Berggorillas im Virunga-Nationalpark

Regenwald im Kongo Artenschutz als Investment

Stand: 15.03.2023 06:35 Uhr

Nur Brasilien hat im vergangenen Jahr mehr Regenwald verloren als die Demokratische Republik Kongo. Große Öl- und Gasprojekte bedrohen die Artenvielfalt. Ein Investmentfonds hält nun dagegen und hofft auf Nachahmer.

Es klingt wie ein Märchen - und vielleicht bleibt es das ja auch: 27 Blöcke für die Erkundung von Ölvorkommen und drei für die Suche nach Erdgas hat die Regierung der Demokratischen Regierung Kongo im vergangenen Jahr zur Versteigerung freigegeben. In der Hauptstadt Kinshasa rechnet man mit riesigen Gewinnen aus der Förderung, während Umweltschützer vor verheerenden Folgen für Flora, Fauna und damit auch für das globale Klima warnen.

Matthias Pitkowitz, Investmentbanker mit österreichischen Wurzeln, will die Konzerne stoppen und die "Wall Street für den Kampf für die Natur" einspannen. Genauer gesagt: für den Artenschutz. Das Endergebnis soll - geht es nach Pitkowitz - "das weltweit größte Naturschutzprojekt" sein, mit "70 Millionen Hektar Wald - das entspricht ungefähr der Fläche Frankreichs", erklärt er.

Pionier für nachhaltige Finanzinstrumente

Das klingt nach grüner Gigantomanie, die Zweifel zulässt. Allerdings: Pitkowitz hat einen Lebenslauf, bei dem man glauben möchte, dass er weiß, was er tut: Unternehmer, Investmentbanker, nach eigenen Angaben verantwortlich für milliardenschwere Transaktionen für namhafte Größen der Kapitalwelt - und "Pionier für nachhaltige Finanzinstrumente in den USA". Die Gründung seines Fonds EQX Biome in New York ist sozusagen der logische weitere Schritt.

Sein Plan: Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo soll nicht Bohrrechte an Ölmultis verkaufen, sondern seinem Fonds die Explorationsregionen als Schutzgebiete überlassen. Der Fonds setzt dann 400 Millionen US-Dollar direkt ein, um die Gebiete zu sichern. Investitionen etwa in Ranger seien nötig, es würden schnell Arbeitsplätze geschaffen.

Für die Schutzflächen würden so genannte Biodiversity-Credits, also Zertifikate für den Artenschutz, erstellt und gehandelt - die es allerdings noch nicht in allgemein anerkannter Form gibt. Bis dahin würde mit Carbon Credits gehandelt, also mit den inzwischen bekannten CO2-Emissionzertifikaten.

Ein Deal, lukrativer als das Big Oil?

Pitkowitz geht davon aus, dass so sechs Milliarden US-Dollar innerhalb von 20 Jahren erwirtschaftet werden könnten. Daraus könnten Investoren ihre Renditen ziehen, der Staat würde Steuern eintreiben. Das Gros der Summe würde aber in die Vergrößerung der Schutzgebiete fließen, so Pitkowitz.

Ein Deal, der dem Staat mehr einbringen könnte als Big Oil? "Wir haben eine Chance bei der Auktion der Regierung, weil wir vorzeigen können, dass wir mit Naturschutz profitabler sein können als mit Ölbohrungen," sagt Pitkowitz. Ölbohrungen seien komplexe, über 50 Jahre lange Vorhaben.

Bevor das erste Öl fließe, vergingen meist zehn Jahre - bis dahin gebe es auch keine Steuereinnahmen. Solange würden aber schon Schneisen in die Wälder geschlagen, für Straßen, Eisenbahn und Pipelines, sagt der Manager. "Man weiß: Sobald es eine Straße gibt, wird auch darum herum abgeholzt."

Umweltschützer teils skeptisch

Das weiß Greenpeace auch. Der Umweltschutzorganisation müssten die Pläne eigentlich willkommen sein. Doch sie sieht in der Börse eher - wie bisher - den Verursacher von Naturzerstörung, der sich nun als Retter tarnt. "Hinter all diesen Mechanismen stehen Leute in den USA, Europa oder Asien, die im Wald des Kongo ein Mittel sehen, viel Geld zu machen", glaubt Ranece Ndjeudja Petkeu, der für Greenpeace die Region betreut.

"Die dort lebenden Gemeinschaften werden davon nichts haben." Und: Rigoroser Schutz schneide sie oft von ihren Lebensgrundlagen ab. Pitkowitz kennt die Kritik und hat sich vorbereitet: Im Beirat des Fonds, der in seinen Statuten den Schutz der Artenvielfalt als Hauptziel festgeschrieben habe, säßen Vertreter der Gemeinschaften aus dem Regenwald, ebenso Experten für Artenvielfalt.

Ökonomisches Modell für Erhalt von Natur

Zu ihnen zählt auch Frauke Fischer, die über Artenschutz und Ökosysteme als Dozentin an der Uni Würzburg lehrt und im wissenschaftlichen Beirat des WWF Deutschland ist. "Nichts geschieht gegen den Willen und den Widerstand der lokalen Bevölkerung und der indigenen Gruppen. Auf gar keinen Fall", betont sie.

Die Mithilfe der Finanzbranche beim Naturschutz hält sie für unverzichtbar - Spendengelder oder Entwicklungshilfe könnten nicht die Mittel aufbringen, die laut UN nötig seien. "Wir haben eine Lücke beim Schutz der Artenvielfalt von 700 Milliarden US-Dollar im Jahr", sagt Fischer. "Wenn es uns nicht gelingt, sehr schnell ein ökonomisches Modell für den Erhalt von Natur zu entwerfen, dann wird weiterhin das seit 200 Jahren leider sehr gut funktionierende ökonomische Modell der Zerstörung von Natur weiter vorangetrieben."

Bedrohte Flora und Fauna

Praktisch heißt das für die betroffenen Regionen: Gefahren für den Virunga-National-Park, einem UNESCO-Weltkulturerbe, in dem die bedrohten Berggorillas leben. Eine Gefahr auch für die Feuchtgebiete des Kongo, die größten der Welt, die unglaubliche Mengen an CO2 binden - die dreifache Menge der globalen CO2-Produktion. Sie könnte ganz oder teilweise durch die Bohrungen freigesetzt werden.

Und die Artenvielfalt? Allein Afrika verliert jedes Jahr mehr als 6400 Tier- und mehr als 3100 Pflanzenarten, viele davon beheimatet im Regenwald, sagen Naturschützer.

Kein Wunder, dass auch die Finanzindustrie darüber nachdenkt, den Planeten zu retten, von dem auch sie lebt. So schätzen die Wirtschaftsberater von Deloitte den Markt für Biodiversitäts-Zertifikate bis zum Jahr 2030 bereits auf mehr als 160 Milliarden US-Dollar - obwohl es heute noch gar keine wirklich standardisierte Berechnungsmethode für die einzelnen Papiere gibt.

Regierung will sich nicht vom Bohren abhalten lassen

Argumente, mit denen die Regierung der DR Kongo nun auf ihre Pläne verzichtet? Beim Beginn der Öl-Auktion im vergangenen Juli hatte DR Kongos zuständiger Minister Didier Budimbu der "Financial Times" erklärt, man habe vor fast zehn Jahren auf Bohrungen in Virunga verzichtet, nachdem die Hollywood-Schauspieler Ben Affleck und Leonardo DiCaprio mit einem Dokumentarfilm Druck gemacht hätten.

Dieses Mal werde man sich nicht vom Bohren abhalten lassen. Ob daran nun, ein Jahr später, Pitkowitz' Gewinnrechnung etwas ändern kann, wird der Abschluss der Bieterrunde zeigen. Die endet - zunächst für die besonders klimawichtigen Feuchtgebiete - im Juli und August.