Guterres hat sich bestürzt über den verheerenden Raketeneinschlag gezeigt. "Ich bin entsetzt über die Tötung Hunderter palästinensischer Zivilisten heute bei einem Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza, den ich aufs Schärfste verurteile", schrieb Guterres bei X, vormals Twitter. "Mein Herz ist bei den Familien der Opfer. Krankenhäuser und medizinisches Personal unterliegen dem Schutz des humanitären Völkerrechts."

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat eine lückenlose Aufklärung gefordert. "Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden", teilte er mit. Er rief die Staaten mit Einfluss in der Region auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die furchtbaren Ereignisse dort zu einem Ende zu bringen.

Wie äußert sich Deutschland?

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte den Angriff scharf. "Wir sind zutiefst schockiert angesichts der Berichte über hunderte Tote im Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza", erklärte das Außenministerium auf seinem englischsprachigen Account auf X. "Zivile Ziele, insbesondere ein voll funktionstüchtiges Krankenhaus mit Patienten und medizinischem Personal, dürfen unter keinen Umständen angegriffen werden." Zivilisten müssten in Konflikten geschützt werden, hieß es weiter.

Bundeskanzler Olaf Scholz verlangte bei einem Besuch in Ägypten, die Explosion sehr genau aufzuklären. "Auch dieser Vorfall verdeutlicht: Die Hamas hat mit ihrem schrecklichen Terrorangriff vom 7. Oktober schlimmes Leid über die Bürgerinnen und Bürger in Israel gebracht und in der Folge auch viel Leid über die Menschen in Gaza", sagte er.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Oktober 2023 um 09:00 Uhr.