Wenige Wolken sind vor der strahlenden Sonne und dem blauen Himmel zu sehen.

Rätsel um sprunghaften Anstieg Fehlende Wolken begünstigen Erderwärmung

Stand: 05.12.2024 20:00 Uhr

Die Erwärmung der Erdatmosphäre hat im vergangenen Jahr rasant zugenommen. Deutsche Forscher wollen jetzt den Grund für einen bislang nicht erklärbaren Teil der Erderwärmung gefunden haben.

Im Jahr 2023 brach der Klimawandel mehrere Negativrekorde. Die globale mittlere Oberflächentemperatur lag im vergangenen Jahr bei nahezu 1,5 Grad Celsius über dem Vergleichszeitraum von 1850 bis 1900. Im Jahr davor hatte die Temperatur noch 0,3 Grad niedriger gelegen. Dr. Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven spricht von "überraschend hohen" globalen Durchschnittstemperaturen seit dem Jahr 2023.

Für diesen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um fast 1,5 Grad machten Wissenschaftler bisher vor allem menschengemachte Einflüsse verantwortlich, wie Treibhausgase, aber auch das Wetterphänomen El Niño und Vulkanausbrüche. Für 0,2 Grad jedoch hatten Forschende bisher keine Erklärung. Dieses Rätsel sei "aktuell eine der prominentesten Fragen der Klimaforschung", sagt Studienautor Gößling. Nun könnte es gelöst sein: ausbleibende Wolken könnten verantwortlich sein.

Wichtigste Faktoren bekannt

Wissenschaftler des AWI und des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) seien bei der Analyse unter anderem von Satellitendaten der Nasa auf einen ungewöhnlich hohen Wert für die aufgenommene Sonneneinstrahlung gestoßen. Das ist gleichbedeutend mit einer geringen Rückstrahlkraft des Planeten, die sogenannte Albedo. Sie gibt den Anteil der Sonneneinstrahlung an, der ins Weltall zurückgeworfen wird.

Die Albedo spielt unter anderem in Polarregionen eine Rolle, wo es immer weniger helle Eisflächen immer mehr dunkle Ozeanfläche gebe. Dadurch werde weniger Sonnenstrahlung reflektiert. Die Veränderung der Polarregionen reiche aber nicht aus, um den letztjährigen Anstieg zu erklären. Die Rückstrahlkraft der Erdoberfläche nimmt bereits seit den 1970er-Jahren tendenziell ab.

Wolken reflektieren Sonne und kühlen so die Erde

Die Studienmacher aus Bremerhaven, Bonn und Bremen vermuten den Grund für die 0,2 Grad des Anstiegs damit, dass eine bestimmte Art Wolken fehle: niedrige Wolken, vor allem über dem Nordatlantik. Denn: Wolken in allen Höhen reflektieren Sonnenlicht und haben eine kühlende Wirkung. Wolken in hohen Luftschichten haben laut Gößling jedoch zusätzlich auch eine wärmende Wirkung, weil sie die Wärme, die die Erdoberfläche abstrahlt, in der Atmosphäre des Planeten halten. "Gibt es weniger niedrigere Wolken, verlieren wir nur den Kühleffekt, es wird also wärmer", sagt Klimaphysiker Gößling, der Hauptautor der Studie.

Der Rückgang der Wolken sei besonders in nördlichen mittleren Breiten und in den Tropen zu beobachten. Dabei sticht der Atlantik besonders hervor, also genau jene Region, in der 2023 die ungewöhnlichsten Hitzerekorde beobachten wurden. "Auffallend ist, dass der östliche Nordatlantik, der einer der Haupttreiber für den jüngsten Anstieg der globalen Mitteltemperatur ist, nicht nur 2023 einen deutlichen Rückgang von niedrigen Wolken verzeichnete, sondern - wie fast der gesamte Atlantik - bereits in den letzten zehn Jahren." Die Daten zeigen, dass die Wolkenbedeckung in niedrigen Höhen abgenommen hat, während sie in hohen und mittleren Höhen nur geringfügig, wenn überhaupt, zurückging.

Klimaerwärmung könnte weiter sein als bekannt

Der Klimawandel selbst könnte erheblich zur Reduzierung niedriger Wolken beigetragen haben. Die Forscher verweisen auf Studien, die gezeigt haben, dass die Erwärmung der Meeresoberfläche die niedrige Wolkenbedeckung verringern kann. Auch weniger Feinpartikel in der Atmosphäre - etwa Saharastaub oder Schiffsabgase - könnten zu weniger Wolkenbildung in niedrigen Höhen führen.

"Sofern hinter dem Albedo-Rückgang eine verstärkende Rückkopplung zwischen Erderwärmung und Wolken steckt, wie auch einige Klimamodelle nahelegen, müssen wir mit einer recht starken zukünftigen Erwärmung rechnen", warnt Gößling. "Wir könnten einer globalen Klimaerwärmung von über 1,5 Grad Celsius bereits näher sein als bislang gedacht." Gößling fordert deshalb eine Verschärfung der Klimaziele und stärkere Vorkehrungen "gegen die Folgen zu erwartender Wetterextreme".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Juli 2024 um 16:42 Uhr.