EU verhandelt Anti-Produktpiraterie-Vertrag Internetsperren durch die Hintertür?

Stand: 07.04.2010 13:50 Uhr

Dass die EU sich um ein internationales Abkommen zum Schutz vor Produktpiraterie bemüht, dagegen kann in Brüssel wohl kaum jemand etwas haben. Da das Vertragswerk aber auch Internetsperren gegen illegale Downloads aus dem Netz vorsieht, regt sich Widerstand. Bei EU-Abgeordneten und in der Internet-Gemeinde.

Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel

ACTA – das steht für Anti Counterfeiting Trade Agreement, zu deutsch Anti-Piraterie Abkommen. Nur Experten wissen, worum es bei diesem Vertragswerk geht, und selbst die meisten Fachleute ahnen nur umrissartig, was genau im Papier steht. Denn einen offiziellen Vertragstext gibt es noch nicht, der wird hinter verschlossenen Türen verhandelt zwischen der EU, den USA, Kanada, Japan und einer Reihe anderer Staaten.

Auf vielen Seiten wird es um gefälschte Kosmetikprodukte gehen, um Spielzeug, das eigentlich den aufgedruckten Markennamen nicht tragen darf - also um Plagiate. Und darum, was die Unterzeichnernationen gegen Fälschungen tun wollen.

ACTA nimmt auch illegale Downloads ins Visier

Aber in einem Kapitel des Abkommens soll es auch um das Thema Internet gehen und um kopierte Filme und Musikdateien beispielsweise. Und da wird es spannend. Die Internet-Gemeinde steht Kopf und fürchtet Restriktionen und Eingriffe bei den Bürgerrechten. Im Netz kursieren Vertragsentwürfe mit bedenklichen Inhalten. Demnach könnten die Staaten sich mit ACTA verpflichten, Internetsperren einzuführen. Der liberale EU-Parlamentarier Alexander Alvaro sagt, das könnte dazu führen, "dass Internetzugänge nach dreimaliger Warnung, wie in Frankreich schon üblich, abgeschnitten werden sollen etwa bei illegalen Downloads. Also ich bin gegen Internetsperren." Die Begründung der Gegner lautet: Beschneidung der Grundrechte. Es sei unklar, wer das anordnen dürfte.

CD im Laufwerk eines Computers

Mit Internetsperren gegen illegale Downloads?

Die Bundesjustizministerin sieht das genauso. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger versicherte, Internetsperren werde es mit ihr nicht geben. Doch die Befürchtungen in der Online-Gesellschaft gehen noch weiter: Demnach sollen Unternehmen dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sie den Zugang zu verbotenen Dateien zulassen.

EU-Kommission beschwichtigt

Bei einer Anhörung im Europaparlament trat der Verhandlungsführer der EU-Kommission, Luc Devigne, all diesen Befürchtungen entgegen. Es gebe keine Klausel, die Internetsperren fordere - und außerdem würde die EU einer solchen Passage nicht zustimmen. Devigne betonte auch, dass der Datenschutz mit dem neuen Abkommen gewahrt werden solle. Internetunternehmen müssten sich keine Sorgen machen. Sie sollen nicht für Piraterie verantwortlich gemacht werden.

Mangelnde Transparenz schürt Misstrauen

Doch das Misstrauen bleibt: Der Vorkämpfer gegen ACTA, der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist, betonte, Kanada werde regelrecht in die Zange genommen und zu Änderungen seiner Urheberrechtsgesetze gezwungen.

Der liberale EU-Abgeordnete Alvaro sagte, am Ende zähle, was schwarz auf weiß im Abkommen stehe. Doch gegen das Misstrauen könnte mehr Transparenz helfen: "Das ACTA-Abkommen ist vor allem im Geheimen ausgehandelt worden. Das ist ein Kritik-Punkt, diese mangelnde Transparenz. Ein offenes Ohr der Kommission, das würde uns schon weiter bringen", sagte Alvaro. Der Vertreter der EU-Kommission gelobte schon Besserung. Und er kann auch gleich zeigen, ob er es ernst meint. Die nächste Verhandlungsrunde findet Mitte April statt.