Arbeiter mit Mundschutz stehen in Nairobi (Kenia) in Sicherheitsabstand zueinander an, um ihre Arbeitsverträge verlängern zu lassen. | dpa

Corona-Folgen für Afrika Die ärmsten Länder trifft es hart

Stand: 18.05.2021 12:21 Uhr

Afrika erlebt wegen der Pandemie die erste Rezession seit Jahrzehnten. Die Folge könnte eine neue Schuldenspirale in einigen Ländern des Kontinents sein - zu Lasten der Ärmsten.

Sabine Krebs, ARD-Studio Nairobi

In Paris findet heute auf Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein Gipfeltreffen zwischen zahlreichen afrikanischen Staatschefs und europäischen Politikern statt. Etwa die Hälfte der Teilnehmer kommt nach Paris. Die andere Hälfte nimmt per Videokonferenz teil. Ebenso sind Vertreter von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) dabei. Es geht um die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise in Afrika - und darum, wie sich der private Sektor stärken lässt, damit Arbeitsplätze entstehen.

Sabine Krebs ARD-Studio Nairobi

Die Pandemie hinterlässt tiefe Spuren

Der Kontinent ist arg gebeutelt, laut IWF benötigen etliche Staaten dringend zusätzliche finanzielle Unterstützung. Es droht ein massiver Abwärtstrend, Rohstoffländern wie Angola, Gabun oder Sambia sind die Absatzmärkte weggebrochen. Corona hat überall Spuren hinterlassen. Der Tourismus, ein wichtiger Wirtschaftszweig in einigen afrikanischen Ländern wie etwa Südafrika, ist massiv eingebrochen. Unzählige Betriebe sind in der Krise, die Luftfahrtindustrie hat große Probleme, die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau.

Einkommen der meisten Menschen gesunken

"Seit dem Ausbruch von Covid haben wir in sechs afrikanischen Ländern Umfragen durchgeführt, die die gesamte afrikanische Bevölkerung in Kenia, Nigeria, Elfenbeinküste, der Demokratischen Republik Kongo, Südafrika und Mosambik repräsentieren", sagt Frankline Kibuacha vom Meinungsforschungs-Unternehmen Geopoll. Zwischen März und April dieses Jahres sei zu beobachten gewesen, dass das Einkommen der meisten Menschen schrumpfte. "Mindestens 66 Prozent haben angegeben, dass ihr Einkommen gesunken ist."

Erstmals seit 25 Jahren ist Afrikas Wirtschaft 2020 geschrumpft. In diesem Jahr rechnet der IWF mit einem Minus von 1,6 Prozent. Mit verheerenden Auswirkungen: Dadurch erhöht sich die Zahl der Menschen in extremer Armut. "Die afrikanischen Volkswirtschaften sind extrem stark betroffen. Es war eher ein ökonomischer denn ein gesundheitlicher Notfall", sagt Aly-Khan Satchu, Chef der Anlageberatungs-Firma Rich Management mit Sitz in Kenia. "Afrika hat die erste Rezession seit zwei Jahrzehnten." Es seien auf dem gesamten Kontinent viele Arbeitsplätze verloren gegangen. "Afrika ist schon mit extrem hohen Schulden in die Pandemie gegangen. Man ging von einem Wachstum aus, aber das kam im Wesentlichen zum Stillstand."

Kredite aus China - zu hohen Zinssätzen

Zum Beispiel Kenia: Das Land gehört zu den größten Volkswirtschaften in der Region ist und einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands. Kenianischer Kaffee, Tee, Schnittblumen - all das sind wichtige Exportgüter. Doch die Nachfrage ist während der Pandemie massiv eingebrochen. Noch wird das ostafrikanische Land als kreditwürdig eingestuft. Aber wenn Schulden mit Schulden bezahlt werden, könnte Kenia wie einige andere afrikanische Länder in eine regelrechte Spirale gelangen.

Seit 2016 hat sich die Staatsverschuldung hier ungefähr vervierfacht, die öffentliche Hand ist schon jetzt mit 70 Milliarden Dollar in der Kreide und will weitere Schulden aufnehmen. Nicht zuletzt für einen kreditfinanzierten Bauboom, Straßen, Brücken, Häfen - all das entsteht mit Unterstützung Chinas, wie vielerorts in Afrika.

"China ist so etwas wie der Elefant im Raum", sagt Aly-Khan Satchu. Das asiatische Land habe jahrelang riesige Summen zu sehr hohen Zinssätzen verliehen. "Jetzt haben wir ein sehr kompliziertes Problem. Vor zehn Jahren waren die Geldgeber noch multilaterale Institutionen und G7-Länder. Heute haben wir andere Akteure. China handelt nicht multilateral, sondern auf individueller Basis."

Fünf Länder praktisch bankrott

Im schlimmsten Fall könnten Länder wie Kenia in die Krise stürzen, in der sich andere schon befinden. IWF und Weltbank haben mehr als ein Dutzend afrikanischer Länder als Hochrisikoländer eingestuft, fünf davon als quasi zahlungsunfähig.

Beispiel Sambia: Das Land gilt mit 18 Milliarden Dollar Schulden als bankrott, zwölf Milliarden gehören dabei ausländischen Gläubigern. Allein 40 Prozent des Staatshaushaltes muss die Regierung für die Bedienung von Schulden aufwenden. Die Währung hat seit 2020 gegenüber dem Dollar fast 40 Prozent verloren. Die Corona-Krise hat die Entwicklung beschleunigt, Sambia ging es vorher schon schlecht. Das Land hat Schwierigkeiten Gehälter zu zahlen, soziale Ausgaben zu finanzieren und Investitionen zu tätigen.

Vieles wird auch in Afrika nicht mehr so sein wie vor der Krise. Jedes einzelne Land hat mit ganz individuellen Problemen zu kämpfen - aber der afrikanische Kontinent ist und bleibt vorerst viel verwundbarer als Europa und die USA.

Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 18. Mai 2021 um 11:00 Uhr.