Interview

40 Jahre SAP "Eine hochkomplexe Maschine aus der Provinz"

Stand: 28.04.2012 05:45 Uhr

Systemanalyse und Programmentwicklung - so nannten fünf Jungunternehmer 1972 ihr Start-up. 40 Jahre später ist SAP bekannt und einer der weltgrößten Anbieter für Firmen-Software. Wie SAP in der deutschen Provinz groß werden konnte, erklärt der Buchautor Ludwig Siegele im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Zumeist spielen die Aufstiegsgeschichten von Softwareunternehmen in den USA. SAP aber kommt aus der deutschen Provinz. Wie war dieser Erfolg überhaupt möglich?

Ludwig Siegele: Dieser Erfolg konnte nur in der deutschen Provinz passieren. Im Silicon Valley geht es zwar viel um Technologie, aber auch um das schnelle Geld. Da werden Unternehmen finanziert, aber die Venture Capitalists, die Risikokapitalgeber, wollen ihr Geld schnell wieder haben.

Zur Person

Ludwig Siegele ist Fachautor und Wirtschaftsjournalist. Derzeit arbeitet er für "The Economist" in London. Gemeinsam mit Joachim Zepelin schrieb er ein Buch über SAP: Matrix der Welt. SAP und der neue globale Kapitalismus (2009).

Dagegen hatte SAP Anfang der 1970er-Jahre sehr viel Zeit, sich auf sein Produkt zu konzentrieren, viele gute Leute einzustellen, und später an die Börse zu gehen. Es gibt aber auch andere Gründe, warum SAP gerade in Deutschland entstanden ist: Hier wird Betriebswirtschaft als Wissenschaft betrieben. Das ist in den USA nicht der Fall. Und es gibt die deutsche Tradition der Maschinenbauer. Das Hauptquartier von SAP liegt direkt neben einer Fabrik der Heidelberger Druckmaschinen. Und so muss das SAP-Produkt auch gesehen werden: als eine hochkomplexe Maschine.

tagesschau.de: Nun hat SAP nicht nur den Aufstieg geschafft sondern ist über Jahrzehnte auch an der Spitze geblieben. Was hat die Firma richtig gemacht?

Siegele: Sie waren immer innovativ und haben es immer geschafft, sich früh genug an die sich verändernde Welt der Computerindustrie anzupassen. In den 1970er- und 1980er-Jahren liefen die Programme auf Großrechnern. Das hat sich dann verändert hin zu dezentraleren Computersystemen. SAP ist es gelungen, sein Produkt zügig auf diese neuen Computersysteme zu übertragen.

Und das ist auch jetzt die große Herausforderung: Wir haben im Moment wieder einen großen Wandel in der Computerwelt weg von Computern, die in Unternehmen stehen, hin zu mehr Cloud Computing in Datenzentren. Diesen Wandel muss SAP schaffen.

Das Risiko der Größe

tagesschau.de: Ist SAP für den erneuten Wandel nicht längst zu groß, träge und behäbig geworden?

Siegele: Die Größe ist tatsächlich ein Risiko, wie bei jedem erfolgreichen Unternehmen. Nur wenn SAP innovativ und nah am Kunden bleibt, wird es als selbständiges Unternehmen überleben.

tagesschau.de: Wo sehen Sie SAP in zehn Jahren?

Siegele: Ich gehe davon aus, dass sich SAP nochmal neu erfinden kann - und seinen 50. Geburtstag feiern wird. Aber es gibt auch andere Szenarien: Andere könnten besser sein, nutzen das Cloud Computing und andere technische Entwicklungen besser. Während SAP in seiner angestammten Ecke stecken bleibt. Dann werden die Walldorfer irgendwann von einem Konkurrenten übernommen, vielleicht von Microsoft.

Die Globalisierung befeuert

tagesschau.de: Die Produkte von SAP revolutionierten den Umgang der Unternehmen mit Daten, trieben - so schreiben Sie in Ihrem Buch - die Globalisierung voran. Wie das?

Siegele: SAPs Programme sind ganz anders als die Software, mit der Normalverbraucher umgehen, etwa Webbrowser oder Smartphone-Apps. Betriebswirtschaftliche Anwendungen sind in Software geronnene Buchhaltungsregeln und Geschäftsprozesse, die oft auf Firmen individuell zugeschnitten sind. Deswegen dauert es auch oft Jahre, um ein SAP-Programmpaket zu installieren und anzupassen. Wenn es dann einmal installiert ist, dann sind im Idealfall die Geschäftsprozesse in einem Unternehmen standardisiert. Das macht es viel einfacher, einen multinationalen Konzern zu managen. Deswegen die These unseres Buches: Ohne Programme wie die von SAP wäre die Globalisierung wie wir sie kennen nur schwer denkbar.

tagesschau.de: Was bedeuten diese Veränderungen für die Weltwirtschaft?

Siegele: Die Software macht die globale Arbeitsteilung effizient. Nestlé, der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern, hat alle seine Daten in einem großen Programmpaket von SAP. Die Nestlé-Manager wissen auf diese Weise jederzeit, was in ihrem Geschäft los ist - und zwar weltweit. Das macht es viel einfacher, beispielsweise die billigsten Rohstoffe zu ordern.

Fußball nach SAP-Logik

tagesschau.de: Wird mithilfe von SAP nun auch der Bundesliga-Fußball verändert - mit den Millionen, die SAP-Gründer Hopp in Hoffenheim steckt? Er begreift Fußball offenbar als Zahlenspiel nach SAP-Logik.

Siegele: Hoffenheim ist eher Hopps Hobby und hat mit SAP weniger zu tun. Aber es gibt doch eine Verbindung: Hoffenheim setzt viel Technologie ein, um seine Spieler besser zu trainieren. Das Spiel wird sozusagen digital durchdrungen - und genau das ist es, was SAP in der Geschäftswelt macht.

Das Interview führte Claudia Witte.