Genamanipulierter "Golden Rice".

Philippinen Der Streit über den "Golden Rice"

Stand: 23.06.2023 15:01 Uhr

Genmanipulierter Reis soll einen Vitamin-A-Mangel beheben, von dem auf den Philippinen jedes siebte Kind betroffen ist. Doch Wirksamkeit und Umwelteinfluss des "Golden Rice" sind umstritten.

Sattes Grün, volle Felder, gesunde Filipinos - die erste Ernte von "Golden Rice". Das Werbevideo aus dem vergangenen Jahr verspricht Hoffnung. Der genmanipulierte Reis soll Betacarotin liefern, das im Körper zu Vitamin A umgewandelt wird und für die Sehkraft und das Immunsystem wichtig ist.

Doch weil er genmanipuliert ist, wehren sich Bauern dagegen. Dazu gehört auch Lauro Diego. Er ist seit Jahrzehnten Öko-Reisbauer- und -züchter und betreibt Felder in Nueva Ecija, einer Provinz rund drei Autostunden nördlich von Manila, der Reiskammer des Landes.

"Wenn ich den 'Goldenen Reis' auf meinen Feldern anpflanzen würde, könnte sich das auf meine organischen Pflanzen auswirken, schließlich züchte ich ja auch Reis." Zudem hätten einige Studien gezeigt, dass der Reis gar nicht so viel Betacarotin enthält.

Zu geringe Konzentration?

Betacarotin ist ein Wirkstoff, der fehlt, wenn sich Menschen einseitig ernähren, wie es bei vielen Filipinos aus wirtschaftlich schwachen Familien der Fall ist. Außerdem müsse man davon dann ziemlich viel zu sich nehmen, sagt Lauro Diego.

"Um die notwendige Menge an Vitamin A zu bekommen, musst du zehn bis 15 Tassen 'Golden Rice' essen." Das würden Studien von GMWatch belegen. Das ist eine Organisation, die gentechnisch veränderten Lebensmitteln kritisch gegenübersteht.

Einfluss auf Umwelt unklar

Alfie Pulumbarit vertritt den Zusammenschluss von Bauern, MASIPAG. Die Gruppe hat gegen den kommerziellen Vertrieb des 'Golden Rice' geklagt, weil aus ihrer Sicht zum Beispiel noch zu wenig erforscht ist, wie sich der Anbau auf die Umwelt auswirkt.

Zudem stellt sie den Nutzen infrage: "Wird der 'Golden Rice' gelagert und gekocht, sinkt der Anteil von Betacarotin, sodass er am Ende wirklich vernachlässigbar ist." Damit der Reis verdaulich ist, müsse er zudem mit Öl oder Butter gegessen werden. Und für die Produktion wird deutlich mehr Fläche als für normalen Reis benötigt.

"Es stehen rein wirtschaftliche Interessen dahinter, denn nur die Industrie besitzt die Reiskörner", ist für Landwirt Diego deshalb klar. Derzeit gebe die Industrie sie zwar noch kostenlos weiter, aber das könnte sich ändern. "Und wir brauchen den Reis nicht für die Vitamin-A-Zufuhr, wir könnten auch einfach Karotten oder anderes Gemüse essen."

Reis im Süden ausgegeben

Die Regierung hat den Reis bisher nur im Süden der Philippinen an Kinder, Schwangere und Stillende aus armen Familien verteilt.

Für die Regierung ist "Goldener Reis" eine einfache Lösung, meint auch Pulumbarit von der Bauernvereinigung MASIPAG: "Es fehlt der politische Wille, wirklich etwas an der landwirtschaftlichen Situation zu verändern." Der "Goldene Reis" sei ein einfacher Weg gegen Hunger und Mangelernährung - einfacher als das tieferliegende Problem anzugehen, warum Landwirte es auf den Philippinen schwer haben, Nahrungsmittel zu produzieren.

Ein Bauer pflanzt Reissämlinge auf einem Feld auf den Philippinen.

Ein Bauer pflanzt Reissämlinge auf einem Feld auf den Philippinen.

Chance für Kinder?

Das Projekt vorangetrieben hat das Internationale Reisforschungsinstitut IRRI. Von dort will sich wegen des laufenden Gerichtsverfahrens niemand äußern. Glenn Gregorio hat lange für das IRRI gearbeitet, heute ist er Direktor des Südostasiatischen Zentrums für Hochschulstudien und Forschung in der Landwirtschaft (SEARCA).

Er sieht in dem "Goldenen Reis" erstmal eine Chance vor allem für Kinder. "Wenn Sie dieses Vitamin A bekommen, dann verbessert sich ihre Situation. Sie können besser sehen und damit besser lesen." Das sei der einzige Weg, der Armut zu entkommen. "Deshalb halten wir Vitamin A für sehr wichtig."

Da Filipinos morgens, mittags, abends und manchmal sogar zwischendurch Reis essen, sei die angereicherte, genmanipulierte Variante ein sehr einfaches Vehikel, auch wenn sie noch nicht perfekt sei, findet der Wissenschaftler.

Reis soll weiterentwickelt werden

"Was ich damit sagen will, ist, dass dies nur das erste Modell ist. So wie beim iPhone, da gab es auch anfangs Probleme und jetzt sind wir schon bei Version 15 angelangt." Das Schlimmste, was passieren könnte, sei, dass sich nichts verbessert. Das Argument, Filipinos könnten doch auch mehr Gemüse essen, weist er zurück. Dafür fehle vielen Menschen das Geld.

Glenn Gregorio wünscht sich einerseits von seinen Landsleuten mehr Offenheit für den "Goldenen Reis". Andererseits sieht er auch die Gefahren. "Wenn der 'Goldene Reis' erstmal da ist, dann ist das ein Einfallstor für andere genmanipulierte Produkte, auf die Philippinen zu kommen."

Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom April ist nun der Hersteller am Zug. Der soll unter anderem die Umweltverträglichkeit nachweisen. Unklar ist nach wie vor auch, wer für eventuell entstehende Schäden haftet. 

 

Kathrin Erdmann, ARD Tokio, tagesschau, 23.06.2023 03:31 Uhr