Wasserstoffbus in Münster (Archivbild: 2021)

Studie zu EU-Infrastruktur Der weite Weg zum Grünen Wasserstoff

Stand: 22.09.2023 18:33 Uhr

Grüner Wasserstoff gilt als zentraler Baustein der Energiewende. Eine Studie sieht großes Potenzial. Doch in der EU müsse besser zusammengearbeitet werden - und Deutschland hinke in manchem hinterher.

Von Martin Rottach, SWR

Vor etwas mehr als einem Jahr, am 30. Juni 2022, war die Aufbruchsstimmung beim Spatenstich auf der Friesenheimer Insel in Mannheim spürbar: Grüner Wasserstoff für die gesamte Rhein-Neckar-Region, das ist das Ziel und die Hoffnung des dortigen Wasserstoffprojekts. Es wird unter anderem vom Bund mit 100 Millionen Euro gefördert.

Heute ist die Abfüll- und Verdichtungsanlage für den Rohstoff der Zukunft fast fertig. Sie soll bald in Betrieb gehen, Wasserstoff reinigen und für die Abfüllung in Tankwagen verdichten.

Außerdem soll der Wasserstoff vor Ort auch hergestellt werden. Zahlreiche Elektrolyseure befinden sich derzeit im Bau, genauso fünf Tankstellen, an denen der Wasserstoff künftig in Busse und Logistikfahrzeuge geladen werden soll. Im Jahr 2024 solle alles fertig sein, sagt Tilman Krauch, der Vorstandsvorsitzende des Vereins "Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar".

"Meilenstein der Wasserstofftechnologie"

Er nennt sein Projekt einen "Meilenstein der Wasserstofftechnologie" - "weil wir das hier können: die Elektrolyse plus die Verteilung plus die Verwendung plus die kommunale Akzeptanz". Das sei bisher einmalig in Deutschland.

Krauch, der von seinen Kollegen auch "Mister Wasserstoff" genannt wird, betont die Wichtigkeit von grünem Wasserstoff als Beitrag zur Energiewende. Dieser könne vieles leisten, was die Batterie nicht leisten kann, sagt der Experte.

Deutschland könne Nachfrage nicht decken

Dass man Wasserstoff transportieren und speichern kann, ist eine seiner wichtigsten Eigenschaften. Das macht Wasserstoff unter anderem in der Industrie einsatzfähig, aber auch in Schiffen, Flugzeugen und größeren Fahrzeugen.

Das Potenzial und der Bedarf in Deutschland sei riesig, sagt Krauch, vor allem auch in der Rhein-Neckar-Region mit ihrer Industrie. So viel Wasserstoff könnten sie künftig kaum allein herstellen. "Wir haben festgestellt, dass wir einen enormen Importbedarf in der Region haben werden." Deshalb sei es wichtig, nicht nur auf die eigene Produktion zu setzen, sagt Krauch weiter, sondern auch über Ländergrenzen hinweg Importkapazitäten für den grünen Wasserstoff aufzubauen.

Wasserstoffimport wird wichtig

Auch Jakob Wachsmuth vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) geht davon aus, dass der Wasserstoffimport künftig eine große Rolle spielen wird. Er beruft sich dabei auf eine Studie, die er in Kooperation mit Autorinnen und Autoren des RIFS (Research Institute for Sustainability) Potsdam und der Deutschen Energie-Agentur erstellt hat. Deutschland wird demnach künftig eine etwa doppelt so hohe Nachfrage an erneuerbaren Energien haben, als es selbst produzieren könne.

"Wir brauchen ja erneuerbaren Strom, um ihn direkt zu nutzen in der Industrie, in Wärmepumpen, und weiteren Anwendungen. Und wenn wir dann auch noch unseren Wasserstoff selbst produzieren wollen, dann kommen wir sehr schnell an unsere Grenzen", sagt Wachsmuth und weist damit auf ein weiteres Problem hin - die Schwierigkeiten beim derzeitigen Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland.

Strategie noch unter Merkel auf den Weg gebracht

Die Autoren der Studie ziehen deshalb das Fazit, dass Deutschland auch künftig auf Energie- und Wasserstoffimporte angewiesen sein werde. Eine engere Kooperation innerhalb der EU sei nötig, sagen die Forscherinnen und Forscher, denn Europa könne sich in Zukunft selbst komplett mit Wasserstoff versorgen. Vor allem Länder wie Spanien, Frankreich und Norwegen hätten dabei erhebliches Ausbaupotenzial.

Die Bundesregierung ist laut der Studie gut beraten, auf den Ausbau einer innereuropäischen Infrastruktur zu setzen. "Der Import per Pipeline ist immer die günstigere Variante und aufgrund der ausreichenden Potenziale in Europa, sagen wir, ist es eben wichtig, das auch innerhalb der EU auf den Weg zu bringen," sagt Wachsmuth.

Frühzeitig die richtigen politischen und finanziellen Weichen zu stellen, das ist die Forderung der Studienautorinnen und -autoren. Sowohl die Förderprogramme der Europäischen Union als auch Investitionen der einzelnen Regionen sollten sich den in der Studie aufgezeigten Potenzialen anpassen.

Habeck sieht Deutschland als Vorreiter

Nun hat der Bundestag über die Fortschreibung der Wasserstoffstrategie debattiert. Diese war bereits 2020 von der Regierung Merkel verabschiedet worden und soll nun mit einem "höheren Ambitionsniveau" weitergeführt werden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont: "Stahl zu produzieren, der durch Wasserstoff grün wird. Chemie zu produzieren, die grünen Wasserstoff nimmt und sich damit entkarbonisiert, all das wird die Produktion in diesem Land extrem steigern."

Die inländischen Elektrolysekapazitäten für grünen Wasserstoff sollen laut Habeck bis 2030 auf mindestens zehn Gigawatt ausgebaut werden. Dazu sollen noch in diesem Jahr die Ausschreibungen für weitere Elektrolyseure zur Herstellung des grünen Wasserstoffs in Deutschland starten. Außerdem soll ebenfalls noch in diesem Jahr eine Strategie für den Import von Wasserstoff veröffentlicht werden.

Deutschland sieht Habeck dank dieser Strategie als Vorreiter in Sachen Wasserstoff innerhalb Europas. Es gebe aber auch großer Bedarf an einer Zusammenarbeit innerhalb der EU. "Europa profitiert von der Vorreiterrolle, die Deutschland da eingenommen hat und Deutschland profitiert davon, wenn der Markt größer wird."

CDU: "Zu viel Gegeneinander"

Dem Oppositionspolitiker Andreas Jung von der CDU geht das nicht schnell genug. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung diese nationale Strategie vorantreibt, aber wir erwarten vor allem auch europäische Initiative." Vor allem brauche es die Kooperation mit Frankreich und Polen, sagt der Bundestagsabgeordnete.

Ziel sei es, sich bei der Importstrategie zusammenzutun, um die Potenziale aus Skandinavien, Spanien und Portugal gemeinsam zu nutzen. Das müsse besser werden. "Es ist zu viel Gegeneinander und zu wenig Miteinander. Es muss besser und schneller werden."