Eine Mitarbeiterin des Gesundheitswesens verabreicht einem Kind einen Polio-Impfstoff.

UNICEF zu Kinderimpfungen Impfquote sinkt in der Pandemie

Stand: 20.04.2023 08:33 Uhr

Laut Kinderhilfswerk UNICEF haben zwischen 2019 und 2021 etwa 67 Millionen Kinder Routine-Impfungen gegen schwere Krankheiten verpasst. Dies liege an einer wachsenden Impfskepsis und an Versäumnissen während der Pandemie.

Im Laufe der Corona-Pandemie ist die Zahl der Impfungen gegen andere schwere Krankheiten massiv gesunken. Das beklagt das Kinderhilfswerk UNICEF in seinem neuen Jahresbericht und warnt vor einer sich ausweitenden weltweiten Impflücke. Allein zwischen 2019 und 2021 verpassten dem Bericht zufolge rund 67 Millionen Kinder eigentlich anstehende Routine-Impfungen etwa gegen Masern und Kinderlähmung ganz oder teilweise.

"Mehr als ein Jahrzehnt hart errungener Fortschritte bei routinemäßigen Immunisierungen während der Kindheit sind untergraben worden", heißt es in dem Bericht. Bei den Impfungen von Kindern wieder auf Kurs zu kommen, werde eine "schwierige" Aufgabe.

Großer Anstieg bei Masern und Polio

Die Impfabdeckung von Kindern ging dem Report zufolge in 112 Ländern zurück und sank global um fünf Prozentpunkte auf 81 Prozent - der tiefste Stand seit 2008. Besonders stark betroffen von dieser Impf-Unterversorgung bei Kindern seien Afrika und Südasien gewesen. "Impfungen haben Millionen von Leben gerettet und Menschen vor tödlichen Krankheitsausbrüchen geschützt", erklärte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. "Routine-Impfungen und starke Gesundheitssysteme sind unsere beste Chance, künftige Pandemien, unnötige Todesfälle und Leiden zu verhindern."

Der Anteil der Kinder, die weltweit gegen Masern geimpft wurden, sank dem Bericht zufolge zwischen 2019 und 2021 von 86 auf 81 Prozent. Im Jahr 2022 habe es mehr als doppelt so viele Masernfälle wie im Jahr zuvor gegeben. "Impfungen haben eine wirklich wichtige Rolle dabei gespielt, mehr Kindern ein gesundes und langes Leben zu ermöglichen", sagte der Hauptredakteur des Berichts, Brian Keeley, der Nachrichtenagentur AFP. Jeder Rückgang der Impfquote sei besorgniserregend. Auch die Zahl der durch Polio gelähmten Kinder sei 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent gestiegen.

Zunehmende Skepsis während der Pandemie

Einen Grund für diese Entwicklung sieht UNICEF unter anderem in einer sich ausweitenden Skepsis gegenüber Impfungen. Das Bewusstsein für die Bedeutung von Schutzimpfungen sei während der Corona-Pandemie in 52 von 55 untersuchten Ländern gesunken, so der Bericht. In den meisten Ländern gaben vor allem Menschen unter 35 Jahren sowie Frauen an, dass ihr Vertrauen in Impfungen für Kinder seit Beginn der Pandemie eher abgenommen habe.

Trotz des Vertrauensrückgangs ist die Unterstützung für Impfungen laut UNICEF grundsätzlich weiterhin relativ groß. So sagten in fast der Hälfte der untersuchten Länder mehr als 80 Prozent der Befragten, dass das Impfen von Kindern wichtig sei. Eine Kombination verschiedener Faktoren könnte jedoch zur Folge haben, dass eine zögerliche Haltung gegenüber Impfungen zunehme, warnte UNICEF.

Dazu zählten unter anderem die Unsicherheit über den Umgang mit der Corona-Pandemie, weit verbreitete Desinformation, ein schwindendes Vertrauen in Fachwissen sowie eine politische Polarisierung. "Auf dem Höhepunkt der Pandemie haben Wissenschaftler in kürzester Zeit Impfstoffe entwickelt, die unzählige Leben gerettet haben. Doch trotz dieser historischen Leistung waren Ängste und Desinformationen über Impfstoffe so weit verbreitet wie das Virus selbst", sagte Russell. Die neuen Daten seien ein beunruhigendes Signal. "Wir dürfen nicht zulassen, dass das Vertrauen in Routine-Impfungen für Kinder der Pandemie zum Opfer fällt", so Russell weiter.

Größter Rückgang bei Routine-Impfungen seit 30 Jahren

Besonders alarmiert zeigte sich UNICEF darüber, dass mit dem sinkenden Vertrauen der größte Rückgang bei Routine-Impfungen von Kindern seit 30 Jahren einherging. Durch die Corona-Pandemie sei es in vielen Ländern zu Unterbrechungen bei Routine-Impfungen gekommen. Dies habe unter anderem daran gelegen, dass Gesundheitssysteme überlastet waren und finanzielle Ressourcen umgeleitet wurden, um Menschen gegen Covid-19 zu impfen. Auch Lockdowns und Behinderungen in der Gesundheitsversorgung seien Gründe dafür gewesen.

Die Corona-Pandemie habe auch die Ungleichheiten verschärft. Für zu viele Kinder, insbesondere in den am stärksten ausgegrenzten Gruppen, seien Impfungen immer noch nicht verfügbar, zugänglich oder erschwinglich. Schon vor der Pandemie habe das Tempo bei den Impfungen fast ein Jahrzehnt lang gestockt, so der Bericht.

Angesichts dieser Entwicklungen müssten Regierungen weltweit unbedingt Maßnahmen ergreifen, fordert UNICEF. Ansonsten "könnte die nächste Welle von Todesfällen eine wachsende Zahl von Kindern betreffen, die an Masern, Diphtherie oder anderen vermeidbaren Krankheiten erkranken".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. April 2023 um 04:00 Uhr.