Interview

Interview mit Airbus-Betriebsrat Niehus "Am Ende des Tunnels wird es hell"

Stand: 16.10.2006 08:56 Uhr

Lieferschwierigkeiten beim Superjet A380 stürzten Airbus in die Krise, im Hamburger Werk sorgen sich die Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze. Über die Zukunftsaussichten der Airbus-Werke in Deutschland und den Einfluss der Politik sprach tagesschau.de mit dem Hamburger Betriebsratschef Horst Niehus.

tagesschau.de: Die EADS-Tochter Airbus ist durch die Lieferverzögerung des A380 in eine schwere Krise geraten. Der neue Airbus-Chef Gallois bekannte sich zum Hamburger Werk, kündigte aber zugleich „tiefe Einschnitte“ an. Sehen EADS und Airbus einer düsteren Zukunft entgegen?

Horst Niehus: Nein, es gibt keine düstere Zukunft. Es gibt eine Krise, aber wir wissen ganz genau, in wenigen Jahren, spätestens 2010, werden wir wieder die volle Produktionsrate für den A380 haben. Das Licht am Ende des Tunnels ist also schon wieder sehr hell.

tagesschau.de: Medienberichten zufolge sind allein beim Hamburger Airbus-Werk 6000 von insgesamt 12.000 Arbeitsplätzen in Gefahr. Entspricht das auch Ihren Befürchtungen?

Niehus: Da wird sehr viel spekuliert. Es ist so, dass wir natürlich verschiedene Werke haben, und dass es sicherlich Konzepte geben wird, sich von bestimmten Werken zu trennen. Wir werden versuchen, das mit unseren Mitteln zu verhindern. Das sind aber Dinge, die noch nicht einmal auf dem Tisch liegen. Ich bin aber sicher, dass das kommen wird. Und dann werden wir darüber verhandeln.

tagesschau.de: Befürchten Sie Werksschließungen?

Niehus: Nein. Aber auch einen Verkauf von Werken, wie es unser Konkurrent Boeing vorgemacht hat, werden wir nicht akzeptieren. Wir wollen hier so erfolgreich bleiben wie in der Vergangenheit. Das ist jetzt eine Krise, da müssen wir gemeinsam durch.

Die Auslastung ist das größte Problem

tagesschau.de: Gallois hat Einsparungen angekündigt. Gibt es bereits konkrete Entscheidungen?

Niehus: Nein. Wir gehen davon aus, dass wir Einsparungen in der Größenordnung von zwei Milliarden Euro bekommen werden für die nächsten Jahre. Das ist natürlich relativ viel. Da sind ganz heftige Anstrengungen notwendig. Für uns viel wichtiger ist aber das Problem, wie gehen wir mit der Unterauslastung unserer Kapazitäten um, die wir in den nächsten Jahren haben werden? Wir werden in den nächsten Jahren in Hamburg nicht 26 sondern nur einen A380 bauen. Nun verhandeln wir mit dem Hamburger Management, über die Frage, wie wir verhindern können, dass wir zu viele Mitarbeiter nach Hause schicken müssen.

"Man muss politisch Einfluss nehmen"

tagesschau.de: In welchem Sinn könnte ein Einstieg des Bundes bei EADS helfen, Arbeitsplätze in Deutschland zu retten?

Niehus: Es ist politisch einfach notwendig. Der französische Staat sagt, meinen Anteil werde ich nie und nimmer verkaufen, die Spanier wollen ihren Anteil sogar erhöhen, die russische Nationalbank kauft Anteile. Alle sagen, der Staat muss Einfluss nehmen, weil diese Industrie so wichtig ist. Und die Bundesregierung sieht von außen zu. Das kann nicht sein. Man kann Einfluss nehmen.

tagesschau.de: Wirtschaftsminister Glos sieht das anders.

Niehus: Ich bin sehr froh, dass der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall da anderer Meinung ist und uns unterstützt.

"Wir stehen erst am Anfang"

tagesschau.de: Gallois sprach von einem "Wettbewerb der Standorte", die nicht in "einen Krieg" münden dürfe. Ist die Aufteilung zwischen Hamburg und Toulouse sinnvoll?

Niehus: Das ist eine politische Entscheidung. Wer sich aber über zu lange Wege beklagt, sollte sich einmal ansehen, wie Boeing organisiert ist. Die Werke liegen noch viel weiter auseinander, und sie bekommen ihre Teile aus der ganzen Welt. Tatsache ist aber auch, dass diese Industrie auch immer darauf angewiesen ist, als Anschubfinanzierung Darlehen von den Regierungen zu bekommen. Beträge von zehn, fünfzehn, zwanzig Milliarden Euro kann kein Privatunternehmen und kein einzelner Staat aufbringen.

"Wir haben unendlich viel Phantasie"

tageschau.de: Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Niehus: Unser Kernpunkt ist die Zukunftsfähigkeit des Hamburger Werks. Wer immer auf die Idee kommt, er wolle den A380 aus Hamburg abziehen, und den A350 hier auch nicht bauen, dann würde das die Zukunftsfähigkeit dieses Standortes tangieren. Und dann müssten wir mit aller Härte dagegen vorgehen. Wir haben unendlich viel Phantasie und sind auch bereit sie einzusetzen. Wir haben dafür gekämpft, dass dieses Projekt nach Hamburg kommt. Und wir werden uns mit aller Härte auch in Zukunft dafür einsetzen.

Die Fragen stellte Michaela Monsees, tagesschau.de