Stefan Immesberger steht vor seinem Eigenheim.
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Renovierungsbedürftige Häuser Energetische Sanierungen kommen nicht voran

Stand: 29.09.2023 08:25 Uhr

Hausbesitzer stoßen bei energetischen Sanierungen schnell an finanzielle Grenzen - zumal Bauen immer teurer wird. Preisbereinigt sind die Investitionen in Energieeffizienz seit 2011 sogar gesunken.

Von Hannah Stumpf, SR

Stefan Immesberger ist vor einem Jahr von Stuttgart zurück in sein Elternhaus im Saarland gezogen. Er hat gerade selbst eine Familie gegründet. Mit einem Kleinkind wurde die Wohnung in Stuttgart zu klein, deswegen haben er und seine Frau das Haus im saarländischen Quierschied übernommen. Es wurde in den 1980er-Jahren gebaut und ist gut gepflegt, in Sachen Energieeffizienz war es aber noch ausbaufähig.

Nach einer Energieberatung bei der Verbraucherzentrale hat er die Fenster für 20.000 Euro austauschen lassen. Bei der Außendämmung war dann aber Schluss. Sie hätte 40.000 Euro gekostet. Bei einer dickeren Außenwand wäre der Dachüberstand zu kurz gewesen. Deswegen hätte für zusätzliche 40.000 Euro das Dach angepasst werden müssen. Eine Investition, die sich für Immesberger erst nach 40 bis 50 Jahren gelohnt hätte - selbst bei hohen Energiekosten. "Das macht aus meiner Sicht keinen Sinn", sagt er. "Das war wirtschaftlich einfach nicht machbar."

Stefan Immesberger sitzt an einem Tisch und sieht in Unterlagen.

Hausbesitzer Immesberger: Sanierung war "wirtschaftlich einfach nicht machbar"

Gebäude für Klimaziele wichtig

Vielen Hausbesitzerinnen und -besitzern geht es offenbar ähnlich. Auch steigende Energiekosten und die Diskussion über klimafreundlicheres Wohnen haben die Deutschen nicht dazu gebracht, mehr in die Energieeffizienz ihrer Häuser zu investieren - im Gegenteil.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat zusammen mit dem Baudienstleister Heinze die Investitionen in energetische Sanierungen seit 2011 untersucht. Das Ergebnis: Zwar stiegen die jährlichen Ausgaben hierfür zwischen 2011 bis 2022 in absoluten Beträgen um fast 40 Prozent auf 67 Milliarden Euro. Doch rechnet man den Effekt gestiegener Preise in diesem Zeitraum heraus, zeigt sich: Die Investitionen in energetische Sanierungen lagen im vergangenen Jahr real um 13 Prozent unter dem Niveau von 2011.

Dabei ist gerade der Gebäudebereich enorm wichtig, wenn die Bundesregierung ihre Klimaziele erreichen will. Bis 2030 müssten hier laut dem Expertenrat für Klimafragen deutlich mehr Treibhausgase eingespart werden. Die DIW-Studienautorinnen und -autoren sehen hier noch viel offenes Potenzial, das durch mehr energetische Sanierungen ausgeschöpft werden könnte.

"Andere Dinge haben Vorrang"

Architektin Anja Diehl ist nicht überrascht, dass Hausbesitzerinnen und -besitzer bei der energetischen Sanierung Abstriche machen. "Ich habe sehr viele Projekte, die vor zwei Jahren geplant waren. Die sind aber wegen der hohen Nachfrage nicht umgesetzt worden. Und mittlerweile kosten sie das Doppelte."

Hohe Preise und Zinsen bei gleichzeitig sinkenden Förderungen - für die stellvertretende Vorsitzende der Gebäudeenergieberater Saarland e.V. eine extrem ungünstige Situation. Auch bei der saarländischen Malerinnung gehen die Auftragszahlen für Außendämmungen zurück. Man spüre, dass die Menschen derzeit ihr Geld zusammenhalten müssten.

Diesen Eindruck bestätigt Energieberaterin Diehl. "Die Leute wissen schon, dass Fenster, die 20 Jahre alt sind, vielleicht noch gut aussehen, aber energetisch eigentlich raus müssten. Aber das sind riesige Investitionen. Und dann haben eben andere Dinge Vorrang."

Heizungsstreit hat viele abgeschreckt

Nicht nur die Kosten schrecken Hausbesitzerinnen und -besitzer ab. Auch die politische Diskussion über das Gebäudeenergiegesetz, oft Heizungsgesetz genannt, habe viele verunsichert und entmutigt. "Es heißt dann oft, wir wollen erst mal abwarten, bis wir auch eine gesetzliche Sicherheit haben, was wir überhaupt tun müssen", so Diehl.

Roman Salm von der Innung Heizung, Sanitär, Klimatechnik Saarland hat durch die Diskussion über das Gebäudeenergiegesetz ebenfalls einen Einbruch festgestellt. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs habe es eine Welle von Anfragen nach neuen Heizungen gegeben. "Durch den Gesetzesstopp und die Sommerpause hat sich das Ganze dann wieder normalisiert, und wir können wieder normal arbeiten."

"Da muss wieder Ruhe reinkommen"

Energieberaterin Diehl warnt vor Schnellschüssen bei der energetischen Sanierung. Der Klimawandel werde spürbar und es müsse noch viel passieren, um die Klimaziele zu erreichen. Das bringe auch Hektik rein. "Dann wird vorgeprescht, auch seitens des Handwerks. Ich erlebe sehr oft, dass man mit dem Vorschlag einer sorgfältigen Analyse und Beratung nicht weit kommt, weil dann schon ein Angebot vom Verputzer oder vom Heizungsbauer da ist."

Viele Beratungsangebote seien deswegen nicht zielführend. Hausbesitzerinnen und -besitzer hätten oft keinen Überblick mehr, in was sie investieren sollen. "Das muss man sortiert einsammeln und da muss unbedingt wieder Ruhe reinkommen", so Anja Diehl. Wichtig sei eine Energieberatung, die das Haus im Ganzen betrachtet. Sofort die Heizung oder den Energieträger auszutauschen, sei immer falsch.

Mehr Kapazitäten durch Einbruch des Neubaus?

Energetische Sanierungen haben sich der DIW-Studie zufolge in den vergangenen Jahren deutlich schlechter entwickelt als etwa der Neubau. "Es fehlte in der Bauwirtschaft in den vergangenen Jahren schlicht an Kapazitäten", so die Studien-Co-Autorin Katrin Klarhöfer von der Heinze GmbH. "Und der Neubau war für die Unternehmen im Zweifel lukrativer."

Mittlerweile werde deutlich weniger neu gebaut, also blieben mehr Kapazitäten für energetische Sanierungen. Darin könnte auch eine Chance liegen. Doch um die Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase zu erreichen, müsste innerhalb kurzer Zeit um ein Vielfaches mehr saniert werden - so die Studienautorinnen und -autoren. Die Herausforderung bleibe also gewaltig.