Benjamin Netanyahu, Likud-Vorsitzender und designierter Ministerpräsident von Israel, nimmt an einer Sitzung teil, die der Vereidigung des 25. israelischen Parlaments (Knesset) dient.

Ärger zwischen Israel und USA Netanyahu weiter nicht willkommen

Stand: 29.03.2023 13:34 Uhr

Kritik an der Justizreform in Israel kommt auch vom wichtigen Verbündeten USA. Ein Antrittsbesuch von Premier Netanyahu im Weißen Haus wäre längst üblich gewesen. Doch dort lässt man sich Zeit.

Die Worte von US-Präsident Joe Biden sind nichts anderes als ein Affront. Vor einem Abflug mit der Air Force One wurde er nach seiner Meinung zur umstrittenen Justizreform in Israel gefragt. Wie viele große Unterstützer Israels sei er "sehr besorgt, antwortete Biden. Er mache sich Sorgen, "ob sie das hinbekommen. Sie können diesen Weg nicht weitergehen und das habe ich auch klargemacht. Hoffentlich verhält sich der Premierminister so, dass er einen richtigen Kompromiss erreicht, aber das müssen wir sehen."

Auf die Nachfrage, ob er gedenke, Benjamin Netanyahu bald ins Weiße Haus einzuladen, sagte Biden: "Nein, nicht in nächster Zeit."

Die USA sind der mit Abstand wichtigste Partner für Israel. Auch deshalb ist es sehr ungewöhnlich, dass Netanyahu nach seinem Amtsantritt vor drei Monaten noch immer nicht zu einem Antrittsbesuch in Washington empfangen wurde.

Der Höhepunkt der Besorgnis in Washington

Stattdessen kommen aus den USA kritische Töne, die nochmal schärfer geworden waren, nachdem Netanyahu am Sonntag seinen Verteidigungsminister Joav Galant entlassen hatte. Der hatte einen Stopp der Justizreform gefordert und sieht Israels Sicherheit durch den Streit um die Reform bedroht.

Danny Ayalon, ehemaliger israelischer Botschafter in den USA, sagte: "Der Höhepunkt der Besorgnis aus Washington war nach der skurrilen Entlassung Galants." In der Nacht habe er mehrere Anrufe bekommen, auch von Republikanern, die nicht verstünden, welche Richtung Netanyahu einschlägt.

"Ein Teil sagte mir sogar, Netanyahu stelle eine existentielle Gefahr für den Staat Israel dar. Sie gingen so weit zu sagen, dass er auch die Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten gefährde", sagte Ayalon. Einer habe ihm gesagt, Netanyahu ähnele einem Heißluftballon, der abgehoben und nicht mehr einzufangen sei.

Netanyahu: Unzerstörbare Allianz mit den USA

Netanyahu selbst reagierte bislang nur mit einem schriftlichen Statement: Die Allianz zwischen Israel und den USA sei unzerstörbar, sie überwinde immer gelegentliche Meinungsverschiedenheiten. Israel sei ein souveränes Land, das seine Entscheidungen auf Basis des Volkswillens treffe und nicht aufgrund von Druck von außen, beste Freunde eingeschlossen.

Noch etwas härter brachte es Itamar Ben-Gvir auf den Punkt, der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit. Er ist ein vehementer Verfechter der Justizreform und hatte mit dem Bruch der Koalition gedroht, falls sie scheitere.

Gleichzeitig zeigen seine Worte im Armeeradio, dass Teilen der Regierung das Bild Israels im Ausland egal zu sein scheint. Biden und die US-Regierung müssten verstehen, dass Israel ein selbstständiger Staat "und kein weiterer Stern auf der Fahne der Vereinigten Staaten ist", sagte Ben-Gvir. Ein selbstständiger Staat, in dem es Wahlen gebe und in dem der Wille des Volkes vorherrsche. Er erwarte vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, "dass er diesen Punkt versteht".

"Beziehungen zu USA als heilig behandeln"

Derweil gibt es immer mehr Stimmen, die im frostigen Klima ein Problem für die Sicherheit in der Region sehen. Die Bedeutung der USA für Israel kann dabei gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht nur wegen der direkten Militärhilfen, sondern auch strategisch im gesamten Nahen und Mittleren Osten.

Chuck Freilich, Ex-Sicherheitsberater der israelischen Regierung, sagte im israelischen Radio: "Wer denkt, dass wir ein Staat sind, der ganz alleine Entscheidungen trifft, irrt. Ich rate, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten als heilig zu behandeln." Ohne die USA sei die israelische Armee hohl und der israelische Geheimdienst zur Hälfte hohl. "Wir leben in unserer eigenen Welt, in der wir davon ausgehen, dass uns die Amerikaner bis an unser Lebensende vier Milliarden Dollar im Jahr überweisen. Aber dem ist nicht so."

Für Entspannung sorgen könnte ein Kompromiss bei der Justizreform, nach dem Netanyahu die Entscheidungen über das Gesetzespaket vorerst aufgeschoben hatte. Israels Staatspräsident Izchak Herzog ist dazu bereits in Verhandlungen mit den politischen Parteien.

Am Ende aber kommt es auf Netanyahus Regierungskoalition an. Und von dort gibt es bislang keine inhaltlichen Zugeständnisse.

Jan-Christoph Kitzler, Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, 29.03.2023 12:37 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. März 2023 um 12:36 Uhr.