Einblick in einen Tunnel im Gaza-Streifen

Unterirdisches Versorgungssystem Tunnelkampf unter Gaza

Stand: 04.11.2023 05:09 Uhr

Die Hamas hat unter dem Gazastreifen ein einzigartiges Tunnelsystem angelegt. Von dort greift sie immer wieder die israelischen Truppen an und feuert Raketen ab. Für die Armee ist das eine besondere Herausforderung.

Von Björn Dake, ARD Berlin, zzt. Tel Aviv

Ein Propaganda-Video der Hamas zeigt, wie zwei Männer über eine Leiter aus einem Tunnelschacht klettern. Sie robben über die staubige Erde, feuern eine Panzerfaust auf einen israelischen Panzer.  

Wann und wo das Video im Gazastreifen entstanden ist, ist unklar. Aber es zeigt, wie gefährlich das Vorrücken für die israelische Armee ist. Plötzlich tauchen Kämpfer im Rücken der Soldaten auf - das Tunnelsystem der Hamas macht es möglich.  

Im letzten großen Krieg in der Region im Jahr 2014 war die israelische Armee vom Ausmaß der Hamas-Tunnel noch überrascht. Das ist nach Einschätzung des Militärexperten Harel Chorev jetzt anders. "Ich glaube, wir sind viel besser vorbereitet als 2014 was die technischen Möglichkeiten angeht, die Tunnel zu lokalisieren und anzugreifen. Und wir haben Spezialeinheiten, die wissen, wie sie dort kämpfen müssen."

Hunderte Kilometer langes System

Die Schächte sollen Hunderte Kilometer lang sein. Sie verlaufen nach Einschätzung der israelischen Armee auch unter Wohnvierteln, Krankenhäusern und Schulen. Sie sind tief genug, um Luftangriffe zu überstehen. Die Eingänge dürften gesichert sein durch Sprengfallen und Minen. 

Die Armee hat Häuser und Tunnel nachgebaut, um den Kampf dort zu trainieren. Und sie hat technisch aufgerüstet, wie der Forscher der Universität Tel Aviv im ARD-Interview sagt. "Ich weiß sicher, dass die israelische Armee Technik und Taktik speziell für den Kampf in Tunneln entwickelt hat." Spezielle Technik - dazu gehören nach Einschätzung von Fachleuten verschiedene Roboter und extra entwickelte Sprengsätze, die die Tunnel zerstören sollen.

"Tunneleingänge finden und verschließen"

Wie der frühere Vize-Armeechef Yair Golan im Armee-Radio erklärt, gehen die Soldatinnen und Soldaten auf keinen Fall in die unterirdischen Schächte. "Es wäre ein fataler Fehler, in die Tunnel zu gehen. Es ist klüger, die Tunneleingänge zu finden, sie zu verschließen und Rauch einzuleiten oder etwas anderes. So dass der Feind herauskommt oder verletzt wird."

Die Tunnel sind quasi das Herz der Hamas. Im sandigen Boden des Gazastreifens sind Kommandozentralen, Waffenlager, Vorratsräume und von dort werden viele der Raketen auf Israel abgefeuert. Wenn die israelische Armee die Hamas zerstören will, dann muss sie auch die Tunnel zerstören.

Für Tunnelkampf ausgebildete Spezialeinheit

Für Yoav Gallant scheint das zentral zu sein. Nicht ohne Grund hat der israelische Verteidigungsminister eine Spezialeinheit besucht, die extra für den Tunnelkampf ausgebildet ist - ihr Name: "Diamant". "Wir haben einzigartige Lösungen, um an all die Tunnel zu gelangen und sie unter der Erde zu zerstören. Dann bleiben den Terroristen zwei Möglichkeiten: Entweder im Tunnel sterben oder rauskommen - nach oben, durch das Feuer unserer Kräfte sterben, oder bedingungslos kapitulieren", sagt Gallant.

Was in den markigen Worten des Verteidigungsministers nicht vorkommt - nicht nur die Hamas versteckt sich in den Tunneln unter dem Gazastreifen. Auch viele der verschleppten Geiseln werden dort vermutet - was den Tunnelkampf der israelischen Armee noch schwieriger macht.

Björn Dake, ARD Tel Aviv, tagesschau, 03.11.2023 17:12 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 04. November 2023 um 06:17 Uhr.