Isaac Herzog und Joe Biden im Oval Office des Weißen Hauses (v.l.)
analyse

Herzog bei Biden Die Frustration des US-Präsidenten

Stand: 19.07.2023 03:26 Uhr

Der israelische Präsident Herzog hat in den USA einen Amtskollegen getroffen, der seinem Unmut über die Politik in Tel Aviv ungewohnt deutlich Luft macht. Dabei ist Herzog auf Brückenbaumission.

"Die israelische Demokratie ist solide, stark und widerstandsfähig", betonte Isaac Herzog zum Auftakt seiner Gespräche in Washington. Israel durchlebe eine schmerzvolle Zeit mit hitzigen Debatten, doch er werde sich weiter für einen Kompromiss einsetzen, um einvernehmlich "aus dieser Krise herauszukommen".

Präsident Herzog als Brückenbauer

Dass erneut Präsident Herzog in Washington empfangen wird, nicht aber Regierungschef Benjamin Netanyahu, sagt viel über den aktuellen Stand der Beziehungen, meint David Makovsky, Direktor des Instituts für Nahost-Politik in Washington.

Herzog steht im Zentrum des Streits um die Justizreform in Israel. Er ist es, der versucht, einen Kompromiss auszuloten zwischen der rechts-religiösen Koalitionsregierung und der Opposition. Herzog gilt als Brückenbauer. In einer Zeit der Spannungen zwischen Präsident Biden und Premier Netanyahu verkörpert Herzog geradezu die amerikanisch-israelischen Beziehungen.
David Makovsky, Direktor des Instituts für Nahost-Politik in Washington

Einladung an Netanyahu ohne Termin

Joe Biden hat Benjamin Netanyahu zwar am vergangenen Montag ein Treffen vor Jahresende in Aussicht gestellt, doch die Einladung blieb vage und ohne konkreten Termin. Biden hat sowohl die geplante Justizreform als auch die Siedlungspolitik Netanyahus wiederholt deutlich kritisiert.

Netanyahus Kabinett sei "eines der extremistischsten", das er je erlebt habe, sagte Biden kürzlich in einem Fernsehinterview. Zum Auftakt des Herzog-Besuchs äußerte sich der US-Präsident diplomatischer.

"Amerikas Verpflichtung gegenüber Israel ist fest und unverbrüchlich", betonte Biden. Dies gelte etwa auch für das Ziel, dass der Iran niemals über Atomwaffen verfügen dürfe.

US-Militärhilfe steht nicht zur Disposition

Wie stark wird der Druck, den Biden auf Netanyahu auszuüben bereit ist, am Ende sein? Könnte es gar an die Grundfesten, die jährliche finanzielle und militärische Unterstützung Israels, gehen?

Nein, meint der Politikwissenschaftler Makovsky: "Kein US-Präsident wird die militärische Unterstützung oder die Geheimdienstkooperation mit Israel antasten. Schließlich sind Israels wirkliche Feinde - der Iran, die Hisbollah, der islamische Dschihad - keine Einbildung Israels, sondern real."

Was sich bei Biden äußere, sei die Frustration eines pro-israelischen Präsidenten, der sich um Grundwerte, um die israelische Demokratie, Sorgen mache, der Netanyahu sagen wolle: "Hey Mann, Du bist der Premierminister, Du musst die Richtung vorgeben, nicht diese extremistischen Minister. Lass mich Dir helfen. Arbeite mit mir."

Boykott-Aufrufe linker Demokraten

Wenn Präsident Herzog heute vor beiden Kammern des US-Kongresses spricht, wollen einige Abgeordnete vom linken Flügel der Demokraten demonstrativ fern bleiben - aus Solidarität mit den Palästinensern. Dafür hat Makovsky keinerlei Verständnis.

"Herzog verkörpert die Friedenstradition Jitzchak Rabins", so Makovsky. "Er hat sich immer für den Friedensprozess engagiert." Und es habe Fortschritte gegeben: Frieden mit Ägypten, Frieden mit Jordanien, Frieden zuletzt mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, mit Bahrain, mit Marokko.

Vielleicht komme bald Frieden mit Saudi-Arabien dazu - ein wirkliches Ziel der Biden-Regierung, das in Europa noch nicht richtig verstanden werde, meint der Politikwissenschaftler. "Wenn man all das voranbringen will, dann ist ein Boykott von Präsident Herzog wirklich jenseits meines Verständnisses."

Ralf Borchard, ARD Washington, tagesschau, 19.07.2023 05:23 Uhr