Mitarbeitende vom Tiefkühlkosthersteller Frosta stehen am Band in Bremerhaven und ordnen Fischstäbchen.

Importe aus Russland Bangen um das Fischstäbchen

Stand: 18.06.2022 06:48 Uhr

Deutsche Produzenten von Tiefkühlfisch haben zunehmend Mühe, geeigneten Importfisch zu bekommen. Grund dafür sind nicht nur Lieferkettenprobleme, auch der Ukraine-Krieg spielt eine Rolle.

Von Von Luca Laube, Radio Bremen

Als Fischstäbchen, Schlemmerfilets oder Backfisch landet er auf deutschen Tellern: Alaska-Pollack, der auch unter dem Namen Alaska-Seelachs bekannt ist. Doch anders als der Name vermuten lässt, kommt dieser nicht ausschließlich aus Alaska, sondern in erster Linie aus russischen Gewässern.

Ein Importverbot für russischen Fisch gibt es bislang nicht. Im April beschloss die EU-Kommission ein Sanktionspaket, das zwar die Einfuhr von Krebstieren und Kaviar aus Russland verbietet, jedoch nicht für Fisch. Sollten die Importsanktionen ausgeweitet werden, würden die deutschen Fischverarbeiter in Schwierigkeiten geraten, sagt Christopher Zimmermann vom Thünen-Institut für Ostseefischerei voraus. Denn rund 70 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Pollacks stammen aus Russland.

"Nicht ohne Weiteres zu ersetzen"

"Dieser Verlust wäre nicht auszugleichen. Es gibt einfach keine Fischart auf der Welt, durch die man den Alaska-Pollack ohne Weiteres ersetzen könnte", so der Experte. Selbst die Erhöhung von Importzöllen nach Vorbild von Großbritannien hätte demnach erhebliche Auswirkungen auf die Preise, das Angebot sowie die deutschen Arbeitsplätze.

Der Bundesverband der deutschen Fischindustrie vertritt die Interessen der Fischstäbchenproduzenten. Geschäftsführer Matthias Keller teilt die Ansicht, dass auf Alaska-Seelachs nicht verzichtet werden kann. Zwar könnten ihre Produkte auch mit anderen Fischarten wie Seehecht, Kabeljau oder Pangasius hergestellt werden. Doch diese reichten nicht aus: "Um Alaska-Seelachs zu ersetzen, sind enorme Mengen nötig, die aktuell auf dem Weltmarkt nicht in vergleichbarer Menge kurzfristig verfügbar sind", sagt Keller.

Zertifikat muss kontrolliert werden

Auch wenn das Russland-Geschäft weiterhin möglich sein sollte, kann die EU nicht langfristig mit dem russischen Fisch rechnen. Das Thünen-Institut skizziert ein weiteres Problem: Genau wie die amerikanischen Fischereien seien auch die russischen MSC-zertifiziert. Wenn unter den aktuellen Umständen nicht überprüft werden kann, ob die Standards dieses Nachhaltigkeitszertifikats eingehalten werden, verlieren die russischen Fischereien das Label nach einem Jahr. "Es gibt zurzeit keine Fischstäbchenkrise", sagt Christopher Zimmermann, "auf lange Sicht gesehen ist das aber vermutlich unvermeidbar."

Fischverbands-Geschäftsführer Matthias Keller sieht das weniger düster. Es gebe ausreichend Alaska-Seelachs in den Meeren und genügend Fangschiffe, die zertifizierten Alaska-Seelachs fangen können.

Gestörte Lieferketten verschärfen die Situation

Das Unternehmen Frozen Fish International, das in Bremerhaven Tiefkühlfisch für die Marke Iglo verarbeitet, musste bereits 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Abteilungen Produktion und Technik in die Kurzarbeit schicken. Hauptgrund war aber nicht der Ukraine-Krieg, sondern das Problem mit den internationalen Lieferketten. Lockdowns in China sorgen seit Beginn der Pandemie zu großen Verzögerungen. Zuletzt war der weltgrößte Hafen in Shanghai betroffen. Vor wenigen Tagen legte außerdem ein Warnstreik alle großen deutschen Seehäfen für Stunden lahm, was die Situation zusätzlich verschärfte.

Bei dem Iglo-Produzenten stammten die Fischprodukte aus Alaska-Seelachs hauptsächlich von amerikanischen Fischereien, heißt es von Frozen Fish. Ein Teil des Fisches komme aber auch aus russischen Gewässern. Nach dem Fang wird dieser nach China gebracht und dort filetiert, bevor er dann in Deutschland zu Tiefkühlprodukten verarbeitet wird. "Es laufen bereits entsprechende Prozesse, um schnellstmöglich Alternativen für die aktuellen Fischarten zu finden", so Frozen Fish. Kurzfristig sei eine Umstellung allerdings schwierig. Russlands Fischerei werde als Lieferant aktuell nur noch eingeschränkt genutzt. Auf das Angebot habe dies aber keine Auswirkungen, die Lager seien gut gefüllt.

Tausende Arbeitsplätze betroffen

Laut Dieter Nickel von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten betreffen die Probleme alle Fischverarbeiter. Er beobachtet die Entwicklung in der Branche mit Sorge: "Es lässt sich überhaupt keine Vorhersage treffen, wann irgendetwas funktioniert oder wann irgendwo Ware ankommt." Den Unternehmen macht er hingegen keinen Vorwurf. Sie gingen mit der Krise um, so gut sie können.

Wird nun also der Tiefkühlfisch knapp? Davon geht die Branche nicht aus. Gewerkschafter Nickel sieht aber durchaus die Gefahr, dass die Schwierigkeiten einen Einfluss auf Konsumentinnen und Konsumenten haben könnten. Und das dürfte dann weitere Folgen für die Beschäftigten haben. Rund 42.000 Menschen in Deutschland arbeiten nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in der Fischerei und der Fischverarbeitungsindustrie.

J. Pietschke, DLF, 17.10.2008 12:09 Uhr