Eine Frau hält eine Karstadt- und eine Kaufhof-Einkaufstüte in den Händen.
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Kaufhauskette Galeria Die Geschichte eines Niedergangs

Stand: 09.01.2024 14:11 Uhr

Fusionen, Pleiten, Verluste: Einst waren die großen Kaufhäuser Konsum-Magneten der Innenstädte, doch schon seit Langem sind Galeria, Karstadt und Kaufhof Sanierungsfälle. Wie kam es dazu? Eine Chronologie.

Von Lukas Wiehler, ARD-Finanzredaktion

Große Warenhäuser gibt es in Deutschland bereits seit den 1880er-Jahren. Jahrzehntelang prägten die Kaufhäuser die Innenstädte, wurden in Zeiten des "Wirtschaftswunders" nach dem Zweiten Weltkrieg zu den zentralen Anlaufstellen des Konsums. In den 1980er-Jahren setzt ein Schwund der Kundschaft ein. Spätestens seit den 2000er-Jahren sind die verbleibenden Ketten Galeria Kaufhof und Karstadt Dauersanierungsfälle. Eine Chronologie des Niedergangs.

1879 - die Anfänge

In Stralsund eröffnet Leonhard Tietz ein Textilgeschäft - die Keimzelle von Kaufhof. Zwei Jahre später startet der Unternehmer Rudolph Karstadt in Wismar sein "Tuch- Manufactur- und Confectionsgeschäft". Ihr Konzept: Festpreise statt Verhandlungen zwischen Kunden und Verkäufern.

1994 - aus vier werden zwei Kaufhausketten

Durch zwei große Fusionen bleiben nur noch Kaufhof und Karstadt als große Warenhausketten auf dem deutschen Markt. Die Kaufhof AG schluckt den Konkurrenten Horten, und die Karstadt AG übernimmt die Hertie-Gruppe. 

Horten-Kaufhaus in Frankfurt (Oder) 1996

Das Horten-Kaufhaus in Frankfurt (Oder) im Jahr 1996.

1999 - die KarstadtQuelle AG 

Die Karstadt AG fusioniert mit dem Versandhaus Quelle-Schickedanz zur KarstadtQuelle AG, ein Handelsgigant mit mehr als 116.000 Mitarbeitern und 32,5 Milliarden D-Mark Umsatz. Mit einem Unternehmenswert von 4,5 Milliarden Euro ist das Unternehmen im deutschen Leitindex DAX notiert. 

Passanten vor einer Düsseldorfer Quelle-Filiale, aufgenommen am 19.4.1999.

Eine Quelle-Filiale in Düsseldorf 1999.

2000 - KarstadtQuelle: Fusionsträume und Stellenstreichungen

Nach 18 Jahren legt der Chef von KarstadtQuelle, Walter Deuss, das Amt nieder. Sein Nachfolger Wolfgang Urban streicht 7.000 Stellen und strebt die Fusion mit dem Konkurrenten Kaufhof an. Die "Deutsche Warenhaus AG" kommt aber nicht zu Stande. 

Während der Hauptversammlung der Karstadt Quelle AG am 11.7.2002 in Düsseldorf wird die Rede des Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Urban im Versammlungsaal auf eine Großleinwand übertragen.

Der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Urban hält im Juli 2002 eine Rede auf der Hauptversammlung von KarstadtQuelle.

2005 - "Es geht ums Überleben"

Der Manager Thomas Middelhoff übernimmt die Führung bei KarstadtQuelle. Direkt zum Amtsantritt erklärt er, dass es beim "Patienten" KarstadtQuelle "ums Überleben gehe". Für insgesamt 4,5 Milliarden Euro verkauft Middelhoff konzerneigene Warenhausimmobilien. Der Immobiliendeal wird als Befreiungsschlag gefeiert - die hohen Mieten werden jedoch später zur Belastung.  

Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender der KarstadtQuelle AG, auf einer Bilanzpressekonferenz.

Thomas Middelhoff war seit Mai 2005 Chef des Karstadt-Konzerns Arcandor.

2007- der Arcandor-Konzern entsteht

KarstadtQuelle bekommt einen neuen Namen: Der Kunstbegriff "Arcandor" ziert nun die Unternehmenszentrale. Gleichzeitig wächst mit der Übernahme des britischen Reiseveranstalters "mytravel" die Reisetochter Thomas Cook zum damals drittgrößten Reiseanbieter der Welt. Trotzdem ziehen die Warenhäuser von Karstadt den Arcandor-Konzern tief in die Verlustzone. Für das Geschäftsjahr 2007/2008 liegt das Minus unter dem Strich bei 745,7 Millionen Euro.  

Handwerker montieren auf der Karstadt-Konzernzentrale den neuen Firmennamen "Arcandor".

Handwerker montieren auf der Karstadt-Konzernzentrale den neuen Firmennamen.

2009 - Karstadt: die erste Insolvenz

Mitten in der Finanzkrise muss Arcandor Insolvenz für seine Töchter Quelle und Karstadt beantragen. Es ist die größte Pleite der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Bund und Länder springen mit einer Bürgschaft von 50 Millionen Euro ein, um das laufende Geschäft zu stützen. Trotzdem verkündet die Insolvenzverwaltung die Schließung von zehn Filialen sowie die Entlassung von 1.200 Mitarbeitern. 

Eine Beschäftigte aus dem Einzelhandel demonstriert am 10. Juni 2009 in der Innenstadt von München für die Rettung von Arbeitsplätzen bei Karstadt.

Eine Beschäftigte aus dem Einzelhandel demonstriert am 10. Juni 2009 in der Innenstadt von München für die Rettung von Arbeitsplätzen bei Karstadt.

2010 bis 2014 - ein US-Investor erhält den Zuschlag

Im April 2010 gibt der Gläubigerausschuss dem amerikanischen Investor Nicolas Berggruen den Kaufzuschlag für die übrigen Karstadt-Kaufhäuser. Unter der Berggruen-Holding werden bald über 2.000 der verbliebenen 25.000 Stellen gestrichen. Trotzdem fährt Karstadt weiter hohe Verlust ein - 2012/2013 sind es 131 Millionen Euro.

Nicolas Berggruen am 07.06.2010 vor der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen.

Nicolas Berggruen spricht am 07.06.2010 vor der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen mit Medienvertretern. Bei der Übernahme erntete der US-Investor viele Vorschusslorbeeren.

2014 - René Benko übernimmt bei Karstadt 

Nach nur vier Jahren zieht sich Investor Nicolas Berggruen zurück. Sein Nachfolger René Benko kauft die sanierungsbedürftigen Karstadt-Kaufhäuser für einen symbolischen Euro. Eine Chance für Karstadt sieht Benko in der Fusion mit Galeria Kaufhof. Die Idee einer "Deutschen Warenhaus AG" steht wieder im Raum.

Rene Benko (2010).

Der österreichische Milliardär René Benko (Archivfoto) übernimmt den Warenhauskonzern im Jahr 2014 vom US-Investor Nicolas Berggruen.

2015 - Metro trennt sich von Galeria Kaufhof

Mit der Übernahme von Galeria Kaufhof durch den US-Handelsriesen HBC platzen Benkos Pläne für eine "Deutsche Warenhaus AG". Der ehemalige Besitzer Metro sieht in HBC den Bieter mit dem besseren Sanierungskonzept. 

2018 - Karstadt und Kaufhof: "Fusion unter Gleichen"

Nach langen Verhandlungen geben HBC und Benkos Signa-Holding eine "Fusion unter Gleichen" bekannt. Bei der Fusion erhält Signa eine knappe Mehrheit von 51,01 Prozent. Die deutschen Warenhäuser heißen künftig "Galeria Karstadt Kaufhof".

April 2020 - Galeria-Karstadt-Kaufhof: die zweite Insolvenz

Schon vor der Corona-Pandemie schrieb Galeria-Karstadt-Kaufhof hohe Verluste, doch während des Lockdowns verliert Galeria mehr als 80 Millionen Euro pro Woche. Nach nur einem Pandemie-Monat ist der Konzern zahlungsunfähig und steuert in ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren. 

"Wir schließen diese Filiale" und "alles reduziert" steht auf den Eingangstüren einer Filiale von GALERIA Karstadt Kaufhof.

"Wir schließen diese Filiale" und "Alles reduziert" steht auf den Eingangstüren einer Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof (Archiv).

September 2020 bis 2022 - Schuldenschnitt, Staatshilfen und neuer Name

Im September 2020 verkündet der Insolvenzverwalter einen Schuldenschnitt, trotzdem braucht der Konzern Geld vom Staat. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes gibt im Januar 2021 die Zusage für ein Darlehen von 460 Millionen Euro. Ein Jahr später kommt eine stille Einlage von 220 Millionen Euro hinzu, womit sich die Staatshilfen auf 680 Millionen Euro summieren. Von nun an sollen alle Kaufhäuser einheitlich "Galeria" heißen.  

Mit Gittern verschlossene Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale.

Die geschlossene Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale am Bahnhofplatz in München (Archiv).

Oktober 2022 - zurück ins Schutzschirm-Insolvenzverfahren

Zum zweiten Mal in zwei Jahren muss der Konzern die Rettung durch ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren beantragen. Laut Insolvenzverwalter sollen nur die profitablen Filialen bestehen bleiben. 

Mai 2023 - ein Drittel der verbleibenden Filialen sollen schließen

Mit dem Ende des Insolvenzverfahren sollen 41 der 129 Filialen schließen. Die Gläubiger von Galeria verzichten angeblich auf Kredite in Höhe von 1,3 Milliarden Euro - also den Großteil der Galeria-Schulden. Im Juni 2023 werden die ersten 19 Filialen geschlossen, Ende Januar 2024 sollen die restlichen 21 folgen. Gleichzeitig deuten sich Schwierigkeiten bei Benkos Immobilienimperium an.  

Dezember 2023 - die Signa-Holding ist pleite

Stück für Stück rutscht die das Imperium von René Benko in die Insolvenz - zuerst die Holding und später weitere zentrale Signa-Gesellschaften. Obwohl die verbleibenden Filialen zuletzt einen operativen Gewinn von 70 Millionen Euro erwirtschaftet hatten, bleibt der Galeria-Konzern in den roten Zahlen.

9. Januar 2024 - Galeria meldet erneut Insolvenz an

Zum nunmehr dritten Mal binnen weniger Jahre reicht die Galeria-Kette einen Insolvenzantrag ein. Damit wolle sich das Unternehmen "aus den durch Signa gesetzten Rahmenbedingungen" befreien, heißt es in einer Mitteilung. Angestrebt werde ein Eigentümerwechsel, der die Fortführung der Kaufhauskette ermöglicht.