Ein Containerfrachtschiff der Reederei Hapag-Lloyd, in der Hafenausfahrt des Tiefseehafen von Rotterdam, Niederlande
Hintergrund

Container-Transporte billiger Die neue Gelassenheit auf den Meeren

Stand: 17.02.2023 08:46 Uhr

Die Frachtpreise sind zuletzt enorm gefallen. Das ist eine gute Nachricht für Verbraucher und Unternehmen. Containerreedereien wie Hapag-Lloyd müssen sich auf schrumpfende Gewinne einstellen.

Von Angela Göpfert, tagesschau.de

Häfen im Lockdown, gestrandete Container und horrend hohe Frachtraten - das war einmal. Nach drei nervenaufreibenden Jahren mit Lieferengpässen, Verzögerungen und hohen Kosten hat sich die Lage auf den Weltmeeren von Shanghai bis Rotterdam entspannt.

Wie sehr - das verrät ein Blick auf den Freightos Baltic Index (FBX), dabei handelt es sich um eine wichtige Benchmark für die globalen Frachtraten, also die Transportpreise auf den Weltmeeren. Nachdem sich der FBX in den 18 Monaten seit März 2020 zunächst versiebenfacht hatte auf einen Rekordwert von mehr als 11.000 Dollar im September 2021, ist er seither wieder um über 80 Prozent eingebrochen auf aktuell rund 2000 Dollar.

80 Prozent des Welthandels laufen über das Meer

Doch nicht nur im Vergleich zu ihren Rekordhochs haben die Frachtpreise merklich nachgegeben. Allein in den vergangenen drei Monaten sind die Preise deutlich in den Keller gerauscht. So liegt etwa der Preis für die Route Ostasien nach Nordeuropa derzeit bei 2900 Dollar und damit über 30 Prozent unter ihrem 90-Tage-Hoch.

Die Preise beziehen sich dabei stets auf Container mit einer Länge von 40 Fuß - das ist neben den kleineren 20-Fuß-Containern das Standardmaß auf den Weltmeeren. Zu Tausenden übereinandergestapelt auf einigen der größten Schiffe, die jemals gebaut wurden, werden in ihnen massenweise Güter transportiert. Mehr als 80 Prozent des Welthandels laufen über das Meer.

Hohe Frachtraten als Inflationstreiber

Wie entscheidend der Container-Handel für die globale Wirtschaft ist, hatte die Corona-Pandemie eindrücklich vor Augen geführt. Auch wenn die Preise mittlerweile gesunken sind: Die Folgen der hohen Frachtraten bekommen Verbraucher wie Unternehmen noch heute deutlich zu spüren. Denn anders als etwa bei den Ölpreisen, wo sich Preisänderungen an den globalen Rohstoffmärkten relativ rasch an der Zapfsäule niederschlagen, ist der Mechanismus bei den Frachtraten sehr viel schwerfälliger.

Einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge sind die Frachtraten weltweit ein zentraler Inflationstreiber: Verdoppeln sich die Frachtraten, steigt die Inflation danach im Schnitt um 0,7 Prozent. Dieser Effekt ist sehr anhaltend und kann bis zu 18 Monaten andauern, erst nach einem Jahr wird der Höhepunkt erreicht. Die bis September 2021 gestiegenen Frachtraten dürften demnach auch noch im ersten Quartal 2023 die Inflationsrate treiben.

Produzenten geben höhere Preise weiter

Doch wie genau beeinflussen steigende Frachtraten die Inflationsrate? Der Mechanismus funktioniert wie folgt: Höhere Frachtpreise verteuern die Einfuhr von Gütern. Die steigenden Importpreise treiben wiederum die Erzeugerpreise in die Höhe, sind doch viele Produzenten auf Waren oder Rohstoffe aus dem Ausland angewiesen, um ihre Güter fertigen zu können.

Die Produzenten wiederum geben zumindest einen Teil der gestiegenen Produktionskosten an die Kunden weiter. Die logische Folge: Die Verbraucherpreise steigen.

Milliardensumme für Stadt Hamburg

Umgekehrt sind die fallenden Frachtraten nun in der Tat eine gute Nachricht für Verbraucher wie Unternehmen. Einzig die großen Reedereien dürften zu den Leidtragenden des jüngsten Preisverfalls zählen. Die Aussichten für die deutsche Hapag-Lloyd und die Konkurrenz aus dem Ausland sind alles andere als rosig. Der Branche droht ein Absturz - allerdings von einem extrem hohen Niveau aus.

Nachdem die Containerschifffahrt vor Corona lange Zeit von Überkapazitäten und niedrigen Margen geprägt war, konnte Hapag-Lloyd im Geschäftsjahr 2022 ein sagenhaft anmutendes Ergebnis von 17,5 Milliarden Euro einfahren. Das Unternehmen plant eine Rekorddividende von 63 Euro je Aktie. Allein der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne, einer der reichsten Deutschen, kassiert damit von Hapag-Lloyd 3,3 Milliarden Euro Dividende. Die Stadt Hamburg, eine weitere Aktionärin, kann sich auf einen Geldregen von 1,5 Milliarden Euro freuen.

Experten erwarten einen Einbruch

Doch die Zeiten der überbordenden Frachtraten und damit auch der Fabelergebnisse und Rekorddividenden sind fürs erste passé. Bereits im vierten Quartal 2022 habe es eindeutige Signale für eine Abkühlung am Markt für Container-Logistik gegeben, betonte etwa Analyst Christian Cohrs vom Analysehaus Warburg Research. Dies untermauere seine Einschätzung, dass "die Party vorüber ist".

Auch das britische Beratungsunternehmen Drewry ist mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr extrem skeptisch. Die Experten schätzen, dass der Gewinn der Branche 2023 auf 15 Milliarden Dollar einbrechen wird. Damit würde er gerade einmal fünf Prozent des Vorjahreswerts (290 Milliarden Dollar) betragen.

Der Branchenkenner John McCown sieht hingegen nicht ganz so schwarz und argumentiert, dass ein großer Teil der Containertransporte über langfristige Verträge laufe. Dadurch könnten die Reedereien noch eine Weile von den günstigen Konditionen profitieren. Doch selbst wenn McCown Recht behalten sollte - eines ist gewiss: Die Zeit der Mega-Profite in der Reedereibranche ist erst einmal vorbei.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 13. Dezember 2022 um 13:54 Uhr.