Ölpumpen stehen auf einem Feld bei Los Angeles.

Kosten durch Klimaschäden Warum Kalifornien Big Oil verklagen will

Stand: 20.09.2023 10:45 Uhr

Fünf der weltgrößten Ölkonzerne könnten in Kalifornien bald vor Gericht stehen. Der Bundesstaat wirft den Unternehmen Irreführung vor und macht sie für große Umweltschäden verantwortlich. Gouverneur Newsom will sie dafür zahlen lassen. 

Der Tropensturm "Hilary" brachte Kalifornien in diesem Jahr Rekordregenfälle; in den vergangenen vier Jahren war der Bundesstaat ausgetrocknet, erlebte eine Megadürre, Waldbrände zerstören jedes Jahr viel Quadratkilometer kalifornische Wälder. Der Gouverneur des Bundesstaats, Gavin Newsom, sieht einen Schuldigen: Erdöl und die Unternehmen dahinter. 

Deswegen verklagt der Bundesstaat die Ölkonzerne ExxonMobil, Shell, BP, ConocoPhilips und Chevron sowie den Industrieverband American Petroleum Institute. Der US-Bundesstaat wirft ihnen vor, aktiv Falschinformationen zu den Risiken verbreitet zu haben, die mit dem Einsatz fossiler Energieträger verbunden sind. 

Kalifornien könnte eine Vorreiterrolle übernehmen

Kalifornien will durch die Klage einen Fonds einrichten lassen, mit dem die Kosten von Umweltkatastrophen in dem Bundesstaat gedeckt werden sollen, die nachweisbar durch die Folgen des Klimawandels eintreten, wie etwa Überschwemmungen oder Waldbrände. 

Richard Wiles, Präsident des Center for Climate Integrity in Washington, arbeitet eng mit anderen Bundesstaaten und Kommunen zusammen, die ebenfalls die Ölunternehmen zur Verantwortung ziehen wollen. Dem Radio Netzwerk NPR sagte er, Kalifornien könne eine Vorreiterrolle übernehmen: "Das ist eine Riesensache. Kalifornien ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Und sie sind ein wichtiger Ölförderstaat. Sie sind der erste Öl produzierende Staat, der Klage gegen die Unternehmen einreicht."

Darüber hinaus sei Kalifornien führend in der Klimapolitik und habe gegenüber anderen Bundesstaaten einfach großen Einfluss. "Viele Bundesstaaten orientieren sich bei den Luftreinhaltevorschriften an Kalifornien. Der Fall Kaliforniens könnte tatsächlich dazu führen, dass mehr Generalstaatsanwälte Klage erheben", sagt Wiles.

"Für den Schaden zur Verantwortung ziehen"

Kalifornien ist bekannt für besonders strenge Luftreinheitsgesetze. So macht eine Umweltabgabe das Benzin im Schnitt einen Dollar teurer als im Rest der USA. Ein Gesetz regelt, dass ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor zugelassen werden sollen. Es sind also viele Gesetze, die die Umwelt und das Klima schützen sollen. 

Ist die Klage und die damit verbundenen Zahlungen der Ölfirmen als eine Art Strafe darüber hinaus angebracht? Ja, sagt Wiles, denn man zeige, dass die Ölfirmen seiner Meinung nach gelogen hätten. "Es geht darum, sie für den Schaden zur Verantwortung zu ziehen, den sie verursacht haben."

Er meint, das Wichtigste sei die Wirkung der Klage. Diese werde der Öffentlichkeit ein gewisses Maß an Gerechtigkeit dafür verschaffen, dass sie all diese Jahrzehnte lang belogen worden sei und mit diesen Schäden klarkommen und dafür aufkommen müsse.

Unternehmen sollen Emissionen offenlegen

Die Konzerne weisen diese Vorwürfe zurück. Der Industrieverband American Petroleum Institute schrieb in einem Statement, das mehrere Medien vorliegt: "Diese koordinierte Kampagne für politisch motivierte Klagen gegen eine amerikanische Industrie und ihre Arbeiter ist nichts weiter als eine Ablenkung von wichtigen Gesprächen auf nationaler Ebene. Und eine enorme Verschwendung kalifornischer Steuergelder. Über die Klimapolitik muss der Kongress debattieren und entscheiden, nicht das Gerichtssystem."

In einer Reihe von neuen Gesetzen will der demokratische Gouverneur Kaliforniens aber nicht nur Ölfirmen, sondern generell große Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Unter anderem müssen Unternehmen in Kalifornien, die mehr als eine Milliarde US-Dollar pro Jahr erwirtschaften, ihre Treibhausgas-Emissionen offenlegen.

Der zweite Gesetzentwurf verlangt von Unternehmen, die mehr als 500 Millionen US-Dollar pro Jahr verdienen, offenzulegen, welche finanziellen Risiken der Klimawandel für ihr Unternehmen bedeutet und wie sie diesen Risiken entgegenwirken wollen.

Katharina Wilhelm, ARD Los Angeles, tagesschau, 20.09.2023 09:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 20. September 2023 um 11:55 Uhr.