Ein Landwirt erntet Bio-Möhren auf einem Feld.

Ökologische Landwirtschaft Absatzschwund bringt Biobauern ins Grübeln

Stand: 02.04.2023 14:10 Uhr

Erstmals seit Jahren sinken die Umsätze von Bioprodukten. Manche Bauern kehren der Öko-Landwirtschaft den Rücken und setzen wieder auf konventionelle Erzeugung. Gerät die Erfolgsgeschichte ins Stocken?

Jahrelang ging es in der Bio-Welt nur in eine Richtung: aufwärts. Mehr Umsatz, steigende Gewinne, immer mehr Landwirte, die auf Bio setzten. Doch nun scheint es damit vorbei zu sein. Immer mehr Bauern wollen wieder konventionelle Landwirtschaft betreiben.

"Die Ära ist zu Ende"

So etwa die Pöhls in Freiensteinau: Jenny und Hajo Pöhl schrauben das Bioland-Schild an ihrem Stall ab. "Die Ära ist zu Ende, nach zehn Jahren wollen wir nicht mehr", sagt Milchbäuerin Jenny Pöhl, und es klingt nicht so, als würden sie es bereuen. Anfang des Jahres sind sie zur konventionellen Landwirtschaft zurückgekehrt.

Und das, obwohl sie dann elf Cent pro Liter weniger von der Molkerei bekommen als bisher. Das klingt auf den reinen Milchpreis gesehen erstmal nach weniger Einnahmen. Doch gleichzeitig sind die Einsparungen deutlich höher: "Das Futter kostet nur noch die Hälfte dessen, was wir beim Biofutter gezahlt haben."

Auflagen erschweren die Arbeit

Beim Rapsschrot ist es die Hälfte der Kosten, dafür mehr Ertrag bei gleicher Fläche. Das liege natürlich an den Düngemitteln, erklärt Hajo Pöhl. "Aber ich muss auch meinen Ertrag absichern. Das war in den vergangenen Jahren für unseren Hof schwierig."

Dass ihr Enthusiasmus für Bio-Landwirtschaft über die Zeit verloren ging, hat nicht nur wirtschaftliche Gründe. Die Öko-Richtlinien, zu denen über die Jahre mehr und mehr Auflagen hinzukamen, erschwerten die Arbeit. Darum kehren immer mehr Bauern dem Öko-Landbau den Rücken.

Jeder siebte Hof ist Bio

Für Gerold Rahmann, Präsident des Thünen-Institut für Ökologischen Landbau, ist das keine Überraschung: Sobald es sich nicht mehr rechne, würden diesen Schritt noch mehr Bauern in Deutschland gehen. Trotzdem: In der Summe sei der ökologische Landbau enorm wettbewerbsfähig, sagt der Agrarökonom.

Jeder siebte Hof in Deutschland wird inzwischen ökologisch bewirtschaftet. Und die Einkommen für die Biobauern fallen statistisch gesehen höher aus. Der Hauptgrund dafür ist die Öko-Prämie. Doch das Thünen-Institut hat festgestellt, dass oft der Standort darüber entscheidet, ob sich Bio-Landbau oder konventionelle Landwirtschaft rechnet. Und Milchhalter, die einen Bio-Hof haben, sind beim Verdienst deutlich schlechter gestellt als ihre Kollegen, die einen Bio-Ackerbau betreiben.

Dazu gesellt sich ein weiteres Problem: Im vergangenen Jahr ging der Umsatz in der Bio-Branche erstmals seit Jahren um 3,5 Prozent zurück. Rahmann sieht daran aber kein Tief, sondern nur eine Flaute: "Viele Menschen aßen in der Corona-Zeit zu Hause, hatten Geld für Bio-Lebensmittel. Jetzt gehen wieder mehr Menschen in die Kantinen, und der Absatz hat sich wieder normalisiert."

Discounter profitieren vom Boom

Hinzu komme die hohe Inflation. Darunter leidet vor allem der klassische Bio-Fachhandel. Der Umsatz ging von 2,34 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 2,13 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zurück - ein Minus von neun Prozent. Erfolgsgeschichte schreiben dagegen Supermärkte und Discounter: Sie konnten ihre Erlöse um 3,2 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro erhöhen. Dabei erhöhten sie auch kontinuierlich ihr Bio-Sortiment, ihr Anteil liegt inzwischen bei 62 Prozent.

Dass Verbraucher mehr und mehr zu den günstigeren Bio-Handelsmarken greifen, hält Rahmann für richtig: "Nur so kann ökologischer Landbau gesteigert werden. Fachmärkte allein machen das nicht." Die Bundesregierung hat dafür ein klares Ziel ausgerufen: Bis 2030 sollen 30 Prozent der Fläche in Deutschland Öko-Landbau sein. Das entspräche einer Fläche von fünf Millionen Hektar. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Anfang 2022 wurden gerade mal 1,8 Millionen Hektar ökologisch bewirtschaftet.

Tierwohl ohne Bio

Im Melkstall bei Landwirt Pöhl bereuen sie den Schritt zurück nicht. Ihre Kühe stehen in einem Freiluftstall, im Frühjahr kommen sie auf die Weide. Die Kälbchen werden bei den Mutterkühen großgezogen. "Ob Bio oder nicht, alles läuft wie bisher im Stall," sagt Jenny Pöhl. "Die Haltungsformen, die wir hier im Betrieb umgesetzt haben, haben sich etabliert", so ihr Mann.

Die Preis-Statistik zeigt den Marktdruck. Und sie gibt ihrer Entscheidung recht: Bio-Produkte stiegen im vergangenen Jahr im Preis um durchschnittlich 6,6 Prozent; konventionelle Ware dagegen um mehr als zwölf Prozent.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der HR in der Sendung Mex am 15.03.2023 um 20:15 Uhr.