Ein Elektroauto lädt an einer Ladestation
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Anforderung an Ladepunkte Wie Stromnetze den E-Auto-Boom meistern

Stand: 10.05.2021 10:30 Uhr

Droht ein Ausfall des Stromnetzes, weil immer mehr Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren? Intelligente Ladestationen sollen Überlastungen zu Zeiten der Lastspitzen verhindern.

Von Thomas Spinnler, tagesschau.de

Wirtschaft, Politik und Verbraucher sind sich weitgehend einig: Elektroautos können ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz sein. Dass sie bei den Autofahrern immer beliebter werden, zeigen die steigenden Zulassungszahlen: 2020 waren 6,9 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw reine Elektroautos, in den ersten vier Monaten 2021 stieg dieser Anteil bereits auf zehn Prozent.

Aktuell fahren auf Deutschlands Straßen rund 600.000 Autos, die man dem Elektrosegment zuordnet. Das entspricht einem Anteil von deutlich mehr als einem Prozent. Die Bundesregierung peilt zehn Millionen E-Autos bis zum Jahr 2030 an.

Lade-Infrastruktur wächst langsamer als Flotten

Die Tendenz ist steigend, das Wachstum riesig, und die Autoindustrie verkündet immer ambitioniertere Ziele. Die Unternehmen möchten ihre Flotten in absehbarer Zeit vollständig auf Elektromobilität umstellen. Dabei kann das Wachstum der Ladestationen derzeit nicht mit den Zulassungszahlen mithalten, wie der Verband der Automobilindustrie nun beklagte.

Mussten sich vor einem halben Jahr bundesweit im Schnitt noch 13 E-Autos einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt teilen, seien es nun 17. "Während pro Monat knapp 60.000 E-Pkw in Deutschland neu zugelassen werden, wächst die Anzahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte nur um knapp 1000 pro Monat", sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller. Notwendig sei aber das Doppelte.

Aber ist das aktuelle Stromnetz überhaupt auf die Belastung vorbereitet, die durch eine flächendeckende Strombetankung durch elektrische Ladestationen auftreten würde? Selbst die Möglichkeit eines Blackouts, also eines totalen Zusammenbruchs des Stromnetzes, wurde in den Medien bereits diskutiert.

Jede Menge Toastbrot am Abend

Um das Problem zu verdeutlichen, wählen Siemens-Fachleute ein Beispiel: An einer Schnellladestation nehme ein Auto binnen fünfzehn Minuten in etwa so viel Energie auf wie nötig wäre, um 5000 Scheiben Brot zu toasten.

Vor allem, wenn sich in bestimmten Stadtteilen oder Regionen die Ladezeiten schwerpunktmäßig in den Abendstunden konzentrieren und viele Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden sollen, werden Probleme vermutet.

"Die derzeitigen Stromnetze wären teilweise schlichtweg überfordert, wenn von heute auf morgen Millionen von Fahrzeugen nur noch batteriebetrieben unterwegs wären und innerhalb von Minuten beladen werden sollen", sagt Ben Gemsjäger, stellvertretender Leiter der Verteilungsnetzplanung bei Siemens PTI.

Die Netze müssen smart werden

Perspektivisch seien Anpassungen des Stromnetzes nötig, um das gleichzeitige Laden vieler Elektroautos zu ermöglichen, heißt es dazu aus dem Bundesumweltministerium. Das gelte besonders für die örtlichen Stromnetze, die sogenannten Verteilnetze. In erster Linie müsse das Netz "smart" werden, so die Einschätzung. Denn die Zahl der Elektroautos wächst schneller als die erforderliche Infrastruktur.    

Genug Strom ist vorhanden: Würden alle rund 45 Millionen Pkw in Deutschland als Batteriefahrzeuge fahren, dann stiege die Stromnachfrage um etwa 20 Prozent, heißt es in einer Studie des Fraunhofer Instituts. Wenn 2030 zwischen sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge unterwegs wären, würde sich die Stromnachfrage nur um moderate drei bis 4,5 Prozent erhöhen, so die Experten.

Aber es kommt darauf an, wie der Strom verteilt wird. "Nur mit intelligenten Lösungen schaffen wir den Hochlauf", sagte Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) dem "Spiegel". Sobald Netzengpässe drohten, müssten die Netzbetreiber die Möglichkeit haben einzugreifen.   

Die Ladeleistung wird angepasst

Im Ergebnis bedeutet das, dass beim Laden von Elektroautos je nach Netzreserven flexibel vorgegangen und das Laden gesteuert werden muss. Werden also zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu viele Fahrzeuge geladen, und das lokale Netz droht überlastet zu werden, würde die Ladeleistung vermindert. Wenn genügend Netzreserven vorhanden sind, würde die Ladeleistung wieder erhöht.

Die Lastspitzen könnten über eine intelligente Steuerung verteilt werden, heißt es dazu in einem Blogbeitrag des Energieversorgers EnBW. "So dauert das Laden zwar länger, aber gerade nach der abendlichen Heimkehr werden die meisten Autos ohnehin vor dem nächsten Morgen nicht wieder bewegt."

Berücksichtige man, dass Pkw in Deutschland zu 95 Prozent ihrer Zeit stehen, die überwiegende Beladung zu rund 80 bis 90 Prozent zu Hause und am Arbeitsplatz erfolgen werde, und dort in der Regel ein Stromanschluss verfügbar sei, so sei ein gesteuertes Laden realisierbar, schreibt das Fraunhofer Institut.

Smarte Ladestationen werden gefördert

Aus diesem Grund fördert beispielsweise die KfW ausschließlich intelligent ansteuerbare Ladestationen: Die Ladestation müsse intelligent gesteuert werden und mit anderen Komponenten des Stromnetzes kommunizieren, heißt es dazu in den Anforderungen der staatlichen Förderbank.  

Aktuell gibt es rund 40.000 öffentliche Ladestationen in Deutschland, aber vor allem die privaten Ladepunkte werden immer mehr. Auch die Förderung durch die KfW wird weiter aufgestockt: Vor wenigen Tagen hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer mitgeteilt, dass weitere 100 Millionen für die Förderung zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt beläuft sich das Volumen jetzt auf 500 Millionen Euro.

Seit November 2020 sind laut Scheuer bereits 470.000 private Ladepunkte an Wohngebäuden mit jeweils 900 Euro bezuschusst worden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. Januar 2021 um 19:40 Uhr.