Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission.

EU-Rezept gegen Corona-Schulden Mindeststeuer und neue Eigenmittel

Stand: 22.12.2021 17:09 Uhr

Die Durchsetzung von Mindeststeuersätzen und die vermehrte Generierung von Eigenmitteln sollen mehr Geld in die belasteten EU-Kassen spülen. Das könnte jedoch die Etats der Mitgliedsländer belasten.

Johannes Hahn spart nicht mit großen Worten, der EU-Haushaltskommissar spricht gar von einem historischen Augenblick: Jetzt werde sehr konkret, aus welchen neuen Quellen die EU eigene Einnahmen schöpfen will. "Das ist ein Meilenstein auf dem Weg für einen unabhängigeren EU-Haushalt, bezahlt durch eine neue Generation von EU-Eigenmitteln."

Dabei setzt die Kommission unter anderem auf Einnahmen aus dem Emissionshandel. Dieser gilt derzeit für Europas Industrie und soll im Rahmen der Klimaschutzpläne ausgeweitet und verschärft werden. Außerdem will Brüssel einen neuen Handel mit Ausstoßgutschriften für Gebäude und Verkehr einführen.

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn befürwortet Verhandlungen mit Westbalkanstaaten.

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn will mehr Eigenmittel für die Union generieren.

Schuldenabbau und Klima-Sozialfonds

Bisher fließen die meisten Einnahmen daraus in die Haushalte der Mitgliedsstaaten. Künftig soll laut Kommission ein Viertel der Erlöse fürs EU-Budget reserviert werden, um Schulden für den Corona-Wiederaufbau zu bezahlen und einen Klima-Sozialfonds zu finanzieren. Dieser soll ärmere Haushalte und kleine Firmen beim nachhaltigen Wandel unterstützen.

EU präsentiert Gesetzesentwurf zur globalen Besteuerung internationaler Großkonzerne

Michael Grytz, ARD Brüssel, tagesschau, tagesschau, 22.12.2021 20:00 Uhr

Brüssel fordert außerdem den Löwenanteil der Einnahmen aus dem geplanten Grenzausgleichsmechanismus für den EU-Haushalt - ein Aufschlag für Importe aus Nicht-EU-Staaten, die nicht nach hiesigen Klima-Standards produzieren.

Mitgliedsländer müssen zurückstecken

Mehr Geld also in den EU-Topf, weniger Geld in die Kassen der EU-Länder - aber Kommissar Hahn beruhigt: "Wenn wir keine neuen Eigenmittel bekommen, geht das auf Kosten der Mitgliedsstaaten und des gesamten EU-Haushalts. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass es im Interesse aller Mitgliedsstaaten liegt und nützlich und wichtig ist, neue Eigenmittel einzuführen."

Hahn rechnet damit, dass aus den neuen Einnahmequellen zwischen 2026 und 2030 jährlich bis zu 17 Milliarden Euro in die EU-Kassen sprudeln. Dazu tragen auch Änderungen im internationalen Steuersystem bei. Demnach müssen Großkonzerne ihre Gewinne teilweise in den Ländern versteuern, wo sie Geschäfte machen, aber bisher häufig keine Steuern zahlten. Außerdem haben im Oktober mehr als 130 Staaten unter dem Dach der Industrieländerorganisation OECD eine Mindeststeuer für weltweit tätige Unternehmen von effektiv mindestens 15 Prozent vereinbart.

Länder sollen Steuerniveau angleichen

Das setzt die EU-Kommission jetzt um, wobei Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni betont: "Wir werden weiter unterschiedliche Niveaus bei der Unternehmensbesteuerung in verschiedenen Ländern haben. Wir führen einen Deckel ein, ein Limit, um den Wettbewerb nach unten zu beenden, eben mindestens 15 Prozent effektive Besteuerung."

Paolo Gentiloni

EU-Wirtschaftskommissar Gentiloni will konsequenter gegen Briefkastenfirmen vorgehen.

Außerdem will die Kommission gegen Konzerne oder Einzelpersonen vorgehen, die Briefkastenfirmen oder Mantelgesellschaften nutzen, um Steuern zu vermeiden. "Wir ziehen die Schrauben an", sagt Gentiloni - durch Meldepflichten und neue Kriterien, die es nationalen Steuerbehörden erleichtern sollen, Firmen aufzuspüren, die nur auf dem Papier existieren. "Diese beiden Vorschläge werden den Instrumentenkasten der Kommission bedeutend verstärken, um schädliche Steuerpraktiken zu bekämpfen und für mehr Steuergerechtigkeit in der EU und der ganzen Welt zu sorgen."

Schnelle Umsetzung gefordert

Der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen, begrüßt die Vorschläge der Kommission. Er nennt es folgerichtig, die internationale Vereinbarung europäisch umzusetzen und Mehreinnahmen für den EU-Haushalt zu reservieren.

"Allerhöchste Zeit, dass Brüssel einen Vorschlag für neue Eigenmittel vorlegt", erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Markus Ferber. Der CSU-Politiker appellierte an die EU-Regierungen, die Pläne jetzt seriös und zügig zu bearbeiten.

Jakob Mayr, Jakob Mayr, BR Brüssel, 22.12.2021 16:29 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 22. Dezember 2021 um 16:50 Uhr.