Arbeitssuchende stehen an dem Stand eines Arbeitgebers auf einer Jobmesse in Wuhan, China.

Wirtschaftslage in China Die verzweifelte Suche nach Arbeit

Stand: 07.03.2023 10:58 Uhr

Chinas Wirtschaft hat stark unter den Corona-Lockdowns gelitten. Doch obwohl der Jobmarkt laut Regierung besser dasteht als erwartet, finden viele nur schwer einen Job - gerade junge Leute und Niedrigqualifizierte.

Die wöchentliche Jobmesse im Bezirk Changping, etwa 40 Kilometer außerhalb des Pekinger Stadtzentrums, zieht viele Leute an. Arbeitsuchende und Anbieter von Jobs haben sich am Morgen vor einem Gebäude der Bezirksverwaltung versammelt, in dem die Messe stattfindet. Manche haben sich Schilder mit Gesuchen umgehängt, andere verteilen Flugblätter mit Jobangeboten.

"Während der Pandemie sind die Bestellungen zurückgegangen", sagt ein 50 Jahre alter Fabrikarbeiter. "Ich werde nach Leistung bezahlt, also habe ich weniger verdient. Auch jetzt gibt es immer noch weniger Arbeit, das Gehalt ist sehr niedrig. Deshalb will ich einen Nebenjob finden." Fabriken bieten aber nur selten Jobs an, gesucht werden eher Putzkräfte in Restaurants oder Wachleute, sagt er.

Wenig gefordert, nichts bekommen

Die 34-jährige Liu Jing war in diesem Jahr schon mehrfach hier bei der Jobbörse in Changping. Auch heute hat sie keine Arbeit gefunden, sagt sie. Dabei habe sie gar keine besonderen Vorstellungen: Arbeitszeiten am Tag und ein Gehalt von 3000 bis 4000 Yuan - in etwa 400 bis 500 Euro im Monat. 

"Entweder man muss bereit sein, Überstunden zu machen, oder bis spät am Abend zu arbeiten, dann kann ich mich aber nicht um meine beiden Kinder kümmern - oder man verdient eben sehr wenig", sagt sie. Die Arbeitgeber hätten hier hohe Anforderungen, besonders an die Ausbildung. "Ich war früher Verkäuferin in einem Kaufhaus. Aber während Corona mussten die Kinder zu Hause bleiben, niemand hat sich um sie gekümmert. Dann musste ich meinen Job aufgeben."

Kleine Betriebe ringen um Mitarbeiter

Ein paar Meter daneben verteilt Liu Xiaofeng Flugblätter. Der 40-Jährige sucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für seine Firma, ein kleines Unternehmen, das Zahnreinigungen und Mundpflege anbietet. Während Corona mussten sie zeitweise schließen und Mitarbeiter entlassen. Aber weiter Miete und Strom bezahlen - eine große Belastung, so Liu.

"Junge, gut ausgebildete Leute wollen jetzt eher zu besseren Unternehmen, wo mehr los ist. Für uns als kleiner Betrieb ist es sehr schwer, Angestellte zu finden", sagt er. "Während der Pandemie waren ja alle eingesperrt, aber jetzt nach der Öffnung dachte ich, würden mehr Leute Arbeit suchen." Tatsächlich seien es aber weniger als noch in den Jahren zuvor.

Nach drei Jahren strikter Null-Covid-Politik und der anschließenden abrupten und weitgehend unvorbereiteten Öffnung steckt Chinas Wirtschaft in der Krise. Gerade viele Niedrigqualifizierte und junge Leute sind auf Jobsuche: Vergangenes Jahr inmitten der Lockdowns war jeder Fünfte zwischen 16 und 24 ist ohne Job. Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt. In diesem Jahr werden allerdings mehr als elf Millionen Hochschulabsolventen auf dem Jobmarkt strömen - so viele wie noch nie.

Regierung: Haben alles im Griff

Auf dem derzeit laufenden Nationalen Volkskongress versucht die kommunistische Regierung, Zuversicht zu verbreiten. Ministerpräsident Li Keqiang gesteht zwar ein, dass es Probleme gibt. Aber die Kommunistische Partei habe alles im Griff. Laut seinem Arbeitsbericht werden fünf Prozent Wirtschaftswachstum für dieses Jahr angestrebt, nach drei Prozent im vergangenen Jahr. Zwölf Millionen neue Jobs in den Städten sollen geschaffen werden. Die Arbeitslosenquote dort soll 5,5 Prozent nicht überschreiten.

Von dem Optimismus der Staats- und Parteiführung kann man ein wenig auch auf der Jobmesse in Changping spüren, aber nicht draußen auf der Straße, sondern drinnen auf der eigentlichen Jobmesse. Hier sitzen Vertreter von Arbeitgebern an Schreibtischen, über ihnen hängen Monitore mit den Jobangeboten. Auch Staatsbetriebe sind hier vertreten.

"Wir brauchen noch mehr Mitarbeiter"

"Jetzt gibt es nicht nur Jobbörsen vor Ort, sondern auch online", sagt diese Frau, die Mitarbeiter für einen staatlichen Betrieb sucht. "Jeder Bezirk und Kreis hat ein öffentliches Dienstleistungszentrum. Sie bieten einen sehr guten Service. Vergangenes Jahr haben wir durch ihr Social-Media-Konto auch viele Leute eingestellt." In diesem Jahr laufe es sehr gut, sagt sie. "Manchmal haben wir viele Bestellungen, wir brauchen noch mehr Mitarbeiter."

Eine 30-jährige Frau verlässt die Jobmesse enttäuscht. Auch sie hat heute wieder nichts Passendes gefunden. 40 Stunden in der Woche und zwei Tage Wochenende seien für sie gerade kaum zu finden. "Es gibt viele Jobs, aber es ist eben von den persönlichen Bedingungen abhängig", sagt sie. Für gut Ausgebildete sei es leicht - aber sie habe keine gute Ausbildung und müsse sich noch um ihre Kinder kümmern. "Es ist schon schwer, eine passende Stelle zu finden."

Benjamin Eyssel, Benjamin Eyssel, ARD Peking, 07.03.2023 09:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 07. März 2023 um 12:20 Uhr.