Die Twitter-Zentrale in San Francisco

Twitter vor Veränderungen Freier oder gebratener Vogel?

Stand: 02.11.2022 15:13 Uhr

Musk hat Twitter übernommen und direkt damit begonnen, die Plattform umzubauen. Was ändert sich? Wird es zum Vorteil des Konzerns sein? Und kehrt Trump zurück auf die Plattform?

Der Vogel ist frei, hat Elon Musk letzte Woche getwittert. Aber es gibt Experten, die das anders sehen. Der Vogel werde eher gebraten, sagt zum Beispiel der Marketing-Professor und Tech-Experte Scott Galloway bei CNN. Es ist viel passiert in Musks ersten Twitter-Tagen. Doch was heißt das im Einzelnen?

Hassrede und Fake News

Beides hat bei Twitter direkt nach Musks Übernahme zugenommen, das ergeben verschiedene Untersuchungen. Auch Musk selbst hatte am Wochenende eine Verschwörungserzählung über den Angriff auf den Mann der US-Politikerin Nancy Pelosi auf Twitter verbreitet, später aber wieder gelöscht. Musk will einen sogenannten "Moderationsrat" einführen. So etwas gibt es auch schon bei Meta: das sogenannte Oversight Board für Facebook und Instagram. Menschen aus diversen Lagern sollen über Regeln für die Löschung von Tweets oder das Sperren von Accounts entscheiden.

Bis der Rat steht, soll sich an den Regeln nichts ändern, das hat Musk angekündigt. Allerdings sollen Twitter-Mitarbeitende, die sich um Hasspostings und Desinformation kümmern, gerade nur noch eingeschränkten Zugriff auf ihre internen Systeme haben. Das berichtet die Agentur Bloomberg. Die Zugriffrechte sind aber wichtig, um Content zu moderieren oder löschen zu können. Am Dienstag wird in den USA gewählt. Wahlen waren für Twitter schon immer eine Herausforderung, selbst mit funktionierenden Tools. Wer Desinformation rund um die Midterms verbreiten möchte, hat es in diesem Jahr vermutlich leichter.

Verifizierte Accounts sollen Geld kosten

Verifizierte Zugänge erkennt man am blauen Haken. Sie sind deshalb wichtig, weil sie die Echtheit eines Accounts bestätigen und eine Information glaubwürdiger machen. Wer weiter verifiziert bleiben will, soll dafür künftig zahlen. Erst kursierte das Gerücht über 20 Dollar, jetzt sollen es acht Dollar im Monat werden - das hat Musk getwittert. Der Preis kann aber von Land zu Land variieren. Der blaue Haken soll Teil der kostenpflichtigen Twitter-Version werden.

Das hieße, dass die Verifikation möglicherweise käuflich würde - bisher musste man sich darum bewerben und war an inhaltliche Kriterien geknüpft. Twitter ist aber vor allem deshalb wertvoll, weil sich hier viele verifizierte Accounts Politikerinnen Politiker, Promis, Behörden, Medien direkt äußern. Wenn sich jeder einen blauen Haken kaufen kann, verspielt Musk das sowieso schon sehr beschädigte Vertrauen in die Plattform. Allerdings hat Musk jetzt angekündigt, sich für eine Entscheidung über das Thema Verifizierung noch Zeit zu lassen.

Das Werbegeschäft und der Trump-Account

Die Einnahmen, die sich mit dem Verkauf von Werbung generieren lassen, schwächeln gerade enorm. Das merken auch Riesen wie Meta oder Google. Für Twitter ist Werbung die wichtigste Einnahmequelle. Konzerne wie General Motors haben angekündigt, erst mal nicht weiter über Twitter zu werben. Aktivisten haben auch andere Firmen dazu aufgefordert. Wenn Twitter weiter oder sogar mehr Geld verdienen möchte, dann nur mit ausreichender Content-Moderation. "Wer keine Content-Moderation will, soll zu Plattformen wie 4-Chan gehen", sagt dazu Marketing-Experte Galloway bei CNN und verweist auf Konkurrenzangebote am rechten Rand: "Netzwerke wie Parler oder Gettr, die vorgeben, User von der 'linken Zensur' befreien zu wollen, machen kein Geld."

Der Twitter-Zugang des früheren US-Präsidenten Donald Trump ist noch nicht wieder aktiviert. Trump hat auch gesagt, dass er lieber auf seinem eigenen Netzwerk Truth Social bleiben möchte. Musk hatte die Sperre des Trump-Accounts als falsch bezeichnet. Galloway schätzt allerdings, dass Musk Trump trotzdem nicht zurückholen werde - aus einem einfachen Grund: Musk sei ein Narzist, der das Rampenlicht nicht gerne teile.

Das Personal und der Chef

Die Mitarbeitenden bei Twitter sind offenbar sehr verunsichert. Die ehemalige Führungsspitze wurde schon am ersten Tag gefeuert; jetzt halten sich Gerüchte über weitere bevorstehende Entlassungen. Zwischen 50 und 75 Prozent des Personals könnte das betreffen, heißt es. Fakt ist: Twitter schreibt rote Zahlen. Personal ist ein großer Kostenfaktor. Musk hat mittlerweile den Verwaltungsrat aufgelöst, einziger neuer Direktor ist er selbst.

Der neue Twitter-Besitzer und -Chef könnte in Interessenkonflikte geraten. Was, wenn zum Beispiel China Auflagen für den Verkauf von Musks Teslas-Autos macht - sie etwa davon abhängig macht, ob die Regierung Daten von Twitter-Nutzenden bekommt? Musk war Montagabend auf der Halloweenparty von Heidi Klum, verkleidet als Krieger mit einer roten Rüstung. Die wird er wohl anbehalten müssen. Denn die Kritik wird lauter: Es werde sehr schnell sehr hässlich.

Nils Dampz, Nils Dampz, ARD Los Angeles, 02.11.2022 11:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 02. November 2022 um 13:54 Uhr.