Bundesadler auf einer Euromünze

Frühjahrsgutachten 220 Milliarden Euro in Gefahr

Stand: 13.04.2022 11:18 Uhr

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für 2022 drastisch auf 2,7 Prozent gesenkt. Ein Stopp russischer Gaslieferungen hätte den Berechnungen zufolge für die deutsche Wirtschaft verheerende Folgen.

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte in diesem Jahr nur um 2,7 Prozent zulegen - zu dieser Einschätzung kommen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung. In ihrem Herbstgutachten waren die Forscher noch von einem Plus von 4,8 Prozent ausgegangen.

Maßgeblich für die deutliche Korrektur nach unten ist neben dem Ukraine-Krieg der ungünstige Verlauf der Corona-Pandemie im zurückliegenden Winterhalbjahr. Für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 hoben die Forschungsinstitute ihre Vorhersage dagegen von 1,9 auf 3,1 Prozent an.

Führende Wirtschaftsinstitute senken Konjunkturprognose auf knapp drei Prozent

Robert Holm, RBB, tagesschau 12:00 Uhr

So teuer käme Deutschland ein russischer Gas-Stopp

Allerdings handelt es sich bei diesen Wachstumsprognosen nur um das sogenannte "Basisszenario" der Forscher. Darin gehen sie von fortgesetzten Gaslieferungen und keinen weiteren ökonomischen Eskalationen aus.

In einem "Alternativszenario" haben die Ökonomen berechnet, wie sich die deutsche Wirtschaft bei einem sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen entwickeln würde. In diesem Falle würde das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr nur noch um 1,9 Prozent wachsen, 2023 würde es sogar um 2,3 Prozent schrumpfen.

Bei einer sofortigen Unterbrechung der russischen Gaslieferungen stünden hierzulande in beiden Jahren insgesamt 220 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung im Feuer, so das Gutachten. "Bei einem Stopp der Gaslieferungen droht der deutschen Wirtschaft eine scharfe Rezession", warnte der Vizepräsident und Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths.

Inflationsrate bei 6,1 bis 7,3 Prozent

Auch für die Entwicklung der Verbraucherpreise in Deutschland haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten die genannten zwei Szenarien zugrunde gelegt. So rechnen sie in ihrem Basisszenario mit einer Inflationsrate von 6,1 Prozent, dem höchsten Wert seit 40 Jahren.

Im Falle eines Lieferstopps für russische Energie würden dagegen 7,3 Prozent erreicht - und damit der höchste Wert seit Bestehen der Bundesrepublik. Auch im kommenden Jahr dürfte die Rate mit 2,8 Prozent (Lieferstopp: 5,0 Prozent) deutlich über dem Durchschnitt seit der Wiedervereinigung liegen.

Hilfen für private Haushalte zum Abfedern hoher Energiepreise sollte die Politik allerdings sehr zielgerichtet dosieren. "Werden solche Hilfen auf breiter Front ausgereicht, treibt das zusätzlich die Inflation und torpediert den wichtigen Lenkungseffekt höherer Energiepreise", warnte IfW-Ökonom Kooths. Das verschärfe wiederum die Probleme einkommensschwacher Haushalte.

Optimistischer als Wirtschaftsweise und IfW

Mit ihrem Frühjahrsgutachten stimmen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute folglich ein in den Chor der Ökonomen, die davor warnen, wie massiv ein Stopp der russischen Gaslieferungen die deutsche Wirtschaft treffen würde.

Allerdings sind sie - zumindest in ihrem Basisszenario - für dieses Jahr optimistischer gestimmt als etwa die sogenannten "Wirtschaftsweisen": Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht in seinem Jahresgutachten nur von einem Wachstum des deutschen BIP von 1,8 Prozent aus. Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 2,1 Prozent zulegen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 13. April 2022 um 10:20 Uhr.