Montage von Getrieben für Panzer bei der Firma Renk.
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Panzergetriebe-Hersteller geht an Börse Rüstungsfirmen auf Investorensuche

Stand: 07.02.2024 08:23 Uhr

Der Augsburger Rüstungszulieferer Renk will im zweiten Anlauf an die Börse gehen. Auch wenn das Geschäft der Branche boomt - Investoren zu finden, ist für Firmen weiterhin nicht leicht.

Von Antje Erhard, ARD-Finanzredaktion

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 stellte sich mit einem Schlag die Sicherheitsfrage in Europa neu. Der Angriff hatte die Verwundbarkeit des Kontinents - auch Deutschlands - offenbart. Deswegen muss jetzt dringend investiert werden, fordern Experten.

"Deutschlands Ambitionen, die schlagkräftigste Armee Europas zu stellen, stehen im Missverhältnis zu den bereitgestellten Ressourcen", moniert Christian Mölling, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der DGAP und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung, im Gespräch mit tagesschau.de. Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro reiche als Investition nicht. "Damit ist die Zeitenwende erst halb gelungen."

Große Lücke bei den NATO-Ländern

Laut ifo-Institut liegt die Lücke zu den zwei Prozent Wirtschaftsleistung, die jedes NATO-Mitglied jährlich in Verteidigung investieren soll, für die Jahre 2026 bis 2029 durchschnittlich bei 25 Milliarden Euro. In Deutschland fressen Inflation und milliardenschwere Zinszahlungen Teile des kreditfinanzierten Bundeswehr-Sondervermögens auf.  

Es gebe neue Herausforderungen, sagt Forscher Mölling. Man dürfe sich nicht allein auf die NATO-Partner verlassen: Deutschland und Europa müssten sich um die eigene Verteidigung selbst kümmern - egal, wer künftig im Weißen Haus regiere. "Wir sehen ja schon jetzt, dass die Mehrheiten im US-Kongress Verteidigungsausgaben verhindern." Die Vereinigten Staaten erwarteten auch Partner, die stark genug sind, selbst eine Hilfe darzustellen.

Billionen für die Rüstung

2022 haben die Staaten weltweit eine Rekordsumme ins Militär investiert: insgesamt 2,2 Billionen Dollar. Europa ist die Region, in der das SIPRI-Institut zur Erforschung von gewaltsamen Konflikten, Sicherheit und Frieden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die größte Steigerung feststellte: 13 Prozent. Die höchsten Rüstungsausgaben haben die USA, gefolgt von China und Russland. Deutschland rangiert auf Rang sieben.

Die SIPRI-Daten zeigten allerdings auch, dass die Nachfrage nach Waffen durch die geopolitische Lage zwar hoch ist; dass die 100 größten Waffenhersteller der Welt 2022 allerdings 3,5 Prozent weniger verkauft haben - hauptsächlich wegen Lieferkettenproblemen und fehlender Mitarbeiter, was vor allem kleinere Unternehmen betraf.

Deutsche Rüstungsgüter gefragt

Indes sind die Umsätze bei bei den großen deutschen Konzernen Airbus und Rheinmetall gestiegen. Die deutschen Rüstungsunternehmen gelten weltweit als hoch spezialisiert und haben einen guten Ruf. Sie sind auf dem Markt entsprechend gefragt und mussten ihre Produktion deshalb sogar ausweiten.

Das Unternehmen Renk aus Augsburg gehört zu diesen spezialisierten Herstellern und ist Weltmarktführer für Panzergetriebe. Die Firma mit zuletzt mehr als 3.400 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 850 Millionen Euro fertigt zu 70 Prozent für die Rüstungsindustrie. In den ersten neun Monaten des vergangenen Geschäftsjahres verbuchte Renk 24 Prozent mehr Aufträge als im Vorjahreszeitraum.

Russland rüstet schneller auf

"Bei vielen Unternehmen der Rüstungsindustrie ist angekommen, wie groß der Bedarf ist", sagt Christian Mölling. Einige seien mit entsprechenden Investitionen ins Risiko gegangen. Doch Rüstungsprojekte bräuchten in Deutschland von der Entwicklung bis zur Umsetzung zwölf bis 15 Jahre, rechnet der Experte vor.

Das ist zu langsam, um mit einem potenziellen militärischen Gegner Russland mitzuhalten. "Jüngste Schätzungen gehen aber davon aus, dass lediglich drei bis fünf Jahre vergehen vom Ende der Hauptkampfhandlungen in der Ukraine, bis Russland seine Armee wieder so aufgebaut hat, dass sie eine Bedrohung für die NATO ist. Wir müssen uns auf einen möglichen Konflikt mit Russland einstellen."

Schwierige Suche nach Geldgebern

Um das Tempo anziehen zu können, gelten Investitionen in Rüstung als entscheidend - aber Investoren seien schwer zu finden, am schwierigsten in Deutschland, berichtete Renk-Chefin Susanne Wiegand kürzlich auf der Sicherheitskonferenz des "Handelsblattes". Sie hat nach eigenen Angaben rund 600 Investorengespräche geführt.

Experte Mölling bestätigt das. Einige Rüstungsfirmen berichteten, dass ausgerechnet die sogenannten ESG-Kriterien zur Nachhaltigkeit negative Auswirkungen auf ihre geschäftliche Entwicklung hätten. "Die Kriterien hinterlassen einen negativen Fußabdruck bei ihren Banken und Zulieferern. Der Betrag zum Staatsziel Verteidigung wird negativ bewertet", sagt Mölling. Hier sieht er Optimierungsbedarf in der EU. "Man kann Verteidigung nicht mit Tabak vergleichen."

Eine Frage der Lieferfähigkeit

Insgesamt, so berichten Branchenkenner, habe sich aber die Wahrnehmung der Rüstungsindustrie seit Februar 2022 gewandelt. Trotz steigender Militärausgaben in vielen Ländern der Welt sei die Lieferfähigkeit der Rüstungsunternehmen ein Problem, denn sie seien oft hochspezialisiert, in Nischen tätig und produzierten keine hohen Stückzahlen.

Die Frage sei daher, wie schnell nachgefragte Produkte in der gewünschten Qualität zu den geplanten Kosten geliefert werden können. Hier stießen gerade kleinere Unternehmen schnell an ihre Grenzen: Die Fertigung dauert, auch wenn die Produkte längst entwickelt sind.

Rüstungs-Aktien erleben Boom

Eine Möglichkeit, um schneller zum Ziel zu kommen, sind finanzielle Engagements. Rüstungsunternehmen erleben an der Börse mehr Nachfrage: Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich der Kurs von Rheinmetall mehr als verdreifacht. Hensoldt-Aktien, erst seit dreieinhalb Jahren börsennotiert, verdoppelten ihren Wert seit Kriegsausbruch.

Renk geht heute an die Börse. Dabei erwirbt KNDS - ein Zusammenschluss der Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann und Nexter - für 100 Millionen Euro Renk-Aktien und erhält einen Platz im Aufsichtsrat. Er ist einer der größten Kunden von Renk. Der Vermögensverwalter Wellington Management kauft für weitere 50 Millionen Euro Anteile.

Kleinanleger bleiben außen vor

Der Hersteller Renk wollte ursprünglich bereits im Oktober 2023 - genau 100 Jahre nach seinem ersten Börsengang 1923 - auf das Parkett zurückkehren. Doch das Unternehmen sagte die Pläne wenige Stunden vorher ab.

Den neuen Versuch gestaltet Renk anders: Statt eines öffentlichen Angebots wie im Oktober setzt Renk auf eine sogenannte Privatplatzierung. Das heißt, Anteile werden nur an einen bestimmten Investoren-Kreis abgegeben. Die Öffentlichkeit samt Kleinanlegern bleibt zunächst außen vor.

Bianca von der Au, HR, tagesschau, 07.02.2024 08:36 Uhr