Vor Besuch bei Kanzlerin Merkel Signor Monti sieht sich im Glück

Stand: 29.08.2012 05:01 Uhr

Heute kommt Italiens Ministerpräsident Monti nach Berlin. Zu Hause habe sich die Lage deutlich gebessert, findet er: Das Ende der Krise sei in Sicht. Die Italiener sehen das etwas anders: Sie ächzen unter der wachsenden Arbeitslosigkeit, den Sparmaßnahmen und den steigenden Steuern.

Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom

Halbzeit für Mario Monti. Wenn seine Regierung bis zum nächsten regulären Wahltermin im späten Frühjahr 2013 durchhalten sollte, dann befindet sich Italiens Ministerpräsident nun auf der Hälfte des schwierigen Weges, auf dem er Italien heraus aus der Krise helfen will.

Und Mario Monti sagt: Ich sehe schon Licht am Ende des Tunnels. Er sehe viele Anzeichen, dass das Ende der Krise sich nähere: "Wir treten aus einer sozialen und wirtschaftlichen Leidensphase heraus. "

Die Mehrheit der Italiener dürfte das anders sehen. Jeden Monat gibt es neue Rekorde bei der Arbeitslosenstatistik. Die Firmen entlassen statt einzustellen. Und der Staat saniert seinen Haushalt mit schmerzhaften Einschnitten im Sozialbereich und saftigen Steuererhöhungen. "Der Normalbürger spart, weil er sparen muss", klagt Graziella aus Rom. Die Steuern seien stark gestiegen, die Familien seien gezwungen, auf die Ausgaben zu achten. "So gesehen zahlt doch immer die Mittel- und Unterschicht", meint sie.

Tilmann Kleinjung, T. Kleinjung, BR, 29.08.2012 02:47 Uhr

Kurs auf Maastricht-konformes Haushaltsdefizit

Diesen Eindruck will Monti natürlich vermeiden und lässt sich bei seinem Kampf gegen die Schuldenkrise nach Kräften von der Finanzpolizei unterstützen. Im ganzen Land finden Kontrollen und Razzien statt, um mutmaßliche Steuersünder zu entlarven. Mit Erfolg: Zehn Milliarden Euro wurden auf diese Weise bisher in die Staatskassen gespült. Und die Regierung rechnet damit, dass 2012 das Haushaltsdefizit mit zwei Prozent erstmals seit langem wieder den Maastricht-Kriterien entspricht.

Doch diese Kriterien, sagt Redakteur Alessandro di Lellis vom römischen "Messaggero", seien eben nicht alles. "Wenn wir uns auf die reinen Maastricht-Kriterien beschränken, werden wir verhungern", meint er. "Wir müssen das tun, was wir können: Wir werden nicht die Besten sein, aber die zweiten oder dritten nach Frankreich und Deutschland. Aber wir können die Besten sein in der Schnelligkeit, die Zukunft zu begreifen, auf die Technologienetwicklung setzen. Und darin mangelt es in Italien absolut."

Auch in diesem Jahr wird Italiens Wirtschaftsleistung weiter schrumpfen - um 1,9 Prozent, prognostiziert die Ratingagentur Fitch. Deshalb muss Monti in der zweiten Halbzeit Anreize setzen, den Arbeitsmarkt ankurbeln, Wachstum fördern.

Bittere Medizin nach der Berlusconi-Ära

Die Mehrheit der Italiener traut ihm das noch zu, trotz des harten und unpopulären Sparkurses. Der ist wie eine bittere Medizin, die man nach der langen Ära Berlusconi einfach schlucken muss. Aber auf die Frage, ob sie diesem Mann bei Wahlen ihre Stimme geben würden, antworten laut einer Umfrage der Universität Pisa zwei Drittel der Italiener: Nein.

"Über die Politik von Monti kann man sagen: Einige Entscheidungen sind unpopulär", meint Graziellas Mann Giorgio. "Man muss aber auch sagen: Wir wissen nicht, ob er all das gemacht hat, was er sich vorgenommen hatte. Warum? Silvio Berlusconi und seine Bande sind zwar nicht mehr an der Regierung, sie sitzen aber noch im Parlament."

Deshalb empfinden Giorgio und Graziella das Gerücht, dass Berlusconi noch einmal zurückkehren könnte in die Politik, eher als schlechten Witz. Dann schon lieber Monti. Und Berlusconi? "Wollt ihr Deutschen ihn? Wir schenken ihn euch", sagen sie.