
Ukraine-Krieg Ölpreise auf höchstem Stand seit Jahren
Wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine sind die Ölpreise auf mehr als 110 Dollar pro Fass gestiegen. Auch die Freigabe von Reserven hilft wenig. Immer mehr Ölkonzerne beenden das Russland-Geschäft.
Wegen der zunehmenden Angst vor den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die weltweite Energieversorgung steigen die Ölpreise ungebremst weiter. Die beiden wichtigsten Erdölsorten Brent und West Texas Intermediate (WTI) markierten heute erneut mehrjährige Höchststände.
Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete bis zu 111,72 US-Dollar und damit so viel wie zuletzt Anfang 2014. Ein Fass der US-Sorte WTI wurde mit bis zu 110,14 Dollar gehandelt - der höchste Stand seit dem Jahr 2013. Zuletzt legte der Preis für WTI-Öl noch um 5,89 Dollar auf 109,16 Dollar zu, Brent verteuerte sich um 5,98 Dollar auf 110,94 Dollar.
Auslöser des Preisschubs am Rohölmarkt sind der Angriff Russlands auf die Ukraine und die denkbaren Folgen für das Ölangebot. Einerseits halten es Fachleute für möglich, dass große Volkswirtschaften die Einfuhr russischen Erdöls sanktionieren. Andererseits werden auch Gegensanktionen Russlands bis hin zu einem Ausfuhrstopp für möglich gehalten.
"Es kommt nicht mehr viel"
"Die Leute fassen russische Barrel nicht an", sagte ein Händler am Hafen von New York der Nachrichtenagentur Reuters. Was noch verschifft werde, sei vor dem russischen Vorstoß in die Ukraine gekauft worden. "Danach kommt nicht mehr viel. Niemand möchte dabei gesehen werden, wie er russische Produkte kauft und einen Krieg gegen das ukrainische Volk finanziert."
Russland ist der weltweit drittgrößte Ölproduzent. Schon vor dem Ukraine-Konflikt waren die Preise hoch gewesen, da die Industriestaaten nach dem Corona-Einbruch weltweit ihre Wirtschaft hochfuhren und daher große Mengen Öl nachgefragt wurden. Gestern Abend hatten die Mitgliedstaaten der Internationalen Energieagentur (IEA) die Freigabe von 60 Millionen Barrel Rohöl aus ihren strategischen Reserven beschlossen.
US-Präsident Joe Biden kündigte in seiner Rede zur Lage der Nation an, die Hälfte davon zu tragen. "Die Vereinigten Staaten haben mit 30 anderen Ländern zusammengearbeitet, um 60 Millionen Barrel Öl aus den Reserven der ganzen Welt freizugeben", sagte Biden vor dem Kongress in Washington. "Amerika wird diese Bemühungen anführen und 30 Millionen Barrel Öl freigeben." Er betonte, dass Washington "bereit ist, mehr zu tun, wenn es nötig ist".
Opec+-Treffen am Mittag
Am Ölmarkt führte die Freigabe der vergleichsweise kleinen Menge allerdings zunächst nicht zu einer Beruhigung der Lage. Diese Tatsache sei erschreckend, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst vom Brokerhaus CMC Markets. Die 60 Millionen Barrel Öl entsprechen vier Prozent der Reserven - zusammen halten die 31 Länder 1,5 Milliarden Barrel.
Der Ölverbund Opec+ entscheidet heute über seine kurzfristige Förderstrategie. Experten rechnen aber damit, dass der Verbund, dem auch Russland angehört, seinem Kurs einer nur schrittweisen, moderaten Förderausweitung treu bleibt und trotz der Preisrally die Fördermengen nicht deutlich ausweiten wird.
Ölkonzerne kappen russische Geschäftsbeziehungen
Unterdessen fahren weitere westliche Ölkonzerne ihre Geschäftsbeziehungen mit Russland herunter. ExxonMobil kündigte gestern Abend an, dass sich der Konzern schrittweise aus dem Betrieb eines großen Ölfelds in Russland zurückziehen will. "Als Reaktion auf die jüngsten Ereignisse beginnen wir mit dem Prozess der Einstellung der Aktivitäten und ergreifen Maßnahmen, um schrittweise aus dem Ölprojekt auszusteigen", so das größte US-Ölunternehmen.
ExxonMobil betreibt im Namen eines Konsortiums, dem der russische Ölkonzern Rosneft, ein indisches sowie ein japanisches Unternehmen angehören, seit 1995 das Sachalin-1-Ölfeld, das ganz im Osten des Landes liegt. Zudem will der Konzern nicht mehr in neue Projekte in Russland investieren.
Eni, ExxonMobil, Shell und BP reagieren
Auch italienische Ölkonzern Eni erklärte, dass er aus der Blue-Stream-Gaspipeline zwischen Russland und der Türkei aussteigen wird. Eni hält 50 Prozent der Anteile, die andere Hälfte gehört dem russischen Gaskonzern Gazprom. "Eni beabsichtigt, seinen Anteil an Blue Stream zu verkaufen", sagte ein Unternehmenssprecher. Darüber hinaus besitze Eni kaum Geschäftsbeziehungen zu Russland. ExxonMobil und Eni schließen sich damit der britisch-niederländischen Ölfirma Shell und der britischen BP an, die bereits zuvor ihren Rückzug vom russischen Markt angekündigt hatten.
Nach ersten Schätzungen der Analystenfirma ESAI Energy sind etwa zehn Prozent der russischen Ölexporte betroffen. Allerdings mache es Russlands Stellung am weltweiten Energiemarkt unwahrscheinlich, dass der Export ganz zum Erliegen kommen werde, sagte ESAI-Präsidentin Sarah Emerson. "Die großen Akteure können aus dem Markt aussteigen, aber es gibt da draußen nicht genug Öl, dass alle aussteigen können."