Joe Biden

Justizreform in Israel Biden ruft Netanyahu zu Kompromiss auf

Stand: 20.03.2023 11:54 Uhr

Seit elf Wochen protestieren Zehntausende in Israel gegen die umstrittene Justizreform. Nun bezieht auch US-Präsident Biden Stellung. In einem Telefonat forderte er Premierminister Netanyahu zu einem Kompromiss auf.

Der von Israels ultrarechter Regierung angestrebte Umbau der Justiz sorgt seit Wochen für internationale Kritik. Nun hat sich US-Präsident Joe Biden zum ersten Mal geäußert.

In einem Telefonat rief der US-Präsident den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu zu einem Kompromiss bei der umstrittenen Justizreform auf - und bot seine Hilfe an.

Demokratische Prinzipien als Markenzeichen

Demokratische Prinzipien seien immer das Markenzeichen der US-israelischen Beziehungen gewesen und müssten dies bleiben, sagte Biden laut Weißem Haus.

Biden verwies demnach auch darauf, dass "demokratische Gesellschaften durch echte gegenseitige Kontrolle gestärkt werden" und dass "wichtige Änderungen mit der größtmöglichen öffentlichen Unterstützung" vorgenommen werden sollten. 

Netanyahus Büro teilte mit, der Regierungschef habe Biden versichert, dass Israel eine starke und lebendige Demokratie sei und dies auch bleiben werde.

Regierung legt abgeschwächten Entwurf vor

Die Spitzen der Koalitionsparteien kündigten inzwischen an, das Tempo bei ihrer umstrittenen Justizreform etwas zu verlangsamen. Sie legten einen etwas abgeschwächten Gesetzentwurf vor.

Medienberichten zufolge soll demnach die Regierung zwei Richter des Obersten Gerichts selbst auswählen können. Anders als in einem vorherigen Entwurf müssen jedoch andere Ernennungen des dann elfköpfigen Gremiums von mindestens einem Oppositionsmitglied und mindestens einem Richter gebilligt werden. Die Regierung hätte jedoch auch in dem neuen Vorschlag eine knappe Mehrheit in dem Ausschuss.

Der Entwurf soll bis Anfang April in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden. Weitere Teile der geplanten Justizreform sollen demnach auf den Zeitraum nach der einmonatigen Sitzungspause verschoben werden.

Kritik an neuem Gesetzesentwurf

Organisatoren der Protestbewegung in Israel erklärten laut der Zeitung "Haaretz", die Änderung sei "eine Kriegserklärung der israelischen Regierung gegen das Volk und die israelische Demokratie". Oppositionsführer Jair Lapid teilte mit, der Vorschlag der Regierung sei eine "feindliche politische Übernahme des Justizsystems". Der Richterwahlausschuss werde so zum "Ausschuss zur Ernennung von Kumpanen".

Seit Wochen protestieren Menschen in Israel gegen die geplante Reform. Allein am Samstag waren Hunderttausende auf die Straßen gegangen.

Scholz sieht Reform mit "großer Sorge"

Bereits am vergangenen Donnerstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch Netanyahus in Berlin gesagt, er sehe die Justizreform in Israel mit "großer Sorge". Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) ist angesichts der Reformpläne gespalten. Zur Demokratie gehöre die Beschränkung politischer Macht durch das Recht. Die Gesetzentwürfe der Koalition stellten das infrage.

Die von der israelischen Regierung geplante Reform sieht mehr Macht für das Parlament und weniger rechtsstaatliche Kontrolle durch die unabhängige Justiz vor. Netanyahu und seine ultra-religiösen und rechtsextremen Koalitionspartner argumentieren, die Judikative in Israel habe derzeit zu viel Macht. 

Kritiker fürchten eine Aufhebung der Gewaltenteilung und damit eine Aushöhlung der Demokratie in Israel. Sie werfen Netanyahu zudem vor, die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zielten unter anderem auch darauf ab, ihn vor einer Amtsenthebung zu schützen. Gegen Netanyahu läuft derzeit ein Prozess wegen Korruption.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. März 2023 um 09:13 Uhr.