Ein Kunde steht vor einem Supermarktregal.

Phänomen "Skimpflation" Weniger Qualität bei höheren Preisen

Stand: 09.09.2023 09:02 Uhr

Unmut im Supermarkt: Erst stiegen die Preise, dann schrumpften die Packungsgrößen - und jetzt sinkt auch noch die Qualität. Zu Inflation und "Shrinkflation" gesellt sich die "Skimpflation".

Von Antje Erhard, ARD-Finanzredaktion

Hohe Kosten für Energie, Rohstoffe, Mitarbeiter, unterbrochene Lieferketten - dass Unternehmen diese Kosten an die Verbraucher weitergeben, merken Verbraucher vor allem in Supermärkten und Tankstellen. Doch in vielen Fällen stiegen nicht nur die Preise.

Häufig wurden auch Verpackungen kleiner. So kürte die Verbraucherzentrale Hamburg die Margarine Rama des Herstellers Upfield zur "Mogelpackung des Jahres 2022". Das Produkt schrumpfte von 500 auf 400 Gramm zum Preis von 2,19 Euro. So wurde es um 25 Prozent teurer. Dieses Phänomen wurde unter dem Begriff "Shrinkflation" bekannt.

Nun leidet auch die Qualität

Inzwischen ist die Inflation nicht mehr rekordhoch, doch im Supermarkt etabliert sich ein neuer Trend: die "Skimpflation". Das englische "skimp" heißt "knausern", "einsparen" und bedeutet: Hersteller erhöhen nicht nur die Preise, sondern senken auch die Qualität von Produkten. Den Begriff hat der US-TV-Sender NPR 2021 geprägt. "Auch in Großbritannien und Deutschland greift das Phänomen um sich", berichtet Sabine Hübner, Service-Expertin und Buchautorin, gegenüber tagesschau.de.

So haben Hersteller von Pommes Frites nach Beginn des Ukraine-Krieges 2022 Sonnenblumenöl durch Palmfett ersetzt, weil das Öl nicht mehr erhältlich war. "Was als Notlösung gedacht war, hat sich teilweise etabliert", erklärt Hübner. Obwohl Sonnenblumenöl längst wieder ausreichend verfügbar ist, kehrte nach ihren Angaben lediglich einer der untersuchten Hersteller wieder zu dem höherwertigen Produkt zurück.

Veränderte Zutaten nicht ausgewiesen

Besonders prekär sei, dass einige Hersteller die Änderung nicht auf der Verpackung ausgewiesen haben. Die Nährwerte passten nicht mehr zu den ursprünglichen Angaben. Außerdem sei Palmfett durch den höheren Anteil an gesättigten Fettsäuren ungesünder als Sonnenblumenöl.

Der Grund laut Hübner: Da neue Verpackungen nicht verfügbar waren, erhielten die Unternehmen eine Ausnahmegenehmigung. Statt in die Zutatenliste mussten die Hersteller lediglich in das Feld für das Mindesthaltbarkeitsdatum den Hinweis "enthält Palmöl statt Sonnenblumenöl" drucken. Der jedoch blieb von vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern unbemerkt.

Leider kein Einzelfall

Skimpflation gebe es häufig bei Lebensmitteln, erklärt Hübner. Diese Erfahrung teilt die Verbraucherzentrale Hamburg. Sie berichtet etwa von verschlechterter Qualität zum höheren Preis bei Schokolade, die bei Aldi Nord erhältlich sei:

"Bei den Sorten Chocolat Amandes Edel Marzipan Vollmilch sowie Chocolat Amandes Edel Marzipan Zartbitter werden jetzt nur noch 38 Prozent Edelmarzipan pro Schokoladentafel verarbeitet, vorher waren es 45 Prozent", monieren die Verbraucherschützer. Auch bei der Sorte Chocolat Amandes Marzipan sei der Anteil an Pistazienmarzipan und Nougat gesunken. Zugleich kosteten die beiden Sorten statt 1,49 € nun 1,69 Euro.

Auch beim Service wird gespart

Skimpflation bedeutet aber auch weniger Service. "Hier macht sich der Arbeitskräftemangel bemerkbar", sagt Expertin Hübner. Und das bringe den Kunden Einschränkungen: lange Wartezeiten bei Hotlines, weniger Bankfilialen und weitere Wege zur nächsten, lange Schlangen an Flughäfen durch weniger Sicherheitspersonal; Hotels, die die Zimmer nicht mehr täglich reinigen, Airlines, die weniger Handgepäck erlauben bei zugleich steigenden Ticketpreisen. In Restaurants bedienen weniger Service-Mitarbeiter die wartenden Gäste, in den Supermärkten bilden sich Schlangen vor den Kassen. "Das heißt, Kunden erhalten weniger Service, und die Mitarbeitenden müssen zugleich oft mehr arbeiten."

Dass Unternehmen versuchen, gestiegene Kosten weiterzugeben und Personalmangel auszugleichen, sei sachlich nachvollziehbar, sagt Hübner. Mitarbeiter zwecks Gewinnmaximierung einzusparen zu Lasten von Kunden oder Gästen, sei aber zu kurz gedacht. "Es ist anmaßend zu glauben, die Menschen merken das nicht. Wer sich betrogen fühlt, wendet sich vom Unternehmen oder der Marke ab."

Skimpflation bei Produkten schwer zu durchschauen

Grundsätzlich aber gebe es im Service eher Verständnis unter den Kunden, weiß Hübner. "Der Personalmangel ist bekannt, viele Menschen spüren das im eigenen Unternehmen." Trotzdem seien Transparenz und Ehrlichkeit gefragt: "Wenn zum Beispiel Restaurants deshalb einen zusätzlichen Ruhetag einplanen, an den anderen Tagen aber einen sehr guten Service bieten, ist beiden Seiten geholfen", rät Hübner. "Die Kunden spüren, wer ehrlich ist."

Im Supermarkt sei das anders: "Verbraucher können die heimlichen Zutaten-Änderungen kaum durchschauen", sagt Hübner. In den Sozialen Medien könnten sie sich immerhin informieren, Produkte vergleichen und eine andere Wahl treffen. "Verbraucher müssen aber auch agil genug sein, diese Optionen zu nutzen." Viele seien nicht mehr bereit, überhöhte Preise zu zahlen - beziehungsweise könnten es nicht. Die Markenloyalität nehme dadurch ab.

Eine Möglichkeit, sich zu wehren: Kundinnen und Kunden könnten Unternehmen und Produkte bewerten. "Durch die Sozialen Medien haben Kunden heute mehr Macht, die es zu nutzen gilt."